Londoner Design Museum feiert indischen Sari in neuer Modeausstellung
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Die Geschichte zwischen Indien und Großbritannien reicht Jahrhunderte zurück und doch wurde die erste große Ausstellung, die sich mit einem so typisch indischen Kleidungsstück wie dem Sari beschäftigt, erst am Freitag im Design Museum in London eröffnet.
Die Ausstellung “The Offbeat Sari” läuft bis zum 17. September und zeigt mehr als 60 Beispiele moderner Saris, die von Designer:innen und Ateliers aus ganz Indien ausgeliehen wurden. Unter den Ausstellungsstücken ist auch der allererste Sari, der auf der Met Gala 2022 getragen wurde, sowie Saris aus gewebtem Stahl und Distressed Denim.
Die von Priya Khanchandani, der Leiterin des Design Museums, kuratierte Ausstellung stellt eines der bekanntesten Kleidungsstücke der Welt in den Mittelpunkt und beleuchtet die Handwerkskunst, die hinter dem zeitgenössischen indischen Kleidungsstück steckt, sowie die “Moderevolution”, die der Sari zur Zeit durchmacht.
“Der Sari erlebt derzeit die wohl schnellste Neuerfindung in seiner 5.000-jährigen Geschichte”, sagt Khanchandani in einer Erklärung. “Das macht die Sari-Bewegung zu einer der wichtigsten globalen Modegeschichten unserer Zeit, über deren wahre Natur außerhalb Südasiens nur wenig bekannt ist. Gerade Frauen in den Städten, die den Sari früher nur mit Festlichkeiten verbanden, verwandeln ihn in frische, radikale Alltagskleidung, die sie befähigt, sich selbst auszudrücken, während Designer:innen mit seiner Materialität experimentieren und dabei auf grenzenlose Kreativität zurückgreifen.”
Der Sari, der üblicherweise aus einem einzigen, nicht genähten Stück Stoff besteht, das vier bis acht Meter lang sein kann, wurde im Laufe der Jahrtausende in Form und Faltenwurf angepasst. So wurde Identität, soziale Klasse, Geschmack und Funktion über Zeit und Geografie hinweg widergespiegelt. Auch wenn der Sari heute noch ein fester Bestandteil des indischen Lebens ist, wurde er doch in den letzten Jahrzehnten von vielen als zu traditionell oder zu unbequem als Alltagskleidung empfunden, insbesondere von jungen Menschen.
Ausstellung “The Offbeat Sari” eröffnet im Design Museum
In den letzten zehn Jahren wurde der Sari jedoch “wiederbelebt” und als Modeartikel aufgewertet. Viele indische Designer:innen experimentieren mit hybriden Formen wie Sari-Kleidern, vorgefertigten Saris und innovativen Materialien wie Stahl sowie mit modernen Stoffen wie Denim.
Diese Revolution wird auch von jungen Leuten in den Städten vorangetrieben, die den Sari früher nur mit festlichen Anlässen assoziierten, das vielseitige Kleidungsstück nun aber auch mit Turnschuhen auf dem Weg zur Arbeit tragen.
“Für mich und für viele andere ist der Sari von persönlicher und kultureller Bedeutung, aber er ist auch eine reiche, dynamische Leinwand für Innovationen, die die Vitalität und den Eklektizismus der indischen Kultur verkörpert”, fügte Khanchandani hinzu.
“Mit der Nachricht vom letzten Monat, dass Indien das bevölkerungsreichste Land der Welt geworden ist, ist die Bedeutung Indiens in der zeitgenössischen Kultur enorm, und der Sari stellt die unbestreitbare Vorstellungskraft und den Elan des Landes in den Vordergrund, während er die Relevanz des indischen Designs auf der globalen Bühne unterstreicht”, erklärt Khanchandani.
Design Museum zeigt mehr als 60 Saris
Die Ausstellung ist in drei Hauptbereiche unterteilt: “Transformation”, “Identität und Widerstand” und “neue Materialitäten”. Sie zeigt über 60 Saris von wachsenden globalen Marken und aufstrebenden Ateliers, darunter Abraham & Thakore, Raw Mango, Akaaro und NorBlackNorWhite sowie Amit Aggarwal, Huemn, Diksha Khanna, Bodice, Tarun Tahilian, Abu Jani Sandeep Khosla und Sabyasachi.
Im Ausstellungsbereich “Transformation” werden die Arbeiten der indischen Designer:innen hervorgehoben, die in den letzten Jahren für viel Experimentierfreude gesorgt haben, wie zum Beispiel ein mit Pailletten besetzter Sari von Abraham & Thakore, der aus ausgedienten Röntgenbildern aus Krankenhausabfällen geschnitten wurde, ein Denim-Sari von Diksha Khanna und ein lackierter Sari, der von der zeitgenössischen Künstlerin Bharti Kher um einen Sockel gewickelt wurde - eine Art konzeptionelles Spiel mit dem Sari.
Dies führt zu einem Bereich, der sich damit befasst, wie der Sari als Ausdruck von “Identität und Widerstand” gestaltet wird, von der Stärkung des weiblichen Körpers bis hin zur Verwendung des Sari sals Objekt des Protests. Zu den Beispielen gehören der rote Seidensari der tamilisch-schweizerischen Sängerin und Songschreiberin Priya Ragu, ein Sari mit Blockdruck, den der selbsternannte “Saree Man” Himanshu Verma trägt, und der “Arch”-Sari von Adavid, der mit einem Hemd der bangladeschischen Architektin und Verfechterin von Körperbewusstsein Sobia Ameen kombiniert wurde.
Es gibt auch Saris, die von Demonstrantinnen im ländlichen Indien wie der Gulabi (“Pink”) Gang, einer Selbstjustizgruppe für Frauen, und der Hargila Army, einer assamesischen Gruppe von Naturschützerinnen, als Protestmittel getragen werden. Es gibt sogar einen Abschnitt, der zeigt, wie junge Frauen Saris tragen, um zu klettern, Kricket zu spielen und Skateboard zu fahren (thematisiert etwa im Netflix-Film “Skater Girl” von 2021) .
Der letzte Bereich, “New Materialities”, befasst sich mit dem Sari als Textilie und zeigt die Komplexität der Sari-Handwerkskunst von Webarten, Mustern, Strukturen und Farben bis hin zu Oberflächenverzierungen. Ebenso werden hier nachhaltige Innovationen und Designer:innen vorgestellt, die neue Wege beschreiten. Dazu gehört ein goldener Sari der Luxusdesignerin mit gleichnamigem Label Rimzim Dadu, der aus haardünnen Edelstahldrähten gefertigt wurde, um eine goldene Welle zu erzeugen.
Zu den weiteren Höhepunkten der Ausstellung gehören eine Kopie des von Lady Gaga getragenen Sari aus Folienjersey von Tarun Tahiliani, der gerüschte Sari von Abu Jani Sandeep Khosla, den Bollywood-Star Deepika Padukone bei den Filmfestspielen in Cannes 2022 trug, sowie der erstmals bei der Met Gala getragene Sari, der von Sabyasachi entworfen und mit einem goldenen Schiaparelli-Mieder gestylt und von der Geschäftsfrau und Prominenten Natasha Poornawalla getragen wurde.
“Es gehört zur Aufgabe des Design Museums, die Welt, wie sie heute ist, über die Grenzen hinweg zu betrachten. “The Offbeat Sari” beleuchtet die Rolle des Designs in einer riesigen Modegeschichte, die außerhalb Indiens kaum bekannt ist, und bietet uns die Möglichkeit, gemeinsam mit unseren Partner:innen und Leihgeber:innen in Indien und der südasiatischen Diaspora hier über die Auswirkungen der indischen Modekreativität nachzudenken”, kommentiert Tim Marlow, Direktor des Design Museums.
“Indische Textilien werden seit langem in internationalen Museen ethnografisch erforscht, und wir freuen uns, dem britischen Publikum in diesem Sommer in London innovative indische Mode präsentieren zu können”, fügt Marlow hinzu.
Die Ausstellung "The Offbeat Sari" im Design Museum läuft noch bis zum 17. September 2023. Begleitend dazu wird das Taschenbuch “The Offbeat Sari: Indian Fashion Unravelled” im August 2023 erscheinen.
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.