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Das Ende des analogen Gemischtwarenladens: Warum hybriden Brand Stores die Zukunft gehört

Von Gastautor

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Einzelhandel

Die aktuelle Krise im stationären Einzelhandel ist nicht allein der Corona-Krise geschuldet, sondern auch das Ergebnis eines langen Siechtums. Und ein Wecksignal für die Branche: Es ist höchste Zeit, Retail neu zu erfinden, argumentiert Martin Schnaack, Gründer und CEO der Agentur Avantgarde.

Die Innenstädte, Einkaufsstraßen und Zentren seit Ende des Corona-Shutdowns sind ein trauriger Anblick: Menschen mit Schutzmasken warten vor Shops, bis die Anzahl der Besucher dem offiziellen Hygienekonzept entspricht. Vor Betreten des Ladens desinfizieren sie sich sorgfältig die Hände, manche tragen auch Einweghandschuhe. Wer unter Beachtung der Corona-Schutzregeln shoppen geht, macht das nicht aus Vergnügen, sondern um seine To-do-Liste abzuarbeiten. Die Covid-19-Pandemie mit ihren strengen Kontaktregeln hat den Deutschen den Spaß am Einkaufen verdorben. Und dadurch dem stationären Einzelhandel eine tiefe Krise beschert – so lautet die offizielle Lesart. Aber ist das auch richtig?

Tatsache ist, dass der Shutdown zu Beginn der Corona-Pandemie den stationären Einzelhandel viel Geld gekostet hat. Tatsache ist auch, dass die Kunden nun, nach Beendigung der strengsten Kontaktbeschränkungen, deutlich weniger in die Geschäfte drängen als erhofft: Shopping mit Mund-Nasen-Schutz wollen die meisten Menschen nur hinter sich bringen. Es ist zum Gegenteil dessen geworden, was wir landläufig unter Einkaufserlebnis verstehen.

Drei Thesen zur Zukunft des Einzelhandels

Corona hat den Niedergang des stationären Einzelhandels vermutlich beschleunigt. Doch die kürzlichen Schließungen etwa von zahlreichen Karstadt-Filialen sind in Wahrheit Folge eines Siechtums, das bereits in den 90er Jahren begann. Denn der Customer will längst mehr als nur kaufen.

Um weiterhin eine Zukunft zu haben, muss sich der stationäre Einzelhandel dringend neu erfinden. Drei Thesen hierzu:

1. Echtes Vollsortiment gibt es nur online. Verglichen mit der Auswahl, die der Kunde in seinem Laptop oder Smartphone vorfindet, sieht jedes noch so große Kaufhaus armselig aus. Virtuelle Händler wie Amazon haben den althergebrachten Warenhäusern nicht nur die Kunden, sondern auch die Daseinsberechtigung genommen. Jeder Versuch, stationär in Konkurrenz zum Online-Angebot zu gehen, muss scheitern. Es wird Zeit, dass sich der Einzelhandel auf seinen USP besinnt: Produkte erlebbar zu machen.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Nike

2. Den Brand Stores gehört die Zukunft. Markenunternehmen haben sich bislang gerne darauf beschränkt, Ausstellungsfläche in den großen Gemischtwarenläden der Innenstädte zu besetzen. Doch das reicht nicht mehr aus. Markenunternehmen müssen in separaten Brand Stores sichtbar werden, in denen sie die Customer Journey nicht einem Warenhaus-Manager überlassen, sondern alle Touchpoints aus dem Markenkern heraus selbst gestalten und kontrollieren können. Nicht das Produkt selbst, sondern das Einkaufserlebnis rückt in den Mittelpunkt: Statt möglichst viel Ware pro Quadratmeter unterzubringen, wird die Ladenfläche zum Erlebnisraum. Der Point of Sale muss zum Point of Experience werden.

Sportartikel-Hersteller Nike etwa hat das verstanden. Mit 2400 Quadratmetern Fläche und vier Stockwerke hoch ist der neue Flagship-Store auf der Champs-Élysées schon optisch ein Statement. Innen dreht sich allerdings kaum etwas um den Produktverkauf selbst. Stattdessen offeriert das nach New York und Shanghai inzwischen dritte „House of Innovation“ Live-Sessions mit Sportexperten, digitale Dienstleistungen, einem Game-Room für Kinder, Personalisierungs- und Recyclingsprogramme sowie ein „SneakerLab“ im Untergeschoss. Nicht das Produkt selbst, sondern das Kundenerlebnis steht konsequent im Zentrum.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Showfields

3. Customer Experience ist Expertensache. Nicht jeder Markenhersteller kann oder will selbst einen Shop eröffnen. Durch das Wegsterben der großen Warenhäuser verlieren sie aber bis zu 50 Prozent ihrer bisherigen Ausstellungsfläche. Um weiterhin für Kunden sichtbar zu bleiben, müssen Alternativen gefunden werden. Das aus den USA stammende Konzept „Retail as a service“ – Handel als eine Dienstleistung – kann die Lücke schließen: Unternehmen mit dem Schwerpunkt Experience übernehmen im Auftrag der Hersteller die Platzierung der Produkte und machen diese erlebbar.

Beispiele sind etwa das Unternehmen Showfields, das in den USA eine komplette Mall betreibt und darin für eingemietete Markenunternehmen Shops gestaltet, in denen das Kundenerlebnis im Zentrum steht. Gekauft selbst wird online.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Burberry

Luxus-Retailer Burberry zeigt im chinesischen Shenzen auf, wohin die Reise im Einzelhandel gehen könnte. In Kooperation mit dem Digitalunternehmen Tencent ist dort ein digitalisierter Flagship-Store entstanden, in dem die reale und virtuelle Einkaufswelt miteinander verschmilzt. Kunden können die zehn Räume analog, aber auch digital in Form eines tierischen Avatars erkunden, der sich im Laufe des Einkaufserlebnisses sogar weiterentwickelt. Die beim virtuellen Bummel erworbene „Punkte“ als eine Art soziale Währung können noch vor Ort in exklusive Inhalte oder individuelle Experiences umgewandelt werden.

Shopping as a game: Das ist das Gegenteil von dem, was aktuell in deutschen Einkaufsstraßen zu beobachten ist. Und hat darüber hinaus den Vorteil, dass Avatare keinen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen.

Avantgarde ist ein globales Unternehmen mit dem Schwerpunkt Brand Experience, das Kreativität, Media und Technologie unter einem Dach vereint. An weltweit 11 Standorten schaffen Designer, Architekten, Strategen, Content Creator und Digitalspezialisten im präzisen Zusammenspiel innovative und holistische Markenerlebnisse.

Bild: Nike Rise Store in Shenzhen / Nike Newsroom

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