Esprit-Geschäftsführer: Unser Plan ist “ambitioniert, aber auch realistisch”
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Der kriselnde Modekonzern Esprit will mit einem ehrgeizigen Plan gegen seine seit Jahren andauernden Umsatzrückgänge vorgehen. Aber wird die Marke wieder ihren Platz im Kleiderschrank der Konsumenten finden, die zu Discountern und Fast-Fashion-Anbietern abwandern?
Geschäftsführer Anders Kristiansen ist im Juni zu Esprit gestoßen und hat in den kommenden fünf Jahren viel vor. FashionUnited sprach mit ihm über den angekündigten Stellenabbau, Ladenschließungen und darüber, wie er die Marke mit politischen Botschaften schärfen will.
Der Ex-Geschäftsführer des britischen Modehändlers New Look, und einer der ehemaligen Top-Manager des dänischen Bekleidungskonzerns Bestseller in China, erklärt auch, warum er in diesen turbulenten Zeiten 220 weitere Stores im Reich der Mitte plant. Das neue Vorhaben von Kristiansen erinnert an seinen alten Plan bei New Look, das unter seiner Führung 110 Läden in China eröffnet hat.
Herr Kristiansen, Sie haben gesagt, dass Esprit weder ein Fast-Fashion-Anbieter noch ein Discounter ist. Wie dringend ist es, eine Frage auf die Antwort nach der Positionierung zu finden?
Antworten müssen dringend gefunden werden und das ist der Grund, warum wir so hart daran gearbeitet haben, in die Einzelheiten des Unternehmens vorzustoßen. Und damit ich es besser verstehe. Deshalb habe ich auch mit so vielen Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens gesprochen. Wir haben 10.000 Kunden befragt, um ein besseres Verständnis für die Marke zu bekommen. Esprit ist eine Modemarke, wir sind kein Fast-Fashion-Anbieter oder Discounter. Wir waren die erste Lifestyle-Marke der Welt und das ist es auch, was uns von vielen anderen abhebt, mit denen man uns in Deutschland vergleichen kann.
Aber wann können wir uns darauf einstellen, eine konkrete Antwort zu sehen?
Ich denke, wir haben die Antwort auf das, was wir sein wollen, aber wir haben sie noch nicht umgesetzt. Wir sind uns sehr klar darüber, was wir sein wollen. Das wurde in den fünf Monaten entschieden, in denen wir am Plan für die Zukunft gearbeitet haben. Dieser Teil ist abgeschlossen.
Ein Teil Ihrer Antwort liegt wohl in den neuen Pilotgeschäften, die im kommenden Jahr eröffnen werden. Der erste dieser Läden soll im August eröffnen und voraussichtlich in China. Was kann ein Kunde erwarten, wenn er in den neuen Store kommt?
Man sieht ein Store Design das nicht zeitgemäß ist, wenn man in einen unserer Läden geht. Es ist zu viel Mobiliar vorhanden, wir verwenden viel Holz, aber die Qualität und die Herkunft variiert stark. Es ist ein Durcheinander. Wenn man in Zukunft einen unserer Stores betritt, wird man ein klareres und minimalistisches Store Design antreffen. Ein ‘New Nordic Look’, bei dem die Inneneinrichtung wunderbare Design-Elemente hat, aber die Produkte im Vordergrund stehen. Wir haben bereits ein Designbüro engagiert, das uns unterstützt, damit wir mit den ersten Test-Stores beginnen können.
Welche Kleidungsstücke würden Sie gerne mehr in Ihren Läden sehen?
Abhängig von der Jahreszeit würde ich gerne sehen, dass wir im Frühjahr/Sommer stärker bei den T-Shirts werden und stärker bei Denim im Bereich der Hosen. Ich würde auch gerne mehr Chinos sehen. Wir waren schon immer stark bei Pullovern. Wir wollen dort besser und hochwertiger werden – mit Merinowolle und vielleicht etwas Kaschmir. Wenn wir diese wertigen Qualitäten bieten, waren wir jedes Mal schnell ausverkauft.
Sind Sie mit den derzeitigen Preislagen zufrieden?
Wenn die Frage ist: Bin ich glücklich mit den Preisen, die wir auf den Etiketten heute haben? Absolut. Bin ich zufrieden mit den Preisen, zu denen wir verkaufen, mit den Nachlässen? Nein, da bin ich nicht zufrieden. Wir müssen Waren weniger herabsetzen, die wir nicht sofort verkaufen, aber das werden wir mit der Zeit angehen.
Esprit will im Großhandel mit mehr Geschwindigkeit überzeugen und damit bei Einzelhändlern punkten. Wie wollen Sie schneller werden?
Wir haben uns bisher nicht wirklich darum gekümmert, wie schnell wir liefern können, weil der Fokus im Großhandelsbereich gefehlt hat. Wenn wir uns wirklich zusammenreißen, können wir Großhandelskunden mit dem NOS-Programm innerhalb von zwei bis drei Tag beliefern. Ich will auch sicherstellen, dass wir das NOS-Programm vergrößern und dass wir äußerst schnell liefern können. Das wird es unseren Kunden erleichtern unsere Produkte zu managen. Wir haben keine Kapseln und ich würde gerne Kapselkollektionen mit 20 bis 50 Optionen einführen. Der Großhandel ist ein Bereich, den wir sehr stark voranbringen wollen.
Sie wollen Esprit zu einer positiven Kultmarke machen und das Markenprofil mit politischem Engagement schärfen. Welche politischen Botschaften wollen Sie vermitteln?
Es geht nicht nur darum, politische Botschaften in die Welt zu setzen. Aber es sollten Themen sein, die uns am Herzen liegen. Wir glauben, daran Frauen zu empowern, etwas, das auch mir persönlich am Herzen liegt und ich weiß, dass es auch den Menschen im Unternehmen nahe geht. Wollen wir unseren Mitarbeitern ein oder zwei Tage im Jahr freigeben – und es Esprit Earth Day nennen – um Plastik einzusammeln oder um Frauen in Notunterkünften zu helfen?
Sich an politischen Debatten zu beteiligen, bedeutet auch bei Kontroversen Stellung zu beziehen. Das kann für Modemarken auch mal ins Auge gehen. Will Esprit hier mitmischen?
Wir müssen das tun. Es ist unsere Marke, unser Erbe. Als AIDS in den 1980er Jahren aufkam, gingen unsere Gründer mit dem Team an kalifornische Universitäten und Schulen und haben Kondome ausgeteilt, was damals sehr kontrovers war. Ich denke, dass es wichtig ist, eine klare Meinung zu haben. Manchmal bekommst du einen Schlag ins Gesicht, weil du zu weit gegangen bist. Damit muss man leben. Aber es geht darum authentisch zu sein, darum du selbst zu sein. Wenn du eine Werbung hast, den Brandnamen verdeckst und die Menschen erkennen die Marke nicht, dann bist du nur gesichtslos, und ich will nicht, dass wir das sind.
Das Führungsteam von Esprit wurde deutlich verkleinert. Sind Sie glücklich mit der derzeitigen Größe?
Anstatt von 13 Managern, berichten nun sechs direkt an mich. Wir haben eine neue Produktchefin eingestellt. Sie ist großartig, genau die Person, nach der ich gesucht habe. Sie hat ein gutes Verständnis für Brands. Wir suchen auch noch einen Regionalleiter für Europa und Amerika. Und wir haben sowohl gute interne als auch externe Kandidaten. Es war hier wichtig zu zeigen, dass es an der Spitze anfängt. Es geht nicht nur darum, dass wir Stellen auf den unteren Ebenen streichen müssen. Wir brauchen eine schlanke Organisationsstruktur, nicht nur aus einer Kostenperspektive, aber auch um schneller Entscheidungen zu treffen, als wir es heute tun.
Um die 40 Prozent der Stellen in der Verwaltung sollen gestrichen werden. Um wie viele Jobs und um welche Orte geht es?
Das könnte um die 800 Mitarbeiter weltweit betreffen, die nicht in den Läden beschäftigt sind, und hängt noch von den Verhandlungen mit den Tarifparteien wie den Betriebsräten ab. In Hongkong sind 200 Stellen betroffen, dort belegen wir nun ein Stockwerk anstatt von dreien in einem Bürogebäude.
Wann werden Sie mehr Details über die angekündigten Stellenstreichungen in Deutschland bekanntgeben, wo derzeit 1.200 Mitarbeiter in der Verwaltung beschäftigt sind?
Ich habe ein Team, mit dem ich mit dem Betriebsrat verhandele. Der Betriebsrat macht einen hervorragenden Job, weil er das Thema sehr ernst nimmt. Wir nehmen es auch sehr ernst, weil es um den Verlust von Stellen geht. Wenn es nach mir ginge, würde ich gerne so schnell wie möglich voranschreiten. Die Ankündigung führte zu viel Unsicherheit im Unternehmen, die nicht hilfreich ist, weil man nicht so fokussiert ist, wie man es sein könnte. Aber es ist ein gemeinschaftlicher Prozess und wir wollen das beste Ergebnis für unsere Kollegen.
Esprit hat auch Ladenschließungen als Teil des Restrukturierungsplans angekündigt. Wie viele der 510 Filialen müssen schließen?
Ich möchte, dass unsere Stores profitabel sind. Ich kann noch keine konkrete Zahl nennen, weil wir momentan mit allen derzeitigen Vermietern die Mietverträge neu verhandeln. Ganz oben auf der Agenda steht, durch Mietsenkungen so viele Läden wie möglich zu erhalten, indem sie wieder profitabel werden. Wenn die Verhandlungen scheitern, schließen wir sie.
In den kommenden fünf Jahren will Esprit auch 78 Läden in Asien und außerhalb Chinas eröffnen. Auf welche Länder schauen Sie hier?
Singapur, Malaysien, dort läuft unser Geschäft gut. Wir erwägen auch Taiwan und Thailand könnte ebenfalls ein guter Markt sein.
Sie wollen auch 220 neue Stores in China eröffnen. Aus einer europäischen Perspektive klingt das nach sehr viel in kurzer Zeit.
Das hängt davon ab, wie Sie es sehen. Einige unserer großen Wettbewerber in China können diese Anzahl innerhalb von wenigen Monaten eröffnen. Die Herausforderung liegt darin, diese Geschäfte so profitabel wie möglich zu machen. Es gibt Tausende von Shoppingzentren in China, es gibt Tausende guter Shoppingzentren. Es geht eher darum, wie wir gute Mietverträge verhandeln, wie wir das richtige Niveau an Produktivität erreichen.
Laut eines McKinsey-Reports könnte China die USA bereits im kommenden Jahr als größten Bekleidungsmarkt der Welt ablösen, aber die chinesischen Konsumenten werden anspruchsvoller und die Hürden für westliche Brands höher. Warum ist China so interessant für Sie?
China ist so riesig. Wir haben dort einen kleinen Marktanteil, es ist viel einfacher dort zu expandieren. Die Mietverträge laufen nur zwei bis drei Jahre, man bindet sich nicht für lange. Im Vergleich zu Europa benötigen die Läden weniger Kapitaleinsatz. Es ist ein Markt, den wir sehr gut verstehen, sowohl aus der Sicht der Aktionäre als auch im Aufsichtsrat und Management.
New Look, der britische Modehändler, den Sie zuvor geleitet haben, hat im Oktober beschlossen sich aus China zurückzuziehen. Warum denken Sie, dass Esprit es schaffen kann?
Als ich New Look verlassen habe, waren wir auf Filialebene sehr profitabel. Esprit war als Marke äußerst stark in China, ähnlich wie in Europa. Und ich denke, dass wir die starke Markenposition zurückgewinnen können, indem wir ein höherwertiges Produkt anbieten. Die Produkte im oberen Preissegment verkaufen sich in China am besten. Die hochwertigen Produkte mit den teuren Stoffen laufen gut. Polyester und Fast-Fashion-Produkte verkaufen sich nicht und die haben wir zu lange geführt.
Mit 239 Stores befindet sich fast die Hälfte Ihrer Stores bereits im asiatisch-pazifischen Raum, aber sie erwirtschaften nur knapp ein Zehntel des Umsatzes. Wie attraktiv ist es hier zu expandieren?
Was Sie beachten müssen, ist, dass die Läden in Asien viel kleiner als in Europa sind. Die Läden sind meist nur ein Drittel so groß. Außerdem sind die Umsätze pro Quadratmeter in Asien geringer als in Europa. Das ist der Grund, warum die Zahlen niedriger erscheinen.
Esprit sieht sich vor hohen Restrukturierungskosten infolge von Stellenabbau und Ladenschließungen, will aber knapp 300 Läden in den kommenden fünf Jahren eröffnen. Werden Sie Ihren Plan ohne externe Finanzierung durchziehen können?
Laut unserem letzten Finanzbericht verfügten wir über einen Finanzmittelbestand von 4,5 Milliarden Hongkong Dollar und keine Schulden. Wir werden außerordentliche Aufwendungen von 1,5 bis 1,7 Milliarden Hongkong Dollar haben. Dafür werden wir die vorhandenen Mittel nutzen. Und wir werden auch einen Teil in China und andere Länder Asiens investieren. Das Geld reicht für unseren Fünf-Jahres-Plan aus.
Ist das Ziel 5 bis 7 Prozent an EBIT-Marge innerhalb von fünf Jahren zu erwirtschaften angesichts der Restrukturierungskosten und den Investitionen für die neuen Läden nicht äußerst ambitioniert?
Es ist ehrgeizig in dem Sinne, dass das Unternehmen seit vielen Jahren keine Gewinne mehr erwirtschaftet hat. Aber wir sagen auch nicht, dass alles fantastisch läuft. Also ja, es ist ambitioniert, aber auch realistisch.
Fotos: Esprit