Premium: Entspanntere Stimmung zum Saisonauftakt
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Die Berliner Modemessen Premium und Seek begannen am Dienstag in entspannter Atmosphäre. Brands und Buyer gehen vorsichtig in die HW23-Saison, aber nach dem überraschend positiven Jahresende hat die Anspannung in der Modebranche deutlich nachgelassen.
Aufatmen am Saisonanfang
„Die Saison wird spannend und ist geprägt von einer extremen Vorsicht, weil keiner weiß, wie sich die Geschäfte tatsächlich entwickeln werden“, sagte Matthias Eckert, Geschäftsführer von Fynch Hatton. Der Einbruch der Geschäfte im November und Dezember sei aber nicht so eingetreten wie befürchtet, insbesondere stationäre Händler hätten gute Geschäfte gemacht, sagte er in einem Interview am Dienstag. Bei seinen Gesprächspartner:innen aus dem Handel reichen dementsprechend die Umsatzerwartungen für die laufende Saison von Minus zehn Prozent über pari bis zu einem leichten Plus. Er selbst blickt daher auch positiv in die Herbst-Winter-Saison.
Ähnlich sieht auch Pierre-Cardin-CEO Lür Holler die Lage. Anzüge und Formalwear hätten sich in der laufenden Herbst-Winter-Saison im Handel gut verkauft, Restbestände hätten sich trotz vorheriger Befürchtungen in diesem Segment kaum angesammelt. Für den kommenden Herbst/Winter erwartet das Mutterunternehmen Ahlers Gruppe ein einstelliges Umsatzwachstum gegenüber der Vorjahressaison.
„Ich glaube, dass nach Dezember die Stimmung ganz gut ist. Dezember war ja überraschenderweise ein ganz positiver Monat", sagte Steffen Jost, Geschäftsführer von Modehaus Jost. Die Läger im Modehandel seien aber noch unterschiedlich gefüllt, bis Ende Februar wird sich noch zeigen, wie viel übrig bleibt. Viele sind daher vorsichtig bei ihren Ordern. „In der heutigen Zeit, wo die liquiden Mittel nicht mehr ganz so locker wie vor der Krise sind, werden sich viele Händler sehr genau überlegen, was sie brauchen und nicht brauchen.”
20 Jahre Premium
Für den Messeveranstalter Premium ist diese Ausgabe besonders. Sie feiert ihr zwanzig Jahres Bestehen. „Als ich vor zwanzig Jahren die Premium gegründet habe, habe ich an alles gedacht, nur nicht daran, in 20 Jahren Jubiläum zu feiern“, sagte Anita Tillmann, Managing Director des Messeveranstalters Premium Gruppe. In den vergangenen Jahren sind viele Messen in Berlin gekommen und gegangen, ein Grund für die Premium Gruppe ihre Beständigkeit über die Zeit zu feiern, am Eingang kündigen große lilane Ballons vom 20. Geburtstag, dahinter blicken große Screens mit Fotos auf erinnernswerte Momente zurück.
In der Tat hat die Messe seit ihren Anfängen in einem Berliner U-Bahntunnel seit 2003 viele Umbrüche in der Modeindustrie mitgemacht. Die Anzahl der Ausstellenden auf Premium und Seek wuchs bis zur Pandemie auf zeitweilig über 1000 an. Jetzt, nach den Einschnitten der Pandemie, zeigen 500 Brands bis Donnerstag ihre Kollektionen auf den beiden Messen. Unter ihnen sind mehr als 30 Prozent neue Marken, schätzen die Messeveranstalter.
Die Anzahl der registrierten Einkäufer:innen und Besucher:innen sei gegenüber der vorherigen Sommerausgabe gestiegen, was angesichts des Krieges in der Ukraine und der steigenden Energiepreise vorher nicht absehbar war, sagte Tillmann am Dienstag in einem Interview. „Das hat in den letzten vier Wochen nochmal so stark angezogen, wir sind bis jetzt sehr zufrieden.” Um wie viel genau, kann sie am ersten Tag noch nicht sagen. Auch internationale Einkäufer:innen, beispielsweise aus Japan und Korea, haben sich angemeldet.
Tendenzen HW23
Unter den ausstellenden Bekleidungsmarken finden sich viele, die sich auf der Premium an ihre Kundschaft aus Deutschland oder dem nördlichen Europa richten. Das britische Retro-Label Re:covered Clothing hat beispielsweise neben deutschen, auch bereits mit Einkäuferinnen aus den Niederlanden, Polen und Israel gesprochen.
Insgesamt war am Dienstag in der Hallen der Streetwear-Messe Seek viel los, ebenso in der Womenswear-fokussierten Halle 2 der Premium. In den restlichen Hallen war es vergleichsweise ruhiger. Die Zusammenstellung der Labels in den verschiedenen Hallen nach Segmenten und Stil war im Vergleich zur Sommerausgabe strukturierter. Diese war im Juli von einigen aus der Modebranche für ihre etwas chaotische Zusammenstellung der Marken in den Räumen noch kritisiert worden.
„Einen Farbtopf, sehr viele schrille Farben sieht man auf der Premium. Hier auf der Seek sehen wir mehr Natur, Naturfasern und gedämpfte Farben wie Camouflage- oder Oliv-Grün und Vintage-Einflüsse”, fasste Mars Rijkse, Dozent für Fashionmanagement an der Fachschule LDT Nagold, die Trends auf den Messen zusammen.
Grüne Mode weiter im Fokus
Im Conscious-Bereich der Seek zeigten auch viele Marken mit Fokus auf Nachhaltigkeit, zusammengenommen mit der Premium sind es insgesamt 100. „Die Nachhaltigkeit ist hier in der Mitte angekommen, es kommen Leute aus dem konventionellen Handel, die sich für Nachhaltigkeit interessieren”, sagte Claudia Lanius, Gründerin des Modelabels Lanius am Dienstag.
Aber auch im grünen Bekleidungssegment bleiben die Labels vorsichtig optimistisch. „Es ist eine schwierige Zeit, auch für mich nach 28 Jahren, habe ich solche drei Jahre noch nicht erlebt”, sagt Claudia Lanius. Es sei ihr wichtig, Entscheidungen von ihren Kund:innen zu respektieren, die angesichts von Kaufzurückhaltung bei ihrer eigenen Kundschaft weniger ordern wollen. Für die HW23-Saison gehen ihre Handelsvertreter von Lanius von einem pari aus, Lanius selbst ist optimistischer und rechnet mit einem kleinen Wachstum.