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Made in Myanmar: Was können Marken und Einzelhändler tun?

Von Simone Preuss

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Nach dem Militärputsch am 1. Februar in Myanmar gilt der Notstand für das südostasiatische Land, dass für die Textil- und Bekleidungsindustrie als Beschaffungsstandort interessant ist. Zehntausende von Menschen gehen täglich auf die Straße und verlangen die Freilassung und Wiedereinsetzung von Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Ihre Forderungen werden von der Militärjunta mit Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition beantwortet. Dabei wurden nach Einschätzungen der UN bis jetzt über 138 Zivilisten getötet und über 2100 Menschen verhaftet.

Für die Textil- und Bekleidungsindustrie scheint guter Rat teuer, denn ohne vor Ort zu sein, lässt sich schwer abschätzen, wie ernst die Lage im gesamten Land ist und wie sie sich auf die Produktion vor Ort auswirken wird. Große Auftraggeber wie H&M und Benetton gaben bereits bekannt, sich vorerst aus dem Land zurückziehen und keine neuen Aufträge vergeben zu wollen.

Zeichen setzen durch Rückzug?

„Im Laufe der Jahre hat die Benetton Group grundlegende Werte wie Inklusivität, Integration und Gewaltlosigkeit aufrechterhalten. Als Unternehmen können wir nicht umhin, unseren Beitrag zur Einhaltung dieser Werte zu leisten, und wir beabsichtigen, unseren Teil dazu beizutragen. Wir werden Aufträge an das Land aussetzen, um ein starkes und konkretes Signal zu setzen“, kommentierte Massimo Renon, CEO der Benetton Group, in einer Pressemitteilung.

„Wir hoffen, dass die Situation so schnell wie möglich zu einer Lage zurückkehrt, die die Grundrechte der Menschen garantiert, und dass unsere Gruppe ihre Aktion zur Unterstützung der lokalen Bevölkerung, die auch die Förderung von Arbeit und Würde beinhaltet, wieder aufnehmen kann“, fügte Renon hinzu.

Auch der Bekleidungskonzern H&M, der bereits seit 2013 in Myanmar fertigen lässt und seit 2015 ein eigenes Büro in Yangon hat, zog Konsequenzen: „Obwohl wir keine unmittelbaren Maßnahmen in Bezug auf unsere langfristige Präsenz in dem Land ergreifen wollen, haben wir zum jetzigen Zeitpunkt die Vergabe neuer Aufträge an unsere Lieferanten pausiert“, sagte Serkan Tanka, Country Manager Myanmar, letzte Woche gegenüber Reuters in einer E-Mail.

„Dies ist auf praktische Schwierigkeiten und eine unvorhersehbare Situation zurückzuführen, die unsere Möglichkeiten, im Land zu operieren, einschränken, einschließlich Herausforderungen im Zusammenhang mit der Produktion und der Infrastruktur, dem Import von Rohstoffen und dem Transport von Fertigwaren“, erklärte Tanka weiter.

Dem Land jetzt in dieser schweren Zeit den Rücken zu kehren - temporär oder längerfristig - ist jedoch keine Lösung, denn dies trifft die am meisten, die sowieso schon am stärksten betroffen sind - die Zivilbevölkerung, zu der auch Bekleidungsarbeiter und Zulieferer gehören.

Wenn Auftraggeber wie Benetton ein „starkes und konkretes Signal“ setzen wollen, dann ist der Rückzug oder die Aussetzung von Aufträgen nicht der richtige Weg, denn dieser trifft die Wirtschaft und nicht die Politik. Was können sie stattdessen tun?

Stellung beziehen, Sorgfaltspflicht einhalten

Organisationen wie die Clean Clothes Campaign (CCC) rufen alle Lieferanten, Marken und Einzelhändler, die in Myanmar aktiv sind, auf, den Militärputsch öffentlich zu verurteilen, die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fordern und die Proteste des Volkes und die Bewegung für zivilen Ungehorsam zu unterstützen.

Was den Geschäftsbetrieb angeht, so sollten sie sicherstellen, dass ihre Aktivitäten nicht zu Menschenrechtsverletzungen beitragen oder diese verschlimmern und nicht direkt mit dem Militär in Verbindung stehen.

„Marken und Einzelhändler, die in Myanmar einkaufen, müssen eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht bei ihren Lieferanten und in ihrer gesamten Lieferkette durchsetzen, um sicherzustellen, dass diese Prinzipien eingehalten werden. Bekleidungsunternehmen müssen weiterhin Menschenrechtsverletzungen und Risiken im Bekleidungssektor in Myanmar identifizieren, dokumentieren, angehen und beheben“, rät CCC.

Zudem können sie die Arbeitsrechtsbewegung, einschließlich der Gewerkschaftsverbände, Gewerkschaften auf Fabrikebene, Arbeitsrechtsorganisationen und Arbeiter bei der Verteidigung der Demokratie in Myanmar unterstützen. „Marken und Einzelhändler müssen die Ankündigung des Militärs verurteilen, Arbeitsrechtsorganisationen für illegal zu erklären und ihnen zu verbieten, ihre Aktivitäten fortzusetzen. Sie müssen auch ihre Unterstützung für die Vereinigungsfreiheit zum Ausdruck bringen und zeigen und sicherstellen, dass ihre direkten und indirekten Zulieferer diese Prinzipien respektieren“, so CCC.

Arbeiter schützen und ihre Rechte unterstützen

Der Schutz und die Unterstützung derjenigen Arbeiter, die ihre Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung, Vereinigungsfreiheit und Streikrecht wahrnehmen, ist ebenfalls sehr wichtig. Denn Zulieferbetriebe könnten sonst Arbeiter bestrafen, entlassen oder in der Fabrik einsperren, um deren Teilnahme an Demonstrationen zu verhindern.

Letzteres soll vor wenigen Wochen bei GY Sen geschehen sein, einem Zulieferbetrieb für Primark, der kurzerhand 1.000 Arbeiter und Arbeiterinnen in der Fabrik einschloss, um zu verhindern, dass sie an einem Protestmarsch in Yangon am 18. Februar teilnahmen. Die Arbeiter konnten sich nach einigen Stunden befreien; einige von ihnen wurden jedoch mit der Begründung entlassen, aufgrund von Demonstrationen Arbeitsstunden verpasst zu haben. Ein Sprecher von GY Sen bestritt die Anschuldigungen jedoch.

Es gibt also viel, dass Marken und Einzelhändler auch aus der Ferne tun können. Auf jeden Fall sollten sie die Kommunikation mit ihren Zulieferern in Myanmar aufrechterhalten und herausfinden, wie die aktuelle Lage ist, wie sie sich auf die Produktion auswirkt und was von Auftraggeberseite getan werden kann (die Staffelung von Aufträgen, Teilzahlungen, Vorausplanung und Ähnliches). Ein kompletter Rückzug - für wie lange auch immer - setzt auf jeden Fall das falsche Zeichen, nämlich das Arbeiter und Lieferanten völlig auf sich gestellt sind.

Aktualisierung (22.03.21)

Mit Wirkung vom 5. März hat Primark die Fabrik (GY Sen) suspendiert und eine Untersuchung der Vorwürfe eingeleitet: “Dies sind sehr ernste Anschuldigungen, die, wenn sie wahr wären, einen Verstoß gegen den strengen Verhaltenskodex darstellen würden, den Primark von allen Lieferanten und Fabriken, die unsere Kleidung herstellen, verlangt. Unsere höchste Priorität ist es, dass es den Arbeitern gut geht und dass ihre Rechte und Freiheiten respektiert werden”, erklärte ein Primark-Sprecher in einer E-Mail an FashionUnited.

„Primark hat am 5. März sofort eine Untersuchung dieser Fabrik eingeleitet, nachdem eine uns gut bekannte lokale Arbeitsorganisation uns auf die Bedenken aufmerksam gemacht hat. Wir haben die Fabrik auch suspendiert, was bedeutet, dass wir keine weiteren Bestellungen bei dieser Fabrik aufgeben werden, bis das Ergebnis dieser Untersuchung vorliegt”, stellte Primark klar.

„In Anbetracht der aktuellen Situation in Myanmar gehen wir davon aus, dass die Durchführung der Untersuchung eine größere Herausforderung darstellen könnte als sonst üblich. Wir werden mit unserem Lieferanten und, falls erforderlich, mit anderen vertrauenswürdigen Dritten zusammenarbeiten. Wenn sich herausstellt, dass die Fabrik gegen unseren Kodex verstoßen hat, werden wir mit dem Lieferanten und der Fabrik zusammenarbeiten, um alle Probleme zu beheben”, heißt es weiter.

„Wenn es zu Verstößen gegen unseren Kodex kommt, arbeiten wir immer mit unseren Lieferanten zusammen, um die Probleme anzugehen und effektiv zu beheben, mit dem Ziel, die Lebensgrundlage der Menschen zu schützen, die dort arbeiten. Diese Fabrik beschäftigt mehr als 2.000 Menschen und wir haben eine langjährige und positive Beziehung zu dem Lieferanten. Wir glauben, dass es unsere Verantwortung ist, alles in unserer Macht stehende zu tun, um die Arbeiter in unserer Lieferkette zu unterstützen”, schließt Primark.

Foto: FashionUnited

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