Nach Günther Oettinger: Ehemaliger französischer Innenminister berät Shein

Von Julia Garel

23. Dez. 2024

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Christophe Castaner in Paris, am 11. Juni 2024 Credits: MAGALI COHEN / Hans Lucas / Hans Lucas via AFP

Der ehemalige französische Innenminister Christophe Castaner ist laut einem Bericht des Nachrichtenmediums La Lettre einem Gremium beigetreten, das den Fast-Fashion-Giganten Shein berät. Die Berufung des Politikers, der von Oktober 2018 bis Juli 2020 als Innenminister tätig war, hat inmitten des anhaltenden Widerstands gegen das Unternehmen hitzige Diskussionen entfacht.

„Wer vertritt hier eigentlich die Interessen Frankreichs?“, fragt Julia Faure, Mitgründerin der Modemarke Loom, in einem LinkedIn-Beitrag. Sie nimmt Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen dem ehemaligen Innenminister und Shein. Faure weist darauf hin, dass diese Nachricht in einen spezifischen rechtlichen Kontext fällt: das sogenannte Anti-Fast-Fashion-Gesetz. Dieses Gesetz sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, um die durch Wegwerfmode verursachte Umweltverschmutzung einzudämmen.

Am 14. März 2024 verabschiedete die französische Nationalversammlung in erster Lesung einstimmig und mit Änderungen einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Der Text wird derzeit im Senat geprüft. Das Gesetz fügt sich in eine Reihe von Maßnahmen ein, die in den letzten Jahren erarbeitet wurden, darunter das Gesetz gegen Verschwendung und für eine Kreislaufwirtschaft (AGEC) aus dem Jahr 2020, das Klimaschutz- und Resilienzgesetz von 2021 sowie das Gesetz zur Stärkung der Umweltregulierung im digitalen Bereich aus demselben Jahr.

Ein ehemaliger Innenminister bei Shein

Wie La Lettre berichtet, wurde Christophe Castaner in ein Gremium berufen, das Shein in Fragen des sozialen und ökologischen Einflusses berät, insbesondere in Bezug auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (CSR). Laut dem Bericht hat sich der ehemalige Minister auf Lobbyarbeit spezialisiert und agiert über seine Firma Villanelle Conseil. Diese beschreibt sich auf LinkedIn als „Beratungsunternehmen für öffentliche Angelegenheiten, Regierungsbeziehungen und institutionelle Kommunikation“. Villanelle Conseil gibt an, „verschiedene Organisationen bei der Entwicklung von Strategien in den Bereichen öffentliche Angelegenheiten, institutionelle Beziehungen, Krisenmanagement und Unternehmenskommunikation“ zu unterstützen.

Castaner ist jedoch nicht der erste Politiker, der für Shein tätig wird. Bereits im Sommer dieses Jahres engagierte das Unternehmen den ehemaligen EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger, als Berater. Oettinger soll Shein dabei helfen, seine Lobbyarbeit zu intensivieren und sich im komplexen Umfeld der europäischen Regulierungen zurechtzufinden.

Die Vorwürfe gegen die Billigmodemarke sind vielfältig: von massiver Überproduktion von Kleidung und prekären Arbeitsbedingungen über unfaire Konkurrenz gegenüber französischen Marken bis hin zu irreführenden Werbeaktionen. Neben den erheblichen ökologischen Auswirkungen dieses Modegiganten bereitet der Branche vor allem die enorme Marktdominanz von Shein in Frankreich Sorgen. Laut der Petitionsseite „Stop Shein“, die im Juni 2023 ins Leben gerufen wurde, bietet das Unternehmen täglich bis zu 8.000 neue Artikel an. Bis heute haben 57.938 Menschen die Petition unterzeichnet.

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