Anouk-Chef: "Wir sind vorsichtig mit unseren Einkäufen. Jeden Tag nehmen wir, wie er kommt."
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In der Schweiz haben die Modeläden seit vergangenen Montag wieder offen. Bei dem Modehändler Anouk lief die erste Woche sogar besser als im Vorjahr, aber trotzdem blickt Geschäftsführer Francois Rueff verhalten auf den Rest des Jahres.
Im Gespräch gibt der 69-Jährige einen Einblick in das auf schnelle Damenmode ausgerichtete Geschäftskonzept, dessen Agilität sich in der Covid-19-Pandemie bewährt hat. Außerdem spricht er über die Gründe für den Verkauf der Mehrheitsanteile von Anouk und seiner 49 Filialen an den Fast-Fashion-Anbieter Imperial , sowie den neuen Onlineshop.
In der Schweiz haben die Modeläden seit 11. Mai wieder geöffnet. Wie waren die Kundenfrequenz und die Umsätze bis jetzt?
Wir sind jetzt sehr, sehr gut gestartet seit einer Woche, begünstigt durch das Wetter, die klimatischen Verhältnisse und dass die Kundinnen, scheinbar lieber in kleine Läden gehen, als in große. Wir haben recht kleine Läden, da fühlen sich die Kundinnen sicher. Die Umsätze in der vergangenen lagen 19 Prozent über der Vorjahreswoche.
Aber wir sind sehr verhalten mit Vorhersagen für die Zukunft. Bisher kann es eine ein- oder zweiwöchige Erholung sein, vielleicht haben die Kundinnen einen großen Nachholbedarf und Lust zum Einkaufen. Aufs Jahr erwarten wir ein Minus 20 Prozent.
Warum sehen Sie nach dem positven Start doch ein Minus bei der Jahresprognose?
Es kommt jetzt sicher auf die Disziplin der gesamten Gesellschaft an. Wenn sich die Infektionsraten verschlechtern würden, dann ist es ganz klar, dass die Umsatzzahlen wieder rückläufig sein werden und man sich auf Eventualitäten bis hin zu einem Lockdown einstellen muss. Wir hoffen, dass sich die Menschen vernünftig verhalten werden, und dass sich die Infektionsraten stabilisieren und rückläufig sein werden.
Wir sind vorsichtig mit unseren Einkäufen. Jeden Tag nehmen wir, wie er kommt. Ich bin überzeugt, dass wir in eine schwierige Wintersaison starten werden, weil man davon ausgeht, dass sich die Infektionsraten dann erhöhen werden. Das ist die große Unbekannte und die große Sorge.
Wie erging es Ihnen mit Ihren Lagerbeständen. Wie gehen Sie mit der weiteren Order um?
Dadurch, dass wir in einem Zwei-Wochen-Rhythmus arbeiten, haben wir einen relativ hohen Lagerumschlag und wir sind am 17. März, wo die Läden geschlossen haben, mit tiefen Lagerbeständen rein, die uns nicht sehr hoch belasten. Wir haben ja schon im Februar/März gesehen, dass die Geschäfte schwierig sind und haben dann keine Ware mehr disponiert. Jetzt bei der Eröffnung waren die Lagen auch noch tief, somit können wir jetzt sehr viel mit Hochsommer-Ware arbeiten und sukzessive die Lager erhöhen.
Können Sie auch das Geschäftsmodell von Anouk kurz erklären und wie Sie generell ihre Lagerhaltung betreiben?
Wir versuchen so spät wie möglich zu disponieren. Wir arbeiten mit Lieferanten, die uns innerhalb von zwei bis drei Wochen die Ware liefern. Bei der Wintersaison werden wir beispielsweise zuerst zu Please, Imperial und Dixie gehen und dort eine Erstbestückung machen, die 20 bis 30 Prozent von unserem Winterbudget abdeckt - da machen wir eine relativ große Bestellung bei Stoffhosen und Jeans. Dann im Juli gehen wir zu unseren Lieferanten in Italien und Paris - und bestellen dort vor allem die Oberteile Strick, Tops, T-Shirts. Dann können wir Ende Juli 35 bis 40 Prozent vom Winterbudget abdecken. Der Rest kommt dann monatlich, mit den Umsatzzahlen.
Mit dem Modell arbeiten wir schon einige Jahre. Damit sind wir auch erfolgreicher als der Markt, weil wir einen hohen Lagerumschlag haben und relativ weniger Abschreibungen.
Das Geschäftsmodell von Anouk erscheint für Händler in der jetzigen Situation günstig, aber wieweit machen Marken das mit?
Wir arbeiten auch mit Marken wie Vila von der Bestseller Group, aber das erschwert das Ganze. Dann werden wir das auch sehr reduzieren, weil zu lange im Voraus bestellt werden muss. Dann fährt man in die Wand, denn die Waren kommen auch, wenn die Läden geschlossen sind. Wir arbeiten in dem Sinne nicht mit bekannten Marken, wo man früh Vorbestellungen machen muss. Da sind wir strikt und haben darauf verzichtet in den letzten Jahren - aufgrund der Erfahrungen. Für ein Fast Fashion Konzept wie wir, ist es eigentlich ideal. Wir sind kein Markenkonzept mit Ware, wo man sechs Monate im Voraus bestellen muss. Das sind wir nicht und möchten wir auch nicht sein.
Wie gehen Sie mit dem Thema Rabatt um?
Die Ware, die wir eigentlich für März, April hätten verkaufen müssen, haben wir gleich abgeschrieben. Wir haben einen Mid-Season-Sale zur Eröffnung mit etwa 30 Prozent der Ware gemacht, das hat sich gut bewegt. Der Rest der Ware im Laden ist schon für April, Mai. Der Rest des Budgets von einem Drittel gebrauchen wir jetzt für den Sommer, je nach Umsatzverlauf. Wir gehen davon aus, dass es eine längere Sommersaison geben wird, dass wir bis Ende August noch viel Sommerware verkaufen werden.
Nach dem täglichen Geschäft zu den langfristigen Plänen. Warum kam es zu der Übernahme der Mehrheit durch Imperial?
Nachdem klar wurde, dass meine Kinder das Geschäft nicht übernehmen werden, haben wir im vergangenen Jahr mandatiert. Wir hatten zwei Offerten und haben entschieden, dass wir erst zu Imperial gehen. Wir haben uns dann sehr rasch im Dezember, Januar geeinigt. Es hat für beide gestimmt.
Sind Sie froh, den Käufer vor den Ladenschließungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie gefunden zu haben?
Der Fall im März mit Covid-19 und den Schließungen hat den Fall insofern ein bisschen verkompliziert als man sich physisch nicht mehr begegnen konnte, sondern über Telefonkonferenzen abschließen musste und wir auch so unterschrieben haben. Es war wirklich ein sehr sinnvolles Zusammengehen von zwei starken Partnern.
Finanziell sind wir sehr gut aufgestellt. Sicherlich hat der Lockdown auch an den Reserven gezehrt. Das Positive an diesem Zusammenschluss ist, dass wir einen Partner haben, der ganz auf unsere Bedürfnisse eingehen kann. Wir können sehr rasch auf die Trends eingehen und produzieren.
Nach dem Zusammenschluss nehmen Sie auch weitere Marken von Imperial auf. Wie möchten Sie das Sortiment weiter gestalten?
Die Marke Please, die sehr gut bei uns vertreten war mit 40 Prozent, wird jetzt ergänzt mit Dixie und Imperial. Zusammen sollte das in den kommenden zwei Jahren etwa 60 bis 65 Prozent unseres Sortiments sein. Anouk bleibt als Marke erhalten, wir sind ein Multibrand und die 35 Prozent werden wir weiterhin an verschiedenen Orten - Paris, Italien oder von Marken einkaufen.
Und werden Sie auch Modelabels rausnehmen?
Wir werden auch gewisse Marken rausnehmen, wir haben noch keinen definitiven Entscheid getroffen.
Während der Ladenschließungen gab es zuletzt einen Trend Richtung Onlinehandel, und Anouk plant auch mit Imperial einen eigenen Webshop. Wie geht es mit Ihren eigenen Läden weiter?
Wir werden per Herbst einen neuen Onlineshop haben. Wir arbeiten sehr intensiv daran. Das ist überlebenswichtig, das war ein Grund den richtigen Partner für die Zukunft zu haben. Die Entwicklung mit dem Risiko von Covid und zukünftigen Epidemien, die man nicht ausschließen kann, wird den Online-Handel verstärken. Aber ich glaube weiterhin an den Detailhandel und daran, dass Kunden weiterhin sehr gerne in die Stadt gehen. Es liegt an uns, ein Einkaufserlebnis zu offerieren. Der Detailhandel wird nicht aussterben, aber wird sich wohl redimensionieren,
Wie steht es mit den langfristigen Auswirkung der Coronavirus-Pandemie auf die Modebranche? Ist Modehandel ‘as usual’ jetzt vorbei?
Ich glaube nicht, dass er vorbei ist. Ich denke, dass sich die Modewelt neu erfinden muss - die ganze Problematik mit Fast Fashion und Sie kennen ja auch die Themen rundum Nachhaltigkeit. Der Markt muss um 30 Prozent schrumpfen, es gibt ein Überangebot zum Bedarf. Wir müssen wieder zu einem Niveau zurück, womit man noch Geld verdienen kann. Aber ich glaube, es wird immer Frauen und Männer geben, die Mode lieben.
Bild: Anouk