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Europäische Textilindustrie: Mangel an qualifizierten Mitarbeitern ist “größte Sorge”

Von Weixin Zha

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Eine wachsende Qualifikationslücke ist das größte Problem für die europäische Textilbranche, warnt der Verband Euratex. Die Branche kämpft darum neue Talente zu gewinnen, während eine steigende Anzahl an Fachkräften in den Ruhestand geht. Der Mangel wird weiter durch die Notwendigkeit verschärft, mit der Digitalisierung Schritt zu halten und dafür Mitarbeiter fortzubilden.

"Der Bedarf an neuen Qualifikationen bei der Transformation einer Branche, die mit einer erheblichen Welle von Pensionierungen konfrontiert ist, macht den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zur größten Sorge von Unternehmen", sagte Alberto Paccanelli, der designierte Präsident von Euratex, auf der Vollversammlung des europäischen Textilverbandes am Donnerstag in Brüssel. "Verschärft wird diese Situation durch ein Berufsbildungssystem, das einen hohen Modernisierungs- und Investitionsbedarf in veraltete Programme, neue Einrichtungen und Lehr- und Lernmethoden hat."

Die europäische Textilbranche hat sich nach dem wirtschaftlichen Abschwung im Zuge der Finanzkrise stabilisiert und ihren Umsatz in den letzten fünf Jahren um 10 Prozent auf 178 Milliarden Euro gesteigert. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Arbeitskräfte jedoch um 35 Prozent zurück, und es wird für Unternehmen schwieriger, Fachkräfte vor Ort zu finden. Die von Werksschließungen und Stellenabbau geprägten Jahre haben die Attraktivität der Branche bei jungen Arbeitssuchenden geschmälert, während das Alter der derzeitigen Arbeitskräfte weiter steigt. Der Anteil der Mitarbeiter ab 50 Jahren erreichte 2018 36 Prozent und damit den höchsten Stand seit mindestens 2010.

"Auf der einen Seite müssen wir gegenüber den Jüngeren ‘sexy’ erscheinen, auf der anderen Seite müssen wir umschulen und das Beste aus den bestehenden Mitarbeitern machen, die in unseren Unternehmen arbeiten", sagte Paccanelli.

Die Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie der Europäischen Union wird bis 2030 schätzungsweise 600.000 neue Arbeitnehmer einstellen, und der tatsächliche Bedarf könnte sogar höher ausfallen, sagte er. Neben der Einstellung neuer Mitarbeiter mit den gleichen Fähigkeiten wie bei den Ausscheidenden suchen Unternehmen auch Talente in den Bereichen Design, Produktentwicklung, Produktion technischer Textilien, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Die Unternehmen müssen auch ihre derzeitigen Mitarbeiter umschulen, weil es schwierig sein wird, innerhalb kurzer Zeit so viele neue Mitarbeiter einzustellen.

EU-Budget soll sich auf Qualifikationen fokussieren

Wie andere Branchen steht auch die Textilbranche vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter mit den Fähigkeiten auszustatten, die sie mit dem Tempo der Digitalisierung Schritt halten lassen. Mehr als die Hälfte der in der Europäischen Union lebenden Arbeitskräfte muss bis 2022 umgeschult werden, zeigte eine Studie von Eurofound, der Agentur der Europäischen Union zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Bild: Lutz Walter (Director Innovation & Skills Euratex), Klaus Huneke (Euratex-Präsident), Alberto Paccanelli (designierter Euratex-Präsident), Manuela Geleng (Director for skills, EC) | FashionUnited

Darüber hinaus unterstreicht die steigende Zahl der Stellenwechsel - laut einer Studie der Europäischen Kommission durchläuft der durchschnittliche Arbeitnehmer 15 bis 20 Stellen während seines Lebens - auch die Notwendigkeit, den Schwerpunkt in den Bildungsausgaben zu verlagern. Die europäischen Mitgliedsstaaten geben im Durchschnitt 4,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus, aber nur 0,1 Prozent für Weiterbildung, sagte Manuela Geleng, Direktorin für Qualifikationen bei der Europäischen Kommission, auf der Konferenz.

Der EU-Haushalt für 2021-27 wird sich sehr stark auf den Bereich der Qualifikationen konzentrieren, sagte Geleng. "Unser Ziel wird es sein, den Etat so einzusetzen, dass er dort am meisten beiträgt, wo er wirklich etwas bewirken kann, Veränderungen herbeizuführen", sagte sie und betonte die Notwendigkeit, die Mittel in Zukunft von der Erstausbildung auf die Weiterbildung zu verlagern.

Die im digitalen Zeitalter erforderlichen Fähigkeiten werden weniger im Erwerb von Wissen als vielmehr in der Anwendung von Wissen liegen, sagte Geleng. Die Fähigkeit zu kommunizieren, kreativ, disruptiv und analytisch zu denken, wird immer wichtiger werden.

Die Textilindustrie hat begonnen, die sich abzeichnende Qualifikationslücke mit Marketing- und Trainingsinitiativen zu bekämpfen, wie Präsentationen verschiedener nationaler Mitgliedsorganisationen von Euratex am Donnerstag zeigten. Der italienische Branchenverband Sistema Moda Italia arbeitet an Plänen, das Image der Branche bei jungen Menschen zu verbessern. Die Ausbildung soll durch neue Programme, Lehrerschulungen und praktische Trainings verbessert werden. Modatex, die portugiesische Interessenvertretung der Industrie, hat mit der Umgestaltung der Ausbildung in Innovationsbereichen im Rahmen von Partnerschaften begonnen. In Zusammenarbeit mit der Online-Luxusplattform Farfetch entwickelte der Verband beispielsweise einen E-Commerce-Mode-Styling-Kurs.

Der Verband der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie gründete sogar eine neue Schule, die Textilakademie NRW, mit einer eigenen Anfangsinvestition von 20 Millionen Euro, um die Lücke an hochwertigen Ausbildung zu schließen. Auf nationaler Ebene hat der deutsche Verband Textil + Mode die Initiative "Go Textile!" gestartet, die auf ihrer Website und in den sozialen Medien für Arbeitsplätze und Berufsausbildung bei lokalen Textilunternehmen wirbt. Die Kampagne hebt auch den digitalen Aspekt hervor, um die Attraktivität für die Arbeit im Textilsektor zu erhöhen, sagte Ralph Kamphoener, der das Brüsseler Büro von Textil + Mode leitet. "Es gibt so viele junge Leute, die nicht die geringste Ahnung haben, dass ihre Zukunft in der Textilindustrie liegen könnte."

Bild: Alvanon

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