Modedesigner Wolfgang Joop: 'Es kommt mehr auf die Pose an'
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Modedesigner Wolfgang Joop sitzt lässig und im Pulli in seiner Wohnküche in Potsdam. In der Nähe von Park Sanssouci lebt er heute mit seinem Partner auf dem umgebauten Anwesen seiner Großeltern, wo er seine Kindheit verbrachte. Am kommenden Montag wird Joop 80 Jahre alt und beantwortete im Interview der Deutschen Presse-Agentur einige Fragen.
Sie sind Modedesigner, aber auch Zeichner – bringen Sie noch jeden Tag etwas zu Papier?
Momentan zeichne ich sehr schnell. Ganz komisch, aber ich habe auf jeden Fall so ein Tempo drauf, als ob ich nicht viel Zeit hätte. Also, so gebe ich ja auch Interviews.
Wieso arbeiten Sie denn noch – oder denken Sie ans Aufhören?
Die meisten Leute begegnen mir so im Tonfall: „Willst du jetzt nicht endlich mal vernünftig werden?“ Oder: „Fahr doch mal in den Urlaub“. Meine Überpräsenz war schon manchmal einigen Leuten zu viel. Ich habe früher jeden Job angenommen, der sich mir geboten hat. Ich bin fleißig, aber das beinhaltet auch so was Preußisches. Aber man muss das jetzt alles auch noch physisch hinkriegen. Ich meine, früher brauchte ich keine Brille, jetzt funktioniert die, die ich gerade hatte, auch schon wieder nicht.
„Ich fühl' mich viel zu jung, um 80 zu sein“ – so haben Sie es
vor Kurzem auch gesagt.
Das ist für mich ein bisschen ein fremder Typ, den ich nicht mag. Und ich meine, mir passen dieselben Sachen, die ich vor 40 Jahren anhatte. Aber ich habe auch fünf Enkel, was nicht so üblich ist bei den Armanis und bei Lagerfeld. Die Enkel sind schon sehr aufgeklärt und alle hochbegabt, aber ich helfe schon mal aus – mit einem Oversized-Pulli.
Wie viele Gedanken machen Sie sich darüber, was Sie anziehen
sollen?
Ich mag es am liebsten bequem, und ich habe mein Leben lang Secondhand getragen. Auf dem Internat habe ich die Klamotten von meinem Großvater vorgeführt, weil ich nichts Neues kaufen konnte und auch nichts Neues bekam. Also habe ich dann aus dem Mangel eine Attitüde gemacht. Und das sage ich so oft: Es kommt ja mehr auf die Pose an, als auf das, was man trägt. Ich finde, es geht um die Persönlichkeit dabei, dass du einfach deine Aura pflegst.
Was sagen Sie denn zur gewissen Mainstream-Mode, die man auf
den Straßen sieht?
Kommt aus dem Mainstream heraus! Momentan ist diese Egalität ja unfassbar. Ich wundere mich immer, wie das funktioniert, dass alle auf einmal blond sind. Alle sind unglaublich beige. Und dann sehe ich natürlich mittlerweile auch, dass es doch mehr die Angst vor der Dysmorphologie gibt, dass man physisch nicht da reinpasst. Und es gibt ja immer mehr Standards, wie junge Frauen aussehen müssen. Das kommt einfach durch Social Media.
Sie könnten in Paris oder New York leben, sind jedoch vor Jahren
nach Potsdam-Bornstedt zurückgekehrt, dem Ort Ihrer Kindheit. Warum war die Sehnsucht so groß?
Es ist ein gewisser Suchtcharakter, eine Sucht nach dieser Heimat und ich mag mich momentan – vielleicht liegt es am Alter – kaum wegbewegen. Dazu kommen die weiten Reisen, die ich hinter mir hatte. Und ich schaue hier alles an und denke: Mein Gott, wie lange habe ich das so als selbstverständlich gesehen. Als meine Eltern starben, habe ich die Verpflichtung gespürt, es für die nächste Generation aufzubewahren. Und wenn mich früher jemand fragte «Wo kommen Sie denn her?» sagte ich: I'm coming from East Germany, weil es für die anderen ein unerreichbares Land war. Die anderen berichteten von Reisen nach Honolulu, aber in die DDR, da kamen sie nicht hin.
Jetzt werden Sie 80 – wie leicht fällt es Ihnen, die Zahl
auszusprechen?
Ich finde, es ist wie ein schlechter Scherz, ehrlich gesagt. Ich kann nicht sagen, dass ich auf mich im Alter furchtbar gespannt bin. Und Weisheit stellt sich überhaupt nicht ein, außer hin und wieder die Kränkung des Körperlichen, dass man auf einmal nicht mehr diese Energie hat.
Sie sprechen immer wieder auch über die Beschäftigung mit dem
Tod...
Ich merke eben deutlich, dass ich mich illusionslos auf die Reise machen will. Ich will, bis es nicht anders geht, mein eigener Herr sein. Ich stelle mir eben auch vor, wie es ist, das Nichts zu betreten. Darüber denke ich ziemlich oft nach. Jemand wie ich, der so eine große Vorstellungskraft hat, der so viel abrufen kann aus dem Hinterstübchen des Gehirns an Erinnerung, an Visionen auch, kann sich das nicht vorstellen. (dpa)