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Black Friday für H&M & Co.: Globale Aktionswoche gegen Armutslöhne

Von Simone Preuss

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Versprechen sind schön. Wenn sie eingehalten werden. Der schwedische Modekonzern versprach am 23. November 2013, also vor fünf Jahren und nach dem Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes, in einer „Roadmap hin zu fairen Existenzlöhnen in der Textilindustrie“ bis 2018 all seinen Arbeiterinnen und Arbeitern, die in Bekleidungsfabriken weltweit arbeiten (rund 850.000 Menschen), existenzsichernde Löhne zu zahlen. Jetzt ist das Jahr 2018 fast zu Ende und dies ist nicht der Fall; die „Roadmap“ wurde inzwischen von der Website des Unternehmens genommen. Die Clean Clothes Campaign (CCC) hat die von H&M in Fabriken in Kambodscha, Indien, der Türkei und in Bulgarien gezahlten Löhne überprüft und fand unter anderem heraus, dass im EU-Land Bulgarien nur neun Prozent eines existenzsichernden Lohns gezahlt werden.

„Die Fabrik, auf die sich im genannten Report bezogen wird, wurde im Mai 2018 überprüft und die Untersuchung hat zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise für Verstöße gegen den gesetzlichen Mindestlohn gezeigt. Gleiches gilt für die Kompensation von Überstunden. Dennoch ist uns bekannt, dass Überstunden ein Problem in dieser konkreten Fabrik führt – was in der Vergangenheit zu einem entsprechenden Aktionsplan führte“, kommentierte H&M die Vorwürfe in einer Stellungnahme.

Mindestlöhne in Bulgarien, Indien, Kambodscha & Türkei weit von Existenzlöhnen entfernt

Laut CCC beträgt der Nettolohn eines H&M-Zuliefererbetriebes in Bulgarien im Schnitt 98 Euro pro Monat, nicht einmal die Hälfte des dort geltenden Mindestlohnes von 204 Euro pro Monat. Und selbst wenn dieser gezahlt würde, reicht er noch lange nicht zum Leben (s. Grafik). Denn was H&M nicht erwähnt, ist, dass zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und einem existenzsichernden Lohn generell Welten liegen - in Bulgarien genauso wie in den anderen oben genannten Herstellungsländern des Unternehmens. Deshalb das Versprechen, dass im Rückblick vielleicht etwas zu ehrgeizig von Seiten H&Ms war?

Aktivisten ist das egal; sie wollen, dass der Bekleidungskonzern sein Versprechen einhält und etwas gegen Armutslöhne tut. Deshalb sind für die Woche, die am Black Friday begann und am 30. November endet, Aktionen unter dem Motto „Turn around H&M”weltweit geplant, darunter auch in 20 deutschen Städten, etwa die Kunstaktion „Krieg die Kurve, H&M!“ auf der Prager Straße in Dresden am Samstag.

In Greifswald protestierten Mitarbeiterinnen der offenen Nähwerkstatt Kabutze e.V. vor einer H&M-Filiale und forderten Passanten zum Mitmachen bei einem kleinen Theaterstück auf. In Hannover informierten Aktivisten der regionalen CCC-Gruppe „Tragbarer Lebensstil“ direkt neben der großen H&M-Filiale am Kröpcke Weihnachtseinkäufer über die Lohndiskrepanzen in der Bekleidungsindustrie. Ähnliche Aktionen fanden und finden auch in Berlin, Bonn, Görlitz, Mannheim, Münster, Neumünster und Stuttgart statt.

Auch in Europa lassen Löhne und Arbeitsbedingungen zu wünschen übrig

Die erschreckenden Zustände erstrecken sich nicht nur auf junge EU-Mitglieder wie osteuropäische Staaten oder traditionelle Herstellungsländer wie Indien, Kambodscha und andere, sondern auch auf Länder wie Italien, Gründungsmitglied der EWG, dem Vorläufer der EU. „Meine Schicht beginnt um 4:30 Uhr und wir wissen nicht, wann wir nach Hause gehen können. Manchmal arbeiteten wir 4 Stunden, manchmal 12“, so ein Mitarbeiter von H&Ms riesigem Logistik-Hub Stradella in Italien in einem Brief an Kollegen in H&Ms Lieferkette laut CCC. Der Beschäftigte zieht es vor anonym zu bleiben, da XPO, Eigentümer des Logistikzentrums, gerade gegen 147 Mitarbeiter, die sich gegen die Zustände wehren, und ihre Gewerkschaft juristisch vorgeht.

Die Missstände sich auch in Deutschland bekannt, wo H&M-Mitarbeiter und die Gewerkschaft ver.di seit Jahren über Arbeitsdruck, grundlose Entlassungen sowie von Arbeitsverträgen mit geringer Basis-Stundenzahl und zusätzlicher „Arbeit auf Abruf“ berichten. „Das Business Modell von H&M und anderer Fast Fashion-Marken basiert auf der Ausbeutung der Beschäftigten auf verschiedenen Ebenen ihrer Lieferketten. Schneiderinnen in den Modefabriken, Logistikarbeiter und -arbeiterinnen und Verkäufer und Verkäuferinnen - alle haben das Grundrecht auf einen Lohn zum Leben“, betont Deborah Lucchetti von der italienischen Kampagne für Saubere Kleidung.

Versprechen werden zu hohlen Worten; Verantwortung wird abgewälzt

„Für die H&M Gruppe ist es wichtig, dass unsere Produkte unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt werden. All unsere Zulieferer müssen unseren Code of Conduct, das sogenannte Sustainability Commitment unterzeichnen und die nationalen Gesetze befolgen. Uns ist es weiterhin wichtig, regelmäßig nachzuverfolgen, ob unsere Anforderungen eingehalten werden“, heißt es in der Stellungnahme von H&M, die jegliche Verantwortung auf die Zulieferer abwälzt, denn, so heißt es weiter: „Stellen wir Verstöße jeglicher Art fest, werden wir sofort aktiv und sollten die Zulieferer nicht die notwendigen Verbesserungen gemäß ihres eigenen Aktionsplans umsetzen, beenden wir letztlich die Geschäftsbeziehung.“

Und genau hier liegt das Problem: Statt oft langjährige Beziehungen mit Herstellungsbetrieben zu kappen, sollten H&M und ähnliche Konzerne, die die Macht haben, etwas zu bewegen, ihre eigenen Margen überdenken (s. Grafik) und aktiv zum Erreichen von Existenzlöhnen beitragen.

Es geht um Ehrlichkeit, Transparenz und Verbesserungen. „Wir wollen zeigen, dass sich H&M zwar öffentlich als Vorreiter bei grüner Mode darstellt. Dass das aber im Vergleich zu dem, was real passiert, nicht in Relation steht“, erklärt CCCs Kommunikationskoordinatorin Vivien Tachmann und fügt hinzu: „H&M ist kein Einzelfall. Viele Unternehmen produzieren unter schlechten Bedingungen außerhalb Europas, aber auch in Europa.“ Fotos: H&M-Website mit Cyber Monday-Angebot; Fairwear Foundation via Clean Clothes Campaign; Kampagne für saubere Kleidung Website

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