Raf Simons & Calvin Klein – Passt das?
Wird geladen...
Calvin Klein - der Name steht heute in erster Linie für Unterwäsche, Parfüms und Jeans. Raf Simons hingegen ist einer der wichtigsten Modedesigner unserer Zeit. Für Dior kreierte er aufwendige Couture-Roben und femininen Luxus. Was passiert, wenn, wie die Branche aktuell spekuliert, diese beiden Welten kollidieren?
Es könnte ein sehr fruchtbarer Aufprall werden. Zwei Himmelsgestirne, die etwas aus der Bahn geraten sind - Simons, weil er unter die Räder der Modemaschinerie kam, Calvin Klein, weil die starke Gallionsfigur fehlte - und durch ihre Verschmelzung einen neuen Superriesen erschaffen. Denn: Das, woraus sie im Kern gemacht sind, ist mehr als kompatibel.
Raf Simons, der Rebell
Der Belgier Raf Simons studierte Möbel- und Industriedesign und absolvierte anschließend ein Designpraktikum bei Walter van Beirendonck in Antwerpen. Der entscheidende Moment für seinen Karriereweg sei die ‚White Collection’ von Martin Margiela gewesen, verriet er einst der britischen Elle. Die Kollektion und ihre Wirkung auf das Publikum hätten ihn überzeugt, dass er Mode machen müsse. Ohne eine formale Ausbildung im Modebereich machte er sich Mitte der 90er Jahre mit seinem Herren-Label Raf Simons selbständig, was in einer DIY-Ästhetik resultierte, die sowohl in seinen Kreationen als auch in seinen Inszenierungen zum Ausdruck kam.
Als Raf Simons 1997 seine erste Fashion Show zeigte, begeisterte er sein Publikum mit Abwandlungen des ‚Ivy-Looks’ – er ergänzte ‚preppy’ Schuluniformen durch eine DIY-Komponente, änderte die Schnitte ab und gab der Silhouette so ein subkulturelles Punk-Update. Auch andere musikalische Einflüsse fanden Eingang in die stets von Jugendkultur und Rebellion geprägten Kollektionen Raf Simons’: Für seine F/W 98 Kollektion ließ er sich von der Band Kraftwerk inspirieren, S/S 2000 schlug sich Gabba (Ein niederländisches Nischengenre des Hardcoretechno) in seinen Entwürfen nieder. Was alle Raf Simons-Kollektionen verbindet, ist ein rebellischer Chic, der Streetwear-Einflüsse, subkulturelle Details und High Fashion vereint. So kann es durchaus sein, dass in einer einzigen Raf Simons-Kollektion Referenzen von Zoot Suiters auf Teddy Boys, Goths auf Mods und Raver auf Hooligans treffen.
Raf Simons, der Couturier
Für die Damenkollektionen bei Dior und Jil Sander verfolgte er stets einen etwas anders gearteten Ansatz: Hier ging er von Silhouette und Form aus und arbeitete sich so zum fertigen Kleidungsstück vor. Sein Minimalimus bei Jil Sander bildet nur augenscheinlich einen Widerspruch zur Opulenz bei Dior. Bei jeglichen Applikationen , Mustern oder Farben, behielt er immer eine klare Silhouette im Auge, die letzten Endes als sein ruhender Anker im Grunge und radikaler Reduktion der 90er Jahre verhaftet ist. Kurzum: Selbst Rüschen wirken bei Raf Simons, wie mit dem Lineal gezogen.
Trotz seiner Couture-Karriere blieb er übrigens stets auch in der Jugendszene und der Streetwear verhaftet. Mit seinem Label schuf er weiterhin Herrenmode, die stets ihren rebellischen Geist behielt. Auch Sneakerheads lieben Raf Simons: Sowohl mit seinem eigenen Label, als auch für Adidas schuf er Schuhe, die Ikonenstatus erreichten.
Calvin Klein muss sich neu ausrichten
Wenn Raf Simons nun tatsächlich die Rolle des Creative Director bei Calvin Klein übernehmen sollte, ist er aber nicht nur verantwortlich für Herren- und Damenkollektionen, für Jeans, Unterwäsche und Accessoires, sondern schließlich für Werbung. Eine immense Verantwortung und eine große Aufgabe, die er nur dann bewältigen kann, wenn er sich ein gutes Team aufbauen darf. Die 18-20 Millionen, die laut Branchengerüchten sein Jahresgehalt sein sollen, werden für Calvin Klein nur dann ein lohnendes Investment sein, wenn Simons das aktuelle Geschäft des Unternehmenes zu dem anvisierten Wachstum verhelfen kann: Von aktuell acht Milliarden Dollar Umsatz auf zehn Milliarden weltweit, wie WWD zu berichten weiß.
Die Calvin Klein Collection, also das Luxussegment der Brand, macht derzeit nur etwa sechs bis acht Millionen Dollar pro Jahr aus. Besonders dieses Segment bedarf demnach einer Neuausrichtung durch einen einflussreichen Kreativen wie Simons, der auch eine eigene Gefolgschaft an Kunden und Kundinnen, sowie Celebrity-Endorsements mit sich bringt.
Calvin Klein und Raf Simons: Top oder Flop?
Das scheint jedoch im Widerspruch mit seinem Hadern mit der Modebranche und deren Schnellebigkeit und Profitorientiertheit zu stehen, die er als Grund für sein Ausscheiden bei Dior nannte. Worauf sich beide Parteien geeinigt haben, werden wir vielleicht nie, vielleicht kommende Woche erfahren. Anfang August soll der Coup gerüchteweise offiziell bekannt gegeben werden, solange ist Raf Simons vertraglich noch gebunden. Das französische Couture-Haus Dior hatte er verlassen, weil er ein ausgeglicheneres Privatleben anstrebte.
Der Zeitpunkt für hehre Ziele bei Calvin Klein ist denkbar günstig: Die Ästhetik, die der Marke einst zu Erfolg verhalf, ist in. Auch bei Calvin Klein sind es ähnliche Eckpfeiler, welche die Brand ausmachen: Street-Sophisticated Streetwear, Minimalismus, Jugendlichkeit, die Nähe zu den Subkulturen. Sowohl die 70er, in denen der Designer Calvin Klein sein Label für Frauen, die voll im Leben stehen, gründete, als auch die frühen 90er, aus denen ikonische CK Jeans-Kampagnen wie jene mit Mark Wahlberg oder Kate Moss stammen, sind stilistische gerade die Richtschnur der ‚Cool Kids’. Calvin Klein darf aus unternehmerischer Sicht diesen Moment nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wer könnte sich da besser eignen, als jemand, dessen Ästhetik so nahe dran ist, wie die von Raf Simons?
Foto: Raf Simons/Facebook & Calvin Klein/Facebook