Anita Tillmann: “Je digitaler wir werden, desto wichtiger das menschliche Zusammentreffen”
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Berlin, Berlin. Kommenden Montag läutet die Berliner Fashion Week den Anfang der Ordersaison in Deutschland ein. Ein Besuch auf den Modemessen der Premium Gruppe steht bei vielen Einkäufern oben auf der Liste. Ebenso wenig wegzudenken aus dem deutschen Modegeschäft ist deren Geschäftsführerin Anita Tillmann. Auch diese Saison steht sie nicht still.
Die Contemporary Messe Seek feiert im Januar ihr zehnjähriges Jubiläum und alle Hallen der Premium haben wir neu gemacht, erzählt Anita Tillmann, die Geschäftsführerin der Premium-Gruppe. Sie sprach mit FashionUnited auch über die Pause der Bright, die Rolle der Messen im digitalen Zeitalter und warum Brands heute ihre Geschichten schon am Stand erzählen müssen.
Wozu gibt es Modemessen noch, wenn sich Einkäufer heutzutage auch alles in Ruhe im Internet anschauen könnten?
Früher war das auf den Messen gehandelte Produkt die Kollektion. Dem ist nicht mehr so: heute traden wir immer mehr mit Emotionen und Geschichten. Wir setzen auf enge Beziehungen und schätzen den Face-to-Face-Austausch.
Je digitaler wir werden, desto wichtiger wird das menschliche Zusammentreffen und im selben Maße auch die Messen. Wir haben unsere Konzepte überarbeitet, verfeinert, neu angepasst. Unsere Hallenaufteilung wurde neu definiert und die Brands umgestellt. Wir fordern unsere Aussteller dazu auf, weniger Platz einzunehmen, weniger Kollektionen zu zeigen und sich im Gegenzug mehr auf Keylooks und Brand-Stories zu konzentrieren. Letztlich ist es das, was der Einkäufer heute braucht, um seiner Entscheidungsmüdigkeit entgegenzuwirken.
Warum sollen sich Brands mehr auf ihre Story konzentrieren?
Wir stellen uns derzeit dem folgenden Problem: das Womenswear-Segment ist homogen geworden. Es gibt keine klassischen Trends mehr, Einflüsse finden gleichzeitig und parallel statt und jeden Look gibt es in verschiedenen Preiskategorien. Das bedeutet, dass die Brand-Story wieder in den Vordergrund rückt. Die Einkäufer interessiert der Price Point, die Marge und was der Background des Labels ist. Emotionalisierung fängt bei uns auf der Messe an und nicht erst beim Endkonsumenten im Laden. Einkäufer müssen aktiv inspiriert werden und wissen: „das ist die Story, die meine Leute auf der Fläche erzählen“.
Klicken Sie durch den Zeitstrahl um mehr über die zehn Jahre Seek zu erfahren.
Fotos: Seek
Warum legt die Bright eine Pause im Januar ein?
Es gibt in der Skater-Szene genau zwei Gruppen: Die, die sich mit dem Lifestyle- und Fashion-Thema identifizieren können und deshalb auf die Seek ziehen; und dann gibt es diejenigen, für die das Skateboarden eine Haltung bedeutet und sich als Nische sehen. Besonders in dieser Sparte definiert sich der Markt gerade neu. Wir reden natürlich mit der Skater-Community und haben festgestellt, dass wir hier keine B2B-Messe erzwingen wollen. Die größeren Labels der Bright integrieren wir diese Saison in die Seek.
Die ganze Modebranche spricht von Nachhaltigkeit. Was kann eine Messe hier unternehmen?
Wir setzen in dieser Saison ein besonderes Augenmerk auf das Thema Nachhaltigkeit. Wir sehen Sustainability nicht als einen Trend an, sondern als eine Pflicht, bei der es aber nicht darum geht, von Anfang an alles richtig zu machen, sondern einfach mal anzufangen. Beispielsweise verzichten wir auf Goodie Bags für unsere Messebesucher um den Plastikmüll zu reduzieren. In Kooperation mit Ecoalf wird es eine wiederverwendbare Tasche geben. Das spanische Label hostet außerdem einen Talk über ökologische Fasern und innovative Materialien und inszeniert eine interaktive, anregende Kunstinstallation.
Neben Nachhaltigkeit ist Digitalisierung ein Thema, das die Branche umtreibt und auch Messeveranstalter nicht kalt lässt. Was ist die Idee hinter der Online-B2B Plattform Veee.com?
Wir wollen ganzjährig dafür sorgen, dass die richtigen Leute innerhalb der Branche zusammenfinden und Geschäfte machen können. Gerade die Digitalisierung spielt hier eine entscheidende Rolle, viele unserer Arbeitsprozesse sind mittlerweile digitalisiert. Sie ersetzt den klassischen Orderprozess, heißt: das halbjährliche, persönliche Treffen, das es auch so fast gar nicht mehr gibt. Wie also können wir den Ablauf für Einkäufer pragmatischer und effizienter gestalten?
Warum wurde Veee.com nicht als Teil der Premium-Gruppe gegründet sondern als unabhängige Plattform?
Lange haben wir geprüft, ob wir uns dieser wichtigen Sache alleine annehmen. Doch dann hätten wir den Fehler begangen, an dem schon viele andere gescheitert sind: es aus Messe-Sicht zu betrachten, also im halbjährlichen Zyklus und den – bewussten oder unbewussten – Drang, eine physische Komponente einbringen zu wollen, anstatt sich auf ein digitales Konzept zu fokussieren. Uns wurde also klar, dass wir eine unabhängige Plattform brauchen, die ganzjährig bespielt wird und auf die Bedürfnisse der Buyer eingeht.
Über die Premium :
- Kommende Ausgabe: 15.-17. Januar
- Besucher: 60.000
- Location: Station Berlin
- Hallenplan: H1 Casual styles and urban design, H2 Iconic design statements H3 A sophisticated assortment of style, H4 Smart casual, smart sportswear, H5 Commercially successful - clean and classy, H7 Premium’s peak of modern contemporary, H8 Affordable luxury and lifestyle
Foto: Anita Tillmann | Boris Krali