EU-Aufsicht nimmt Zalando in die Pflicht: Irreführende Nachhaltigkeitsangaben bald Vergangenheit?
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Wie vor einigen Tagen bekannt wurde, hat die europäische Schutzbehörde für Verbraucher:innen den Berliner Online-Modehändler Zalando wegen irreführender Angaben zum Thema Nachhaltigkeit zur Rechenschaft gezogen. Das Unternehmen wurde unter Koordination der Europäischen Kommission und mit Beteiligung der nationalen Schutzbehörden für Verbraucher:innen ins Visier genommen. Dies ist Teil einer umfassenderen Maßnahme gegen irreführende Informationen, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit, im Einklang mit den EU-Vorschriften für fairen Handel. Daraufhin verpflichtete sich Zalando, Verbraucher:innen klare Angaben zur Verfügung zu stellen und irreführende Nachhaltigkeitskennzeichnungen und -symbole aus seinem Onlineshop zu entfernen.
Vor diesem Hintergrund hat FashionUnited Judith Bussé, einer auf Environmental, Social & Governance (ESG)-Recht spezialisierte Anwältin und Inhaberin der Brüsseler Anwaltskanzlei Pivot Law, vier Fragen zum Thema Greenwashing sowie zu neuen Gesetzen und Vorschriften zur Nachhaltigkeit gestellt.
Zwar gibt es keine einheitliche Definition, jedoch bezieht sich der Begriff Greenwashing auf irreführende Praktiken von Unternehmen oder Organisationen, die sich als umweltfreundlicher oder nachhaltiger darstellen, als sie tatsächlich sind. Dies dient der Imageverbesserung sowie der Absatzsteigerung von Produkten und Dienstleistungen.
Der Begriff Greenwashing ist nicht neu – er wurde bereits 1986 geprägt – und taucht immer häufiger auf. Mit dem wachsenden Interesse der Verbraucher:innen an umweltfreundlicheren Produkten hat in den letzten Jahren auch die Zahl der Fälle von Greenwashing zugenommen.
Eine Umfrage der Europäischen Kommission von 2020 ergab, dass über 53 Prozent der Umweltangaben in der EU vage, irreführend oder unbegründet waren.
Greenwashing wird nicht immer absichtlich oder mit bösen Absichten betrieben. Manchmal kann es aus Enthusiasmus oder mangelndem Fachwissen entstehen.
Greenwashing ist zweifelsohne schädlich. Es beeinträchtigt Unternehmen und Verbraucher:innen und steht dem Übergang zu einer nachhaltigeren Gesellschaft und Zukunft im Wege.
Werden ungenaue und unbegründete Nachhaltigkeitsangaben bald ein Ende haben? Schließlich werden immer mehr Bekleidungsunternehmen für ihre irreführenden Angaben zur Rechenschaft gezogen.
Leider ist dieses Ende noch nicht in Sicht, aber die strengere Durchsetzung der bestehenden Vorschriften über irreführende Informationen ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Die Tatsache, dass große Unternehmen sowohl von nationalen als auch von europäischen Behörden wieder Europäischen Kommission und dem ‘Consumer Protection Network’ zur Verantwortung gezogen werden, zeigt, dass die Verbraucher:innenschutzbehörden dieses Thema zunehmend ernst nehmen.
Eine bessere Durchsetzung bedeutet auch eine immer klarere Auslegung dessen, was erlaubt ist und was nicht. Je mehr Präzedenzfälle auf dem Markt geschaffen werden, desto weniger werden vage und unbegründete Behauptungen über Nachhaltigkeit aufgestellt. Neue Vorschriften werden ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, dass Greenwashing bald ein Ende haben wird. Manche Unternehmen verfügen nicht über das Wissen oder die Ressourcen, um den gesamten Produktionsprozess zu überprüfen. Sie verlassen sich oft auf die Informationen, die sie von ihren Lieferant:innen erhalten. Außerdem entwickelt sich die Wissenschaft täglich weiter und gibt uns immer mehr Einblicke in die Auswirkungen bestimmter Produkte und Produktionsprozesse.
Wie sieht es mit zukünftigen Gesetzen und Verordnungen aus, die das Greenwashing weiter eindämmen sollen?
Derzeit sind zwei wichtige europäische Richtlinien in Vorbereitung. Bei der ersten handelt es sich um eine Richtlinie, die den europäischen Verbraucher:innen eine bessere Information und einen besseren Schutz vor unlauteren Praktiken garantieren soll, damit sie informierte Kaufentscheidungen treffen können, die einen nachhaltigen Konsum fördern. Der endgültige Text dieser Richtlinie wurde am 20. Februar nach der ersten Lesung im Europäischen Parlament vom Rat angenommen. Nach der Unterzeichnung haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Zum anderen gibt es die sogenannte ‘Green Claims’-Richtlinie zur Begründung, Validierung und Kommunikation von Nachhaltigkeitsangaben. Der Text dieses Vorschlags muss noch vom Europäischen Parlament in einer Plenarsitzung, die voraussichtlich im März stattfinden wird, endgültig angenommen werden. Der Vorschlag enthält Regeln, wie Unternehmen ihre Umweltaussagen validieren können, sowie härtere Strafen für Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Instrumente wie die Ökodesign-Verordnung , die sich ebenfalls in der Endphase befindet und noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Die Verabschiedung des Vorschlags über das Recht auf Reparatur oder Instandsetzung wird ebenfalls 2024 erwartet.
Der Text wird unter dem Bild fortgesetzt.
Wie können sich Modeunternehmen am besten auf zukünftige Gesetze und Richtlinien vorbereiten?
Die beste Vorbereitung ist jetzt, Informationen über die verwendeten Stoffe und Produktionsprozesse zu sammeln. Von Modeunternehmen wird erwartet, dass sie in Zukunft in der Lage sind, alle Angaben zur Nachhaltigkeit genau zu belegen. Dies erfordert natürlich objektive und verifizierte Informationen, und es ist nie zu früh, diese zu sammeln.
Selbstverständlich sollten Modeunternehmen bereits jetzt davon abgehalten werden, irreführende oder vage Informationen zu verbreiten oder unbegründete Behauptungen zur Nachhaltigkeit aufzustellen.
Meine Devise lautet, Marketing-, Content- und Designteams jetzt über die ‘Do's’ und ‘Don'ts’ in Sachen Nachhaltigkeit zu informieren. Mit einem klaren Rahmen und einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Vision, die von Ihrem Unternehmen unterstützt wird, kommen Sie sehr weit.
Wie und worauf sollten Konsument:innen jetzt achten? Kann man den grünen Behauptungen der großen Handelsketten und Internetgiganten trauen?
Auch die Verbraucher:innen können ihren Beitrag zum ökologischen Wandel leisten.
Wenn Verbraucher:innen auf eine Behauptung zur Nachhaltigkeit stoßen, sollte man sich die Zeit nehmen, diese genauer zu recherchieren. Verlassen Sie sich nicht allein auf Behauptungen auf Verpackungen oder in der Werbung, vor allem nicht, wenn diese besonders vage sind, wie etwa ‘umweltfreundlich’ oder ‘umweltbewusst’ ohne weitere Angaben. Suchen Sie nach unabhängigen Quellen, konkreten Beweisen oder Zahlen hinter der Behauptung oder nach Labels, die die Nachhaltigkeit eines Produkts zertifizieren.
Wenn Sie nicht auf Anhieb weitere Quellen finden, fragen Sie das Unternehmen nach Belegen für die Nachhaltigkeitsangaben. Grundsätzlich sollten Firmen transparent darlegen können, wie sie ihre Angaben verifiziert haben und welche Kriterien sie angewendet haben.
Vergleichen Sie die Beiträge verschiedener Marken und Produkte. Auch dies kann zusätzliche Informationen liefern. Achten Sie auf die Herkunft der Materialien, die angewandten Produktionsverfahren, die Qualität und die Lebensdauer des Produkts, um den Nachhaltigkeitsanspruch einschätzen zu können. Bevorzugen Sie Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsbemühungen transparent darstellen.
Sollten Sie mit irreführenden Informationen konfrontiert werden, können Sie sich jederzeit an die nationale Verbraucher:innenschutzbehörde wenden, um solche Greenwashing-Praktiken zu melden.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Heide Halama.