Highsnobiety bereit zum Abflug: Die Ambitionen des Berliner Streetwear-Trendsetters
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Highsnobiety ist mehr als ein Print- und Onlinemagazin. Innovative Retail-Konzepte, branchenübergreifende Kollaborationen und eigene Kollektionen sorgen für internationale Aufmerksamkeit beim Berliner Streetwear-Experten. Neben dem Headquarter in Berlin hat die Plattform auch Standorte in New York, London, Amsterdam und vier weiteren Städten.
Die jüngste Errungenschaft ist ein Pop-up-Store im Zürcher Flughafen, der am Montag eröffnet wurde. Die Verkaufsfläche reiht sich zwischen Stores von Luxusmarken wie Bottega Veneta und Gucci sowie dem Einzelhändler Jelmoli ein. Der Pop-up bietet ein Sortiment aus Kleidung, Accessoires und anderen Produkten wie Sammlerstücken, Magazinen und weiteren Lifestyle-Objekten. Zu den angebotenen Marken gehören Modehäuser wie Jil Sander und Balenciaga, lokale Marken wie On Running und Burgunder sowie die eigenen Produkte von Highsnobiety.
Zum Opening des „Gatezero” sprach FashionUnited mit Highsnobiety-Gründer David Fischer und Max Berger, Chief Commercial Officer bei Highsnobiety. Im Interview verraten sie, welche Pläne die Plattform als Händler verfolgt, welche Rolle Collectibles und andere Produkte spielen und welche Kollaborationen sie im Gepäck haben.
Warum haben Sie sich bei Gatezero für Zürich entschieden?
Berger: Zürich beziehungsweise die Schweiz ist so ein bisschen the Old Luxury Mekka und steht für Uhren und grundsätzlich viel Luxus.
Es hat extrem gut gepasst mit einem “New Luxury”-Konzept an das Mekka des Old Luxurys zu gehen. Außerdem ist der Zürcher Flughafen ein schöner Standort. Uns ist wichtig, dass wir uns mit der Fläche, die wir bespielen, und den Marken, die in der Umgebung sind, wohlfühlen. Das ist hier definitiv der Fall.
Sind aktuell weitere Pop-ups geplant?
Max Berger: Wir hatten eine sehr ambitionierte Roadmap vor Corona. Wir haben im Januar 2019 den Selfridges Cornerstone übernommen. Zu dieser Zeit war auch schon dieses Konzept [Anm. der Redaktion: Gatezero] geplant. Die Idee war eigentlich zu Nordstrom, Isetan und in die Galeries Lafayette zu gehen – also Highsnobiety Pop-ups in Department Stores auszurollen. Und dann kam die Krise.
Wir haben uns dann voll auf Gatezero fokussiert. Der Added Value, den wir als Publisher und Storyteller bringen in der Kombination mit einem Retail Space, der nicht wirklich innovativ ist – wie es im Travel Retail der Fall ist - ist jetzt die beste Kombination. Das zeigt sich auch darin, dass wir Marken wie Comme des Garçons oder Loewe, die gerade eher Türen schließen, als dass sie neue aufmachen, für so ein Konzept begeistern konnten.
Online und bei Gatezero bieten Sie auch Produkte abseits der Mode an. Wie wichtig sind Collectibles wie Bausätze, Dekoration und andere Objekte von Brands für Modehändler?
David Fischer: Bei dem Thema kommen mehrere Faktoren zusammen. Im Endeffekt haben wir alle schon eine Millionen T-Shirts, Hemden und Turnschuhe gesehen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, neue Sachen und spannende Themen für die Highsnobiety-Community zu finden. Dazu gehören auch Collectibles, weil es einfacher ist, mit solchen Sachen zu überraschen, als mit dem nächsten Pulli. Diese Kategorie um Collectibles, Gadgets und Accessoires funktioniert bei uns unfassbar gut und erlaubt uns auch, sich von anderen Retailern zu distanzieren.
Wie sieht es mit NFTs aus?
Fischer: Es ist ein wichtiges Thema, das gerade in aller Munde ist. Zu uns passt es aber besonders gut, weil die Mechaniken in dieser NFT-Welt zu denen der Streetwear- und Modewelt passen. Limitierte NFTs, NFTs auf Zeit, die ganze Idee der Collectibility und der perceived Scarcity, die mit NFTs einhergeht, sind alles Themen, die wir bei Highsnobiety seit 16 Jahren in unserer Welt beobachten, beschreiben und dokumentieren. Dementsprechend kennt auch die Audience und Community das Thema sehr gut, weswegen das Thema relativ natürlich bei uns in der Community ankommen wird.
Zu unserer “Not in Paris”-Initiative im Juni haben wir mal einen Test zum Thema NFT gemacht. Da haben wir zusammen mit RTFK NFTs entworfen und für 80.000 US-Dollar verkauft. Es ist der Wahnsinn, was da möglich ist. Es ist auch eine Diversifizierung von Online-Power, die über Krypto und ähnliches einhergeht.
Was ist der nächste Schritt in diesem Bereich?
Fischer: Was wir jetzt gerade viel in diesem NFT-Bereich sehen, ist letztendlich wie eine Art NFT-Kunst – digitale Objekte, bei den es nur um den Besitz geht und die eventuell für mehr Geld weiterverkauft werden können. Das Thema wird sich noch ganz stark weiterentwickeln und dann wird es auch viele digitale Produkte geben, mit denen wir unsere Avatars anziehen und uns digital in 3D-Welten ausdrücken können. Kunst, Kultur, Mode und Turnschuhe sind alles Themen, die in diese neue Welt übersetzt werden.
Wir befinden uns mitten in der kalten Jahreszeit. Welche Tendenzen sehen Sie im Outerwear-Bereich?
Fischer: Ich habe bei Outerwear immer das Gefühl, dass alle das Gleiche kaufen und das Thema durch gewisse Zyklen geht: Alle rennen in Woolrich rum, alle rennen in Canada Goose rum, alle rennen in The North Face rum, alle rennen in Moncler rum. All diese Marken – darunter auch Stone Island – haben jetzt ihren Zyklus gehabt. Manche schaffen es allerdings längerfristig relevant zu bleiben.
Canada Goose, The North Face und Moncler sind in keinster Weise Eintagsfliegen. Allerdings müssen sie stark arbeiten, um ihre Relevanz beizubehalten. Gerade auch weil Jacken grundsätzlich teuer sind. Die meisten kaufen eine Jacke im Winter und nicht fünf. Dementsprechend ist es wichtig top of Mind beim Konsumenten zu sein. Themen wie Genius von Moncler laden Marken stark auf, machen sie inspirierend für eine junge Käuferschaft und verlängern den Lifecycle bei der Audience.
Was verkauft sich gerade gut bei Ihnen im Onlineshop?
Fischer: Der Onlinestore besteht aus drei Buckets. Es gibt einmal einen hoch kuratierten Third-Party-Bucket, wo wir externe Marken im Wholesale einkaufen und verkaufen. In dem Bereich haben wir hochwertige Luxusmarken wie Jil Sander oder Margiela, Footwear und on top Accessories, Gadgets und Collectibles. Das verkauft sich alles gut. Solange die Marke eine gewissen Stellung bei der Audience hat, ist der Preis fast egal. Wir verkaufen von 80 Euro Carhartt-Hosen bis zu 1300 Euro Acronym-Hosen alles gut.
Der zweite Bucket ist unsere Eigenmarke, die sich auch sehr gut verkauft. Dabei machen wir viel im Bereich Basics, die teilweise mit Grafiken aufgearbeitet sind. Ein starker Durchläufer bei uns.
Der dritte Bucket sind die Kollaborationen. Die Highsnobiety x Nike Running-Kollektion, die Braun-Kollektion und die Super-Sonnenbrille. Das verkauft sich am besten und schnellsten, weil es Themen sind, die von uns auf Content-Seite extrem stark aufgeladen werden, stark limitiert sind und meistens auch nur bei uns käuflich sind. Eine Ausnahme davon war die Dickies-Kollaboration, die es auch bei Union LA, Selfridges und Goodhood London gab.
Sind die E-Commerce-Verkäufe ein Kompass für Gatezero oder verfolgen Sie hier eine ganz eigene Strategie?
Berger: Die Idee des Resortments ist, eine gewisse lokale Adaption mit rein zu nehem. Wir haben ganz gezielt Marken wie On Running, Burgunder, Victorinox ausgewählt, um die Location im Sortiment widerzuspiegeln.
Neben den Locals trifft dann Streetwear auf High Fashion?
Berger: Die Idee ist, diesen New Luxury approache zu wählen und mit unserer eigenen Highsnobiety-Note zu versehen – eine Kombination aus High and Low, aus Streetwear und Luxury – um nicht nur auf diese Hype-Themen zu gehen.
Man darf nicht vergessen, dass wir als Highsnobiety uns nicht nur als Streetwear-Blog oder Sneakerblog sehen. Wir wollen mit diesem Konzept den Culture Pionier, den Tastemaker ansprechen, der vielleicht kein Fan von Highsnobiety ist, aber von dem Sortiment angesprochen wird.
On ist auch einer Ihrer aktuellen Kollaborationspartner…
Berger: Genau, durch die Lieferengpässe ist leider die Kollaboration mit On nicht rechtzeitig zum Opening [von Gatezero] angekommen, aber die wird hoffentlich bald kommen.
Fischer: Die Kapselkollektion besteht aus einem On-Highsnobiety-Turnschuh und mehreren anderen Produkten, die wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres erscheinen werden.
Soll der Bereich von eigenen Kollektionen noch stärker ausgebaut werden?
Fischer: Die Kollektion und Kollaborationen werden weiter ausgebaut. Unser Ziel ist allerdings nicht wie im Fall 032c eine komplette Ready-to-Wear-Kollektion zu erstellen. Kollaborationen erlauben uns mehr Geschichten zu erzählen und über Content die verschiedensten Produkte zu aktivieren.
Wie gehen Sie an Kollaborationen ran?
Fischer: Ein gutes Beispiel dafür ist Braun. Dafür gehen wir dann ins Archiv und kuratieren Vintage-Produkte und neue Produkte von Braun. Machen eine Kollaboration mit den neuen Produkten und eine passende Kapselkollektion dazu. Jedes Detail dieser Kapselkollektion – von den Farben der Labels bis hin zu den Prints – ist inspiriert von den Braun-Desigcodes der letzten 100 Jahre. Das zu übersetzen und die Geschichte dieser Marke einer neuen jungen Audience zu erzählen, sind die Themen, bei denen wir als Team aufgehen.
Insgesamt scheint Highsnobiety mittlerweile deutlich mehr als ein Magazin zu sein. Ist dies dennoch das Kerngeschäft des Unternehmens?
Berger: Wir sind im Herzen ein Publisher und werden das auch immer bleiben. Natürlich haben wir aber auch in den letzten Jahren verschiedene Modelle rund um diese Audience Culture Pionier gebaut und die sind auch immer im Zentrum. Wir probieren aber auch über verschiedene [andere] Touchpoints mit dieser Audience in Kontakt zu treten. Gatezero ist ein Konzept davon. Das kann aber auch ein Festival, unser E-Commerce-Store und verschiedene [andere] Aktivitäten sein.
Ist das die Strategie die hinter Events wie Berlin Berlin oder Not in Paris steckt?
Berger: Genau! Als Publisher kannst du skalieren, indem du mehr Reichweite generierst. Aber dadurch verlierst du im Endeffekt deine Spitzenpositionierung. Wir haben uns dafür entschieden, diesen Culture Pionier ansprechen zu wollen und gar nicht so sehr zu sehr in unserem Publishing-Produkt zu skalieren.
Womit generieren Sie aber die meisten Umsätze?
Fischer: Die Marke Highsnobiety gibt es seit 16 Jahren und den E-Commerce-Bereich seit zweieinhalb, der dadurch noch super frisch ist. Dementsprechend kommt der Hauptumsatz unserer Firma immer noch aus unserem Kerngeschäft, was eine Kombination aus Publishing, Media und Publishing-Marketing ist. Über die nächsten Jahren soll die Gewichtung aber auf diese beiden Geschäftsbereiche [Publisher und Händler] aufgeteilt werden.
Kürzlich haben Sie auch ein neues Büro in Amsterdam eröffnet. Wieso haben Sie sich für diesen Standort entschieden und welche Rolle spielt er in der internationalen Modebranche?
Berger: Mit dem B2B-Bereich von Highsnobiety helfen wir Marken durch verschiedenste Services. Dazu zählt Cultural Consulting: „How to show up in culture.”
Wir probieren immer lokaler zu agieren, weil wir meistens mit den Global Headquarters zusammenarbeiten. Die verlangen aber auch von uns, dass wir lokal in der Kultur und Szene verankert sind. Das war auch einer der Gründe, warum wir ein Büro in Amsterdam eröffnet haben. Da sitzen sehr relevante Marken aus unserem kulturellen Kontext und es gibt eine interessante Creative Culture.
FashionUnited wurde von Highsnobiety eingeladen, das Opening-Event in Zürich zu besuchen.