Turbulentes Jahresende für Luxuskonzern Kering
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"Ein neues Kapitel” bei Gucci nach dem Abgang des künstlerischen Leiters, eine öffentliche Entschuldigung bei Balenciaga nach kontroversen Werbespots… : Das Jahresende ist für die Muttergesellschaft Kering turbulent, während Spekulationen über eine große Übernahme die Runde machen.
Ende November kündigte der französische Luxuskonzern Kering den Abgang von Gucci-Kreativdirektor Alessandro Michele an, ohne einen Nachfolger zu benennen. Die italienische Marke war in den vergangenen zwei Jahren im Vergleich zu Wettbewerbern ins Hintertreffen geraten, obwohl sie 55 Prozent des Umsatzes von Kering ausmacht, der 2021 auf insgesamt 17,6 Milliarden Euro beziffert wurde.
„Der Markt wollte einen Abgang von Michele, aber gefolgt von einer Ernennung", erklärte Arnaud Cadart, Portfoliomanager bei der Fondgesellschaft Flornoy, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, „offensichtlich hat Kering sich diesem Wunsch gebeugt und nun wartet der Markt auf das, was kommt".
Leidet die Dynamik bei Gucci?
Für Analyst:innen der Bank UBS "hat das Management die richtige Entscheidung getroffen [...] Allerdings führen solche Übergänge in der Regel zu (...) Beeinträchtigungen der Verkaufszahlen". „Es stimmt, dass die überraschende Ankündigung des Abgangs von Alessandro Michele einige Investoren dazu bringen könnte, die kurzfristige Dynamik von Gucci in Frage zu stellen", so ein Kommentar von Analyst:innen der Bank HSBC. Sie sind jedoch der Meinung, dass die neue Organisationsstruktur, die vor dem Weggang des künstlerischen Leiters eingeführt wurde, "den Übergang erleichtern könnte".
Um den Umsatz seiner Hauptmarke mittelfristig auf 15 Milliarden Euro von derzeit 10 Milliarden Euro zu steigern, hat Kering in diesem Jahr die Teams von Gucci in Schlüsselfunktionen wie Design, Merchandising und Regionen mit neuen Präsidenten für China und Europa, den Nahen Osten und Afrika umstrukturiert, unterstreicht HSBC.
Die Bank UBS erwartet jedoch 2023 "ein turbulentes Jahr" für den von François-Henri Pinault geführten Konzern. Zum Abgang von Alessandro Michele kommt eine Kontroverse um eine andere Marke des Konzerns, Balenciaga, hinzu. Ihr wird vorgeworfen, in Werbespots Kinder sexualisiert zu haben.
"Die Krise sitzt tief"
Balenciaga ist seit sechs Jahren ein aufsteigender Stern im Konzern mit einem Umsatz von fast 2 Milliarden Euro 2021, angetrieben von den provokanten Kollektionen ihres Kreativdirektors, so UBS.
„Wir erwarten, dass die Auswirkungen seiner jüngsten Werbekampagne einen negativen Einfluss" auf den Umsatz haben werden, so UBS. Die Werbekampagne wurde vor allem in den USA kritisiert, wo eine der Musen der Marke, Kim Kardashian, dagegen protestierte. Nordamerika macht 21 Prozent des Umsatzes von Kering aus. Der Geschäftsführer von Balenciaga, Cédric Charbit, und der künstlerische Direktor Demna Gvasalia entschuldigten sich persönlich.
„In den Vereinigten Staaten, der Heimat des größten Luxusmarktes der Welt, könnte der Schaden dieses anhaltenden Feuersturms für Balenciaga seismographisch sein", schrieb die New York Times in einem Artikel mit dem Titel "Wenn Haute Couture und Qanon (rechtsextreme Verschwörungsgruppe, Anm. d. Red.) zusammenstoßen". Die Tageszeitung beschreibt unter anderem, wie eine Sendung des TV-Senders Fox News, die Qanon bekannt gemacht hat, die Balenciaga-Kontroverse in den Sozialen Netzwerken aufgriff und aufbauschte.
„Die Krise sitzt tief. Sie kommt von den 'Trumpisten' und Balenciaga war nicht pro-Trump", erklärte Eric Briones, Autor des Buches "Luxe et digital" , gegenüber AFP, „das ist das Limit für eine politisch sehr engagierte Marke".
Gut gefüllte "Kriegskasse"
„François-Henri Pinault, CEO von Kering, meldet sich nicht in Bezug auf Balenciaga zu Wort.' Sie haben sich für Diskretion entschieden und das lässt Raum für Zweifel, was nie sehr gut ist", analysiert Arnaud Cadart, der glaubt, dass der Mutterkonzern seine anderen Marken wie Saint Laurent, Gucci und Bottega Veneta vor dem "Bad Buzz" von Balenciaga schützen möchte.
Der Abgang von Alessandro Michele, die Balenciaga-Polemik, "das erleichtert nicht die erhoffte Storyline zu Kering, die die einer großen Fusion oder Übernahme ist", so Cadart.
Die Bank UBS glaubt jedoch, dass Kering seine "solide Bilanz" nutzen kann, um eine Strategie der Fusionen und Übernahmen zu verfolgen, um "die Gruppe zu diversifizieren". Zuletzt berichtete das Wall Street Journal über Kerings Interesse an der Marke Tom Ford, die schließlich von Estée Lauder aufgekauft wurde.
Die Gruppe "verfügt über eine Kriegskasse von 13 bis 20 Milliarden Euro", stellt HSBC fest und geht dabei auf mehrere Szenarien ein, die immer wieder genannt werden: Burberry aufkaufen? Sich mit dem Rivalen Richemont, der Muttergesellschaft von Cartier, zusammenschließen? Oder warum nicht einfach den Beauty-Bereich intern ausbauen? Trotz des Aufruhrs ist das Haus solide und das Geld ist da (AFP)
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.fr.