Übernahme von Versace durch Prada: Eine Win-Win-Situation für den italienischen Luxus?
14. Apr. 2025
Als Prada die Übernahme von Versace für 1,25 Milliarden Euro bestätigte, war dies nicht nur eine Geschäftstransaktion, sondern auch eine symbolische Rückführung italienischen Erbes. In einer Branche, in der die französischen Luxuskonzerne LVMH und Kering mit Marken wie Fendi und Gucci seit Jahren dominieren, deutet dieser strategische Schritt der Prada Group auf eine mögliche Neujustierung der Machtverhältnisse in der Modewelt hin.
Die Übernahme beendet das enttäuschende Kapitel unter der US-amerikanischen Muttergesellschaft Capri Holdings. Diese hatte Versace im Mai 2019 für 1,89 Milliarden Euro übernommen, verfehlte jedoch das ehrgeizige Umsatzziel von 2 Milliarden US-Dollar (rund 1,76 Milliarden Euro). Nun kehrt Versace in italienischen Besitz zurück, und der von Prada erzielte erhebliche Abschlag spiegelt sowohl die aktuellen Marktbedingungen als auch die bevorstehende, arbeitsintensive Restrukturierung wider.
„Wir wollen das Erbe von Versace fortführen, indem wir seine kühne und zeitlose Ästhetik feiern und neu interpretieren“, erklärte Prada-Vorsitzender Patrizio Bertelli und würdigte damit die kulturelle Bedeutung der Marke, während er gleichzeitig Erneuerungspläne andeutete.
Aus Fehlern der Vergangenheit lernen
Modekenner:innen erinnern sich an Pradas ambitionierte, jedoch letztlich gescheiterte Akquisitionsstrategie der 1990er-Jahre, als das Unternehmen sowohl Helmut Lang als auch Jil Sander übernahm. Diese Unternehmungen gelten heute als warnende Beispiele für Herausforderungen im Luxusmanagement – Prada kämpfte damals sowohl mit den kreativen Übergängen nach dem Ausscheiden der Gründer:innen als auch mit den operativen Komplexitäten einer Multi-Brand-Strategie.
Diese frühen Fehltritte jedoch mit dem heutigen Zustand des Unternehmens gleichzusetzen, wäre ein fundamentaler Irrtum. Die heutige Prada Group hat sich zu einem robusten Akteur entwickelt, der die branchenweite Verlangsamung – selbst für die französischen Giganten eine Herausforderung – bemerkenswert gut bewältigt hat.
Während Kering mit den Performance-Problemen seines Zugpferds Gucci ringt und LVMHs Modesparte erste Ermüdungserscheinungen zeigt, überzeugen die Marken der Prada Group – die Hauptmarke Prada und das Schwesterlabel Miu Miu – durch Widerstandskraft und Wachstumspotenzial.
Das finanzielle Kalkül
Die an der Börse in Hongkong notierte Prada Group hat angekündigt, die Übernahme über Fremdkapital zu finanzieren – ein Schritt, der zwar Vertrauen in die eigene Strategie signalisiert, jedoch auch Risiken birgt. Die aktuellen Umsätze von Versace, die weiterhin unter der Marke von einer Milliarde Euro liegen, wären im riesigen Portfolio eines Konzerns wie LVMH kaum von Bedeutung, stellen für die Prada Group jedoch ein bedeutendes Unterfangen dar.
Dieser Größenunterschied verstärkt sowohl die Risiken als auch die Chancen. Sollte es Prada gelingen, dort erfolgreich zu sein, wo Capri scheiterte, könnten die daraus resultierenden Erträge die Marktposition des Unternehmens grundlegend verändern. Pradas langfristiger Ansatz könnte die ursprüngliche Vision von Capri letztlich doch noch Realität werden lassen – allerdings unter anderer Führung und mit italienischer Sensibilität an der Spitze.
Kulturelle Übereinstimmung als strategischer Vorteil
Ein oft übersehener Faktor bei dieser Übernahme ist die kulturelle Nähe zwischen den beiden Modelabels. Auch wenn Versaces kühne Extravaganz auf den ersten Blick im Gegensatz zu Pradas intellektuellem Minimalismus steht, teilen beide Marken tiefe italienische Wurzeln sowie ein Gespür für die Balance zwischen Tradition und Innovation.
Die Beibehaltung von Donatella Versace in einer repräsentativen Rolle sichert eine wichtige Kontinuität. Gleichzeitig bringt der neue Chefdesigner Dario Vitale wertvolle Erfahrungen von Miu Miu mit – seine Vertrautheit mit dem Führungsstil der Prada Group markiert eine signifikante Abkehr von der US-amerikanischen Unternehmenskultur, die Versace zuvor prägte.
Ein neues italienisches Luxusparadigma?
Diese Übernahme wirft eine spannende Frage auf: Steht die Entstehung eines italienischen Luxuskonzerns bevor, der das französische Duopol herausfordern kann? Die strategischen Implikationen reichen weit über den unmittelbaren Business Case hinaus. Jahrzehntelang stellte Italien die kreative Seele der Luxusmode, während Frankreich zunehmend die unternehmerische Struktur dominierte. Pradas Schritt deutet auf eine mögliche Neuausrichtung hin – hin zu einem Modell, in dem italienische Unternehmen den Luxus nicht nur gestalten, sondern auch auf höchster Ebene kontrollieren.
In einer zunehmend fragmentierten Welt, in der geografische Diversifizierung an Bedeutung gewinnt, bietet ein italienisch geführter Luxuskonzern strategische Alternativen für Marken, die Partnerschaften suchen, ohne sich den französischen Giganten zu unterwerfen.
Der Erfolg dieser Übernahme wird weder schnell noch einfach zu erreichen sein. Versace benötigt umfassende Investitionen in digitale Infrastruktur, Produktentwicklung und eine zeitgemäße Einzelhandelsstrategie, um sein volles Potenzial zu entfalten. Der wahre Wert dieses Deals wird sich erst durch geduldigen Ressourceneinsatz und eine strategische Vision zeigen, die über kurzfristige Quartalsergebnisse hinausgeht.
Für die gesamte Luxusbranche stellt sich die entscheidende Frage: Wird es Prada gelingen, operative Exzellenz umzusetzen und gleichzeitig die kreative Identität von Versace zu bewahren – jene delikate Alchemie, die über Erfolg oder Scheitern von Luxusakquisitionen entscheidet?
Fest steht, diese Transaktion ist weit mehr als ein Finanzgeschäft. Sie signalisiert Italiens erneuten Anspruch, nicht nur die Kreation von Luxus zu dominieren, sondern auch dessen Richtung und Schicksal mitzubestimmen.