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Wie die koreanische Welle die westliche Modewelt erobert

Von Rachel Douglass

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Jisoo von Blackpink bei Diors Haute Couture Show. Bild: Dior

Wenn man nicht gerade von der Welt abgeschnitten lebt, hat man sicher den Aufschwung einer nicht ganz neuen Art einflussreicher Persönlichkeiten bemerkt, die gerade die Welt der westlichen Luxusmode erobern. Während die Stars des „Hallyu“ oder der „koreanischen Welle“ - Begriffe, die sich auf die steigende Popularität der südkoreanischen Populärkultur beziehen - bereits zu Stammgästen auf den Modeschauen geworden sind, wurde ihre Präsenz in der letzten Saison durch ihre rege Teilnahme an den Pariser und Mailänder Modewochen zementiert.

Vor allem Auftritte von K-Pop-Künstler:innen - einer populären südkoreanischen Musikrichtung, die die ganze Welt erobert hat - sorgten in den sozialen Medien und anderswo für viel Gesprächsstoff, da viele dieser Prominenten nur selten bei solchen öffentlichen Veranstaltungen auftauchen. Diese Stars, die gemeinhin als „Idole“ bezeichnet werden, erobern die Modewelt mit ihrer riesigen und oft mächtigen Fangemeinde. Ihre große Anziehungskraft wurde besonders am Eingang jeder der Modeschauen deutlich, an denen sie teilnahmen: Die Straßen waren voller kreischender Fans, die in Scharen kamen, um auch nur einen Blick auf ihren Lieblingsstar zu erhaschen.

Unter den Besucher:innen der HW23-Schauen in Paris waren auch Mitglieder der für einen Grammy nominierten Gruppe BTS. J-Hope und Jimin traten bei der Modenschau von Dior auf, ersterer als neuer Louis Vuitton-Botschafter und letzterer als Vertreter von Dior, während Suga die Show von Valentino besuchte, nachdem er zum globalen Botschafter der Marke ernannt wurde. Weitere Teilnehmer:innen waren Jisoo von Blackpink, die bei der Haute Couture SS23-Show von Christian Dior anwesend war, G-Dragon von Bigbang, der die Haute Couture Show von Chanel besuchte, und bei der Saint Laurent-Herrenmodenschau NCT Ten, Jeonghan von Seventeen und Lee Seung-joo, alias Løren.

J-Hope von BTS, Louis Vuittons weltweiter Markenbotschafter. Bild: Louis Vuitton

Der Erfolg von Hallyu („koreanische Welle“) zeigt sich auch in der Popularität von Netflix' „Squid Game“, das 2021 zur erfolgreichsten Sendung der Streaming-Plattform wurde - und es immer noch ist. Auch koreanische Dramen - passenderweise auch K-Dramen genannt - sind auf dem Vormarsch, wobei viele ihrer eigenen Stars ins weltweite Rampenlicht gerückt sind. Der Einfluss von Hallyu auf die Modeindustrie ist inzwischen so einflussreich, dass er zu einem eigenen Forschungsthema der Plattform Fashion Snoops geworden ist, die sich mit Trendprognosen und Verbrauchereinblicken beschäftigt. Nico Gavino, Kulturstratege des Unternehmens, hat sich des Themas angenommen und das Phänomen von seiner Entstehung bis zu seinem potenziellen künftigen Einfluss untersucht. Im Gespräch mit FashionUnited gab Gavino Einblicke in seine bisherige Forschung, in der er sich eingehend mit dem Einfluss und der Macht sowohl der Stars selbst als auch ihrer Fangemeinde befasste.

Der Aufstieg der koreanischen Kultur

Woher rührt also diese Faszination für die koreanische Kultur? Für die Zuschauer:innen ist der Hallyu-Boom scheinbar schlagartig in der westlichen Öffentlichkeit angekommen. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Das einst vom Krieg zerrissene Land hat sich durch Regime, die die Modernisierung und Industrialisierung vorantrieben, aus den wirtschaftlichen Turbulenzen befreit, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der kulturellen Produktion und der Informationstechnologie lag. „Der zunehmende Einfluss Südkoreas auf die westliche Kultur ist kein Zufall“, so Gavino. „Über mehrere Jahrzehnte hinweg war es für Südkorea eine Priorität, seinen globalen Einfluss durch kulturelle Einrichtungen zu erweitern.“

E'Dawn bei Valentinos Black Tie Show, HW23. Bild: Valentino

Ihr Einfluss wurde durch die Beliebtheit der sozialen Medien noch verstärkt, die laut Gavino „ihren kometenhaften Aufstieg begünstigten“. Über diese Plattformen konnte ein weltweites Publikum mit den verschiedenen Formen von Hallyu in Kontakt kommen, von K-Dramen auf Netflix bis zu K-Pop-Stars auf Instagram. Während diese Stars im Land selbst und in anderen südostasiatischen Ländern wie den Philippinen, Malaysia, Indonesien und Thailand unbestreitbaren Einfluss und eine breite Fangemeinde haben, gibt es im Westen bereits erste Anzeichen für ihre Bedeutung, insbesondere in der Unterhaltungsindustrie. BTS war im vergangenen Jahr zusammen mit One Direction die meistausgezeichnete Gruppe in der Kategorie „Bestes Duo/Gruppe“ bei den Billboard Music Awards, während der satirische Dark-Comedy-Thriller „Parasite“ von Regisseur Bong Joon-Ho als erster fremdsprachiger Film bei der Oscarverleihung 2020 den Preis für den besten Film gewann und den Regisseur und die Schauspieler:innen zu internationalem Ruhm katapultierte.

Um in dieser Welt bekannt zu werden, wurden viele dieser Persönlichkeiten, vor allem aus dem K-Pop, von klein auf mit dem Ziel gefördert, „die Besten der Besten“ zu werden. Unterhaltungsagenturen wie SM Entertainment und HYBE, die Firma hinter BTS, rekrutieren potenzielle Talente bereits im Alter von elf Jahren und ziehen sie zu Mitgliedern von Boy- oder Girl-Groups heran, die darauf hoffen, die Herzen der weltweiten Fans zu erobern. Die wenigen Erfolgreichen, die es schaffen, haben oft eine riesige Fangemeinde, die sie anhimmelt und jeden ihrer Schritte verfolgt. Diese Gruppen werden zwar regelmäßig und oft zu Unrecht für hysterisch gehalten, sind aber auch dafür bekannt, ihre Macht für das Gute zu nutzen, indem sie im Namen ihres Idols beträchtliche Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen leisten oder Online-Bewegungen zur Unterstützung anderer guter Zwecke beeinflussen.

BigBangs G-Dragon bei Chanels Haute Couture Show FS23. Bild: Chanel

Die Macht der Fans

Und ihre Macht ist nicht unbemerkt geblieben. In den letzten Jahren haben viele Luxusmarken schnell verschiedene K-Stars als ihre Botschafter:innen angeworben, um dieses oft junge und einflussreiche Publikum anzusprechen. Der Luxusjuwelier Tiffany & Co. ernannte Blackpinks Rosé und BTS' Jimin zu seinen Repräsentant:innen; Burberry wählte drei Mitglieder der frisch gegründeten Gruppe NewJeans aus; Taeyang von BigBang wurde als Botschafter für Givenchy angekündigt und der in China geborene K-Pop-Star Jackson Wang trat Louis Vuitton bei. In der Welt der K-Dramas repräsentiert Song Hye-kyo Fendi, Lee Min-ho ist Botschafter für Louis Vuitton, und Ji Chang-wook wurde als erstes koreanisches globales Model für Calvin Klein ausgewählt. Aber wie tragen diese Personen dazu bei, Kund:innen zu gewinnen?

Jimin von BTS bei Dior Homme HW23. Bild: Dior

„Die Verbraucherbasis, die Marken mit koreanischen Berühmtheiten erreichen können, ist zweifältig“, so Gavino. Zum einen wurden südkoreanische Verbraucher:innen kürzlich als die größten Luxuskonsument:innen der Welt bezeichnet, wobei das Segment in dem Land schnell wächst und die Kaufkraft zusammen mit der Vorliebe für Luxusmarken weiter steigt. Inzwischen sind die weltweiten Hallyu-Konsument:innen eine sehr heterogene Gruppe mit einem breiten Spektrum an demografischen Merkmalen, die nicht auf eine bestimmte Generation beschränkt sind. Während ältere Fans oft in der Lage sind, Artikel zu kaufen, die ihr Lieblingsidol trägt, stellte Gavino fest: „Für die jungen Hallyu-Fans, die vielleicht noch nicht die Kaufkraft haben, um Luxuskund:innen zu werden, setzt es ein Zeichen, wenn sie ihre Idole bei einer Laufstegpräsentation in der ersten Reihe sitzen sehen oder wenn sie sehen, dass die Schauspieler:innen Stücke aus ihrem Lieblings-K-Drama tragen, und das weckt das Interesse an der Marke. Es gibt ein gewisses Vertrauen und eine gewisse Sehnsucht, die die Beziehung zwischen Superfans und Prominenten verbindet, und das ist besonders stark, wenn es um koreanische Stars geht.“

Um eine Vorstellung von diesem Einfluss zu bekommen, kann ein anderes Mitglied von BTS als Beispiel dienen: Jungkook, der noch keinen Vertrag mit einer Marke abgeschlossen hat. Der Jüngste der Gruppe und die Stimme hinter dem FIFA 2022 World Cup Song „Dreamers“ wird aufgrund seiner ungeplanten Macht von Fans als „Sold Out King“ bezeichnet, weil so Produkte ausverkauft werden, die er benutzt, trägt und konsumiert. In der Vergangenheit trug er Artikel von Marken wie Louis Vuitton, Prada und Balenciaga, wobei viele dieser Stücke schnell aus den Regalen verschwanden - manchmal innerhalb von Minuten nach seinem Auftritt - und das trotz Preisen von über 1.500 US-Dollar. Sein Einfluss lässt Fans spekulieren, welche Marke, wenn überhaupt, versuchen wird, den Sänger als Botschafter zu gewinnen, ähnlich wie viele seiner Bandkollegen.

„Viele Luxusmarken haben ein Auge auf den asiatischen Markt geworfen, so dass diese Strategie teilweise darauf abzielt, die Aufmerksamkeit der Verbraucher:innen in der Region zu gewinnen. Aber es ist nicht nur das. Die Popkultur wird immer globaler, und koreanische Prominente sind die Superstars einer neuen Generation. Wenn Luxusmarken mit südkoreanischen Idolen und Schauspieler:innen zusammenarbeiten, sprechen sie nicht nur südkoreanische Verbraucher:innen an, sondern auch die Hallyu-Fans in allen Teilen der Welt“, fügt Gavino hinzu.

Was bringt die Zukunft für Hallyu?

Jackson Wang von Got7 bei der Louis Vuitton Men's HW23 Show. Bild: Louis Vuitton

Es ist dieser Faktor der für Gavino für die Langlebigkeit von Hallyu entscheidend sein wird, da die Popkultur dank des Internets zunehmend dezentralisiert wird. „Seit über 20 Jahren haben sich die koreanischen Medien allmählich ihren Weg aus den Nischen des Internets in den globalen Mainstream gebahnt. Ich betrachte die koreanische Welle nicht als eine Modeerscheinung, sondern als eine Entwicklung der Popkultur und der Medienlandschaft. Der Eintritt Südkoreas ins Rampenlicht ist eines von vielen Signalen dafür, dass die Popkultur nicht mehr zentralisiert ist. Während die Modetrends von heute oft rasend schnell voranschreiten, sind kulturelle Trends nicht so schnelllebig. Sie haben oft eine größere Langlebigkeit und entwickeln sich weiter, anstatt völlig auszusterben“, erklärt Gavino.

Der Trend, dass K-Pop-Stars zu Botschafter:innen von Luxusgiganten werden, wird sich in absehbarer Zeit wohl nicht abschwächen, aber der Hallyu-Einfluss hat auch das Potenzial, in die breitere Modebranche vorzudringen. Nach Ansicht von Gavino könnte dies durch einen verstärkten Dialog zwischen Südkorea und dem Westen geschehen, der möglicherweise zu mehr koreanischem Designeinfluss in der Luxusmode führt. Ähnlich wie die K-Beauty-Bewegung - ein Trend, der sich um koreanische Schönheitsmarken dreht und der sich 2011 weltweit durchsetzte und dessen Wert bis 2026 auf 21,8 Milliarden US-Dollar geschätzt wird - glaubt Gavino, dass die koreanische Ästhetik auch in andere Formen der Mode, der Kunst und des Designs Einzug halten könnte, und zwar nicht nur in Bezug auf den Geschmack der Verbraucher:innen, sondern auch auf die zunehmende Popularität südkoreanischer Marken.

Hallyu ist also eindeutig etwas, das nicht ignoriert werden sollte. Sein unbestreitbarer Einfluss steht erst am Anfang, und das derzeitige rasante Wachstum lässt noch Raum für unerforschte Entwicklungen, die von den Marken selbst definiert werden können. „Ich glaube nicht, dass Marken warten sollten, bis diese Stars im Westen genauso einflussreich sind, um ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist wichtig, die Beziehung zu den globalen Hallyu-Konsument:innen frühzeitig zu pflegen. Die zukünftigen Konsument:innen kommen aus einer Generation, die mit K-Pop an der Spitze der Charts und K-Dramas auf der Startseite ihrer Lieblings-Streaming-Dienste aufgewachsen ist“, schließt Gavino.

Tiffany Lock-Kampagne mit Blackpinks Rosé. Bild: Tiffany & Co.
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Bearbeitet und übersetzt von Simone Preuss.

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