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Nachhaltige Textilinnovationen: Ist Bakterienfärbung die Zukunft?

Von Simone Preuss

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In ihrer Reihe „Community Talks“ sprach die Austrian Fashion Association (AFA) jüngst mit der Künstlerin und Designerin Julia Moser, die sich als Teil ihrer Interessengebiete Materialinnovation und Biodesign mit der Bakterienfärbung beschäftigt und ihre Erkenntnisse vorgestellte.

Moser weist darauf hin, dass das Färben von Textilien bereits seit Jahrtausenden praktiziert wird - etwa war der Farbton Indigo schon 4000 vor Christus bekannt und wurde unter anderem in Indien, China und Ägypten benutzt. Blautöne wurden auch aus Färberwaid und Maulbeeren gewonnen, die weit erschwinglicher waren als der teure Indigo-Farbstoff.

Gelbtöne wurden etwa aus Berberitze, Färberdistel oder Ginster gewonnen und Rottöne aus Gartenampfer, Krapp oder Alkannawurzeln. Aber auch Insekten wie Cochenille-Schildläuse, Weichtiere und Mineralien waren als Quellen natürlicher Farbstoffe bekannt.

Synthetische Farbstoffe verdrängten Naturfarbstoffe bereits im 19. Jahrhundert

1856 wurde dann der erste synthetische Farbstoff, Mauvein, von dem 18-jährigen William Henry Perkin bei dem Versuch erfunden, Chinin zu synthetisieren. Er stellte es aus Anilin her, das er mit Kaliumdichromat oxidierte. Weitere synthetische Farbstoffe folgten. Da sie intensiver waren als natürliche Farbstoffe, länger hielten und günstiger herzustellen waren, verdrängten sie diese bald.

Moser stieß vor drei bis vier Jahren auf die Möglichkeit, mit Bakterien zu färben. „Das hat mich unheimlich überrascht, fasziniert und in den Bann gezogen“, erinnert sich die junge Künstlerin und Designerin, die ihren Bachelor und Master in Textil, Kunst & Design an der Kunstuniversität Linz machte.

Die notwendige Laborarbeit erschien Moser zunächst als eine Hürde bei der Umsetzung der Bakterienfärbung, aber in einem Workshop des Vienna Textile Lab vor dem ersten Lockdown im letzten Jahr konnte sie praktische Erfahrungen sammeln. „Diese Färbemethode, die einen völlig neuen Zugang zum Designprozess erfordert, hat mich zutiefst gefesselt“, sagt Moser.

Eine Kooperation mit dem Vienna Textile Lab bescherte ihr die Möglichkeit, die Bakterienfärbung mit neuen Technologien zu kombinieren, etwa um kontrollierte Muster zu erzielen, was den Anwendungsbereich für die Bakterienfärbung vergrößern und erschließen würde. Und dies ist auch Mosers Ziel: „Ich möchte mir das nötiges Know-how aneignen und zusammen mit anderen Wissenschaftlern und Künstlern arbeiten, damit es auch ohne Labor geht“, erklärt Moser.

Färben mit Lebendorganismen

„Es gibt verschiedene Wege, Textilien mit Bakterien einzufärben. Während manche mit extrahierten Pigmenten der Bakterien arbeiten und andere mit synthetischer Biologie und damit modifizierten Bakterienstämmen, arbeite ich mit den Lebendorganismen, die direkt auf den Stoffen wachsen. Dabei können Stoffe direkt in einem Flüssigmedium gefärbt werden, wo die Bakterien eingeimpft werden oder sie können in einer Box gefärbt werden, wo Stoffe auf Agarplatten gelegt und mit Flüssimgedium übergossen werden“, beschreibt Moser den Prozess, der sich auf die meisten Stoffe und Fasern anwnenden lässt.

Was das Resultat angeht, so macht es einen großen Unterschied, was den Ressourcenverbrauch angeht. „Für das Färben mit den Lebendorganismen benötigt man kaum Wasser und nur geringe Mengen an Nährstoffen für die Bakterien. Die Pigmente der Bakterien bleiben nach dem Färbevorgang fast zu 100 Prozent im Stoff. Außerdem trägt das Wachstumsverhalten der Bakterien maßgeblich zum späteren Färbeergebnis bei. Die Stoffe erhalten dadurch einen sehr lebendigen Charakter und die Bakterien reagieren sehr unterschiedlich auf verschiedene aufgetragene Materialen, wie etwa Wachs oder PLA und wachsen dadurch in unterschiedlichen Farbabstufungen. So lassen sich Resultate erzielen, die nur dadurch möglich sind, dass die Bakterien lebendig die Stoffe überwachsen“, erläutert Moser.

„Im Vergleich zu synthetischen Farbstoffen benötigt die Produktion der Bakterienpigmente keinen Einsatz von schädlichen Chemikalien – was natürlich ein unglaublich bedeutender Punkt ist, da die eingesetzten Chemikalien verheerende Auswirkungen auf die Natur, Mensch und Tier haben und stark zur Biodiversitäts-Krise beitragen. Aber auch im Vergleich zu natürlichen Farbstoffen werden keine großen Landflächen und Pestizide benötigt, um die dafür notwendigen Pflanzen anzubauen“, fügt sie hinzu.

Lichtechtheit, Farbbrillanz und Farbvarietät bereiten Herausforderungen

Die Schwachpunkte der Bakterienpigmente liegen bei der Lichtechtheit, Farbbrillanz und Farbvarietät. „Ich denke jedoch, dass vielleicht auch in diesen Schwachstellen neue Möglichkeiten erkannt werden könnten: So könnte man etwa neue Strategien entwickeln und das Konsumverhalten ändern. Anstatt jede Saison neue Kleidung zu kaufen, könnte auch darüber nachgedacht werden, die einzelnen Teile jede Saison in den neuen Trendfarben zu färben, wenn die Farben wieder verbleichen“, schlägt Moser vor.

Für sie, die in einem kleinen Dorf in der Nähe von Salzburg aufwuchs, ist Naturverbundenheit sehr wichtig. Diese zeigt sich auch in ihrem Beruf, etwa bei de Materialwahl. „Ich habe mir oft die Frage gestellt, warum ich in dieser Branche tätig bin und ob ich überhaupt richtig bin, wenn ich so viele Dinge so kritisch hinterfrage“, machte sich die Designerin schon zu Beginn ihrer Karriere Gedanken.

„Irgendwann wurde mir klar, dass es wichtig ist, dass auch Leute wie ich, die nicht mit allem einverstanden sind und blind mitmachen und alles genauso wie davor machen wollen, in dieser Branche tätig sind, denn nur durch eine kritische Auseinandersetzung mit Dingen kann Veränderung und auch Fortschritt entstehen. Und damit habe ich versucht, meine Nische zu finden, in der Nachhaltigkeit, Well-Being, Naturverbundenheit, aber hoher Designanspruch und Qualität nebeneinander und miteinander existieren können“, sagt Moser.

Zukünftig wird mehr Forschung nötig sein, was die Beeinträchtigung und Ergebnisse der Färbung angeht, etwa durch Temperatur und Sound-Frequenz oder die Kombination mit 3D-Druck oder UV-Druck. Zudem ist es noch ein weiter Weg bis zur Massentauglichkeit, sollte sie angestrebt werden.

„Ist ein Massenmarkt für unsere Gesellschaft noch denkbar? Oder wäre es vielleicht an der Zeit, umzudenken und wieder kleiner und regionaler zu denken? Denn vielleicht müssen gar nicht immer die Methoden auf das System zugeschnitten werden, sondern das System auf neue Lösungsansätze und Techniken?“, fragt Moser.

„Schließlich kann es auch als positiv angesehen werden, dass keine großen Massen beliefert werden können und die Stoffe mit dem Wert der Langsamkeit und Rarität gefüllt werden können. Und die Stoffe sehen keinesfalls gleich aus. Selbst wenn ihr Wachstum durch gewisse Umstände kontrolliert oder gesteuert wird, bleiben die Stoffe, die mit Lebendorganimsen gefärbt werden, stets Einzelstücke. Und genau das ist auch gut so und ist schön. Für mich zeugt das von Lebendigkeit und Einzigartigkeit“, fügt Moser hinzu.

Zukünftig will die junge Künstlerin und Designerin weiter inspirieren und informieren. „Was für mich wunderbar zu sehen ist, welchen Impact dies haben kann, wenn zum Beispiel einzelne Abteilungen an diversen Universitäten dadurch umzudenken beginnen und etwa neue Schwerpunkte im Bereich der Nachhaltigkeit setzen. Das erfüllt mich mit Stolz. Mein Ziel ist es, Möglichkeiten zu finden, meine Ideen umzusetzen, aber auch andere dazu zu inspirieren“, schließt Moser.

Das begleitende Interview mit Julia Moser zum AFA-Community Talk „Nachhaltigkeit x Neue Technologien: Sind Bakterien die Zukunft der Textilindustrie?“ findet sich auf der AFA-Website.

Bilder: Living Pigments Website / Wikipedia / Austrian Fashion Association

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