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Frauen in der Chefetage: Anne-Laure Descours, Chief Sourcing Officer, Puma SE

Von Barbara Russ

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Business |INTERVIEW

Anne-Laure Descours ist Chief Sourcing Officer und Vorstandsmitglied bei Puma. FashionUnited sprach mit ihr per Videoanruf in ihrem Büro in Hongkong über den Führungsstil von Frauen gegenüber den von Männern, die Herausforderungen, denen sich die Supply Chain in Zeiten von Covid-19 gegenübergestellt sieht, und die Botschaft, die sie für junge Absolventen hat.

Bitte beschreiben Sie Ihre Karriere mit Ihren eigenen Worten.

Ich war schon immer neugierig und in gewisser Weise auch ein bisschen unbedarft. Vor 25 Jahren zog ich nach Hongkong, nachdem ich als Einkäuferin für ein Unternehmen der Otto Group in Frankreich gearbeitet hatte. Ich verliebte mich in die Stadt und beschloss, dass ich in Hongkong arbeiten wollte. Ich dachte: Ok, ich bleibe ein paar Jahre hier, sammle Erfahrungen und gehe dann zurück nach Europa. Das war 1994, und ich bin immer noch hier.

Was meine Karriere betrifft, so bin ich aus zwei Gründen in Hongkong geblieben: Als berufstätige Mutter hat hier man so viel Unterstützung, dass es möglich wird, seine Karriere zu entwickeln, und zweitens wird man in Hongkong, und in China, nicht als Frau, sondern als Mensch gesehen. Wenn Sie sich hier umsehen, sehen Sie einen sehr hohen Prozentsatz von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft. Als Frau haben Sie hier Raum, sich zu entwickeln.

Ich habe einige Male die Rollen und Unternehmen gewechselt, und zwar immer, weil ich mich weiterentwickeln wollte, nicht wegen eines großen Karriere-Masterplans. Ich nahm die Chancen wahr, die sich mir boten, und ich denke, diese Einstellung hat mir sehr geholfen. Wenn es möglich ist, warum es dann nicht versuchen? Im Leben muss man Dinge versuchen. Man lernt so viel aus Fehlern.

Wie gehen Sie mit Fehlern um?

Wie alle Menschen, habe ich in meinem Leben viele Misserfolge gehabt. Man versucht es, und wenn es funktioniert, dann gut, wenn nicht, dann macht man eben weiter. Sehr pragmatisch, eben gesunder Menschenverstand. Nicht zu viel nachdenken, einfach versuchen!

Man muss einen Traum haben und sich erlauben, es zu versuchen und möglicherweise auch zu scheitern. Wenn man scheitert, lernt man. Und man wird stärker, mit jedem Misserfolg. Als Frauen sind wir manchmal zu zurückhaltend und zu ängstlich, und es fehlt uns an Vertrauen in unsere Fähigkeiten – mich selbst eingeschlossen.

Ich denke, für Frauen macht dieser Mangel an Selbstvertrauen vieles schwieriger. Wir sind mit Träumen von einem Märchen oder davon, Superwoman zu sein, aufgewachsen. Es gibt aber keine Überfrauen, nur Frauen. Das Erfolgsgeheimnis bestand für mich darin, eine Gruppe von Freundinnen zu finden, die sich gegenseitig unterstützen und helfen. Meine Gruppe von Freundinnen und ich - übrigens eine sehr diverse Gruppe, Französinnen, Britinnen, Chinesinnen, Australierinnen, ledig, verheiratet, mit Kindern und ohne Kinder - wir haben ausgemacht, uns jeden Freitag von 18 bis 21 Uhr zu treffen - und die einzige Regel lautete: „Wir reden nie über die Kinder", wir reden nur über uns selbst und darüber, was uns in dieser Woche passiert ist. Und wir merkten bald: Es ist ok, wenn es mir nicht ok geht. In der einen Woche hatte man eine gute Woche und man fühlt sich gut, dann kann man den anderen helfen. Und in einer anderen Woche helfen dir die anderen, das durchzustehen, was du gerade durchmachst.

Als Frauen sind unsere Freundinnen, die uns durch harte Zeiten bringen, unser größter Vorteil. Sie helfen mit den Kindern, sie helfen bei den Selbstzweifeln. Männer neigen dazu, weniger offen über ihre Misserfolge, ihre Schwächen und ihre Ängste zu sprechen. Frauen fällt das leichter, und die Tatsache, dass ich meine Freundinnen um mich habe, hat dazu beigetragen, mich stärker und erfolgreicher zu machen.

Wenn man Frankreich, Deutschland und Hongkong vergleicht, was muss sich Ihrer Meinung nach strukturell ändern, um Frauen im Business voranzubringen?

Ich bin in Frankreich aufgewachsen, und im Vergleich zu Deutschland war es dort in den sechziger und siebziger Jahren sehr verbreitet, Frauen zur Arbeit zu ermutigen. Meine Eltern ermutigten mich also, eine Karriere zu wählen. Die Unterstützung im französischen System trug dazu bei, Frauen von der Schuld zu befreien, das Haus zu verlassen und nach der Geburt von Kindern wieder zu arbeiten.

Teil der Herausforderung in Deutschland ist, dass das Umfeld für berufstätige Mütter weniger gut ausgelegt ist. Keine meiner französischen Freundinnen hat aufgehört zu arbeiten, um Kinder zu bekommen. Keine von ihnen zog in Betracht, nach dem Studium zu Hause zu bleiben.

Gleichzeitig kann man nicht davon träumen, alles zu haben.

Je mehr Verantwortung man übernimmt, desto mehr Menschen sind von einem abhängig und desto mehr verlässt sich ein Unternehmen auf einen, also muss man präsent sein. Eine berufstätige Mutter zu sein, ist eine Herausforderung. Man versucht, Familie und Karriere bestmöglich unter einen Hut zu bringen, aber manchmal wird man sich einfach schuldig fühlen.

Die Männer meiner Generation hatten nicht die gleichen Schuldgefühle. Ich habe viele Geburtstage und Weihnachtsfeiern in der Schule verpasst, als meine Kinder aufwuchsen. Ich habe versucht, dabei zu sein, aber wenn es nicht ging, dann war ich eben nicht dabei. Aber wenn ich meine Kinder heute als Erwachsene frage, sagen sie: „Ja, du bist viel gereist und hast viel gearbeitet, aber am Ende hatten wir eine großartige Kindheit und eine wunderbare Mutter.“

Wie hat das Jahr 2020 Ihre tägliche Arbeit im Supply Chain Management beeinflusst?

Lieferkette und Beschaffung sind ein komplexer Teil der Organisation und deshalb sind die Teams ohnehin daran gewöhnt, mit Problemen umzugehen und sich anzupassen. Ich sehe mich selbst als eine Art Problemmanager. In diesem Job gibt es immer etwas, das nicht nach Plan läuft. Ja, Covid-19 ist eine extreme Krise, aber in diesem Teil der Organisation sind wir es gewohnt, mit Problemen, mit Unsicherheit und Veränderungen umzugehen. Die Mitarbeiter in der Beschaffung sind sehr agil und flexibel in der Art und Weise, wie sie das Tagesgeschäft managen.

Was Covid-19 aufgezeigt - nicht verändert - hat, ist die Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Die Nähe zu unseren Lieferanten hat es uns ermöglicht, diese Krise gemeinsam als Team zu überstehen. Und zwar nicht nur mit den Lieferanten, sondern auch mit unseren Partnern auf der Einzelhandelsseite. Wenn ich eine positive Seite dieser Krise finden müsste, dann wäre es diese: Alle unterstützen sich gegenseitig. Denn wenn einer von uns den Sturm nicht übersteht, sind alle in Gefahr. Ich hoffe, dass diese Zusammenarbeit und Unterstützung füreinander die Krise überdauern wird.

Würden Sie sagen, dass das eine weibliche Perspektive auf Führung ist?

Ja, vielleicht ist das die Mutter in mir, die da spricht. Frauen haben ein anderes Maß an Einfühlungsvermögen. Sie betrachten die Menschen, das Team, und versuchen, alle zusammenzubringen und stärker zu machen. Viele Länder, die während der Pandemie gut abgeschnitten haben, sind diejenigen, die von Frauen geführt wurden: Sich mit anderen auszutauschen, andere Meinungen einzuholen, eine gemeinsame Diskussion zu führen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Es mag naiv klingen. Aber wenn Sie ein Kind zur Welt gebracht haben, wissen Sie, dass das Leben kostbar ist. Letzten Endes geht es um Menschen. Unsere Lieferanten sind Menschen, unser Team sind Menschen, und unsere Kunden sind auch Menschen, und wir kümmern uns um sie. Sie stehen im Mittelpunkt all dessen, was wir jeden Tag tun.

Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich oder einem frischgebackenen Absolventen heute geben?

Deine Werte sind nicht verhandelbar, gehe dabei keine Kompromisse ein. Wenn man älter wird, desto stärker merkt man: Die einzige Person, die du nicht belügen kannst, bist du selbst. Halte dich an deine Werte, bleib dir selbst treu, sei ehrlich und kümmere dich um andere. Das ist für mich das Rezept für Glück.

Für die Absolventen dieses Jahres wird es nicht einfach sein. Mein Rat wäre: Auch wenn dein erster Job nicht dein Traumjob ist, nutze die Chance, etwas zu lernen. Halte dich an das Positive. Lass dich nicht von der Negativität auffressen. Es ist kein 100-Meter-Lauf, es ist ein Marathon. Gehe auf Menschen zu, sei offen, es gibt immer etwas Gutes im Leben. Nichts ist je sicher. Erwarte nicht, dass das Leben vorformuliert und vordefiniert ist. Ich denke, Covid-19 gibt uns die Chance, uns neu auszurichten, uns zu konzentrieren und dankbar zu sein für das, was wir haben und was wir tun können.

Bild: Anne-Laure Descours, Puma

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