Berlin Fashion Week H/W21 - Ein digitales Event, das Hoffnung macht
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Die Berliner Modewoche fand in diesem Januar 2021 komplett digital statt. Zuerst war noch ein hybrides Schauenformat geplant, dies machten jedoch rasant steigende Corona-Zahlen und ein erneuter Lockdown unmöglich, sodass umgesattelt werden musste.
Es hätte eine Renaissance der Berliner Modewoche werden sollen. Nach dem Paukenschlag der Premium Gruppe, die im vergangenen Juni ankündigte, nach Frankfurt umziehen zu wollen, waren in Berlin alle Register gezogen worden, um die Modewoche zu retten. Der Berliner Senat hatte für den Neustart ein Investitionspaket in Höhe von 3,5 Millionen Euro bereitgestellt. Doch statt eines fulminanten Festes gibt es nun - Videos auf Youtube.
Dass das bei Presse und Publikum nicht die gleiche Emotionalität erzeugt, wie eine Live-Modenschau, ist klar, aber den Kreativen gegenüber auch nicht fair. Im Gespräch mit FashionUnited brachte Modedesigner Kilian Kerner es auf den Punkt: „Was Nowadays [Anm. d. Redaktion: Die Produktionsagentur der Mercedes-Benz Fashion Week ] in den letzten Wochen geleistet hat, da muss man echt den Hut davor ziehen. Man macht sich gar keinen Begriff davon, wie viel Aufwand das ist unter den aktuellen Gegebenheiten eine Modenschau zu zeigen, wenn es auch „nur“ online ist. Ich finde es schade, dass dafür so wenig Wertschätzung da ist.“ Die Produktion dieser digitalen Fashion Week verlangt den Veranstaltern, Models, Designern und ihren Teams viel ab und das Ergebnis wird dennoch zwingend hinter dem zurückbleiben, was alle Beteiligten sich wünschen.
Die Frustration auf Seiten der Kreativen ist deshalb verständlich, jedoch lässt sich die Realität nicht beschönigen: Die Aufmerksamkeitsspanne des Online-Publikums kurz, und eine digitale Modewoche im Januar 2021 konkurriert mit TikTok, Clubhouse, dem Live-Stream der Amtseinführung Joe Bidens und dem E-Mail-Posteingang ihrer Besucher. So scheint es auch, dass sich zwar viele Menschen zu den Events anmelden, der Berlin Fashion Summit 202030 zählte in einer Zwischenbilanz am Samstag 1300 Registrierungen, die wirklichen Teilnehmerzahlen lagen dann aber deutlich darunter.
Den Überblick behalten wurde schwer
Dabei wurde dem interessierten Publikum wirklich viel geboten - zu viel vielleicht. Neben der Rückkehr des Berliner Salons sowie des neuen Formats Fashion Open Studios veranstaltete Highsnobiety eine immersive Gruppenausstellung unter dem Titel Berlin, Berlin, die PR-Agentur Reference Studios brachte Labels und Künstler zu einem interdisziplinären digitalen Raum zusammen, wie man ihn sich für eine analoge Berlin Fashion Week wünschen würde, und der Onlineshop About You stellte ebenfalls ein Celebrity-gespicktes Format namens Re-fashion Week auf die digitalen Beine. Über Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die Zukunft der Mode wurde beim 202030 Summit, beim Wear It Live-Format, sowie visuell beim Berlin Fashion Film Festival sinniert. Wer da den Überblick behalten wollte, musste, obwohl die Veranstalter ihr Möglichstes getan zu haben scheinen, gut organisiert sein. Einen kuratierten Überblick und einige Highlights zeigen wir Ihnen im zweiten Teil dieser Zusammenfassung, hier.
Eine Frage der Terminierung
Die Kritik an der Terminierung der Berlin Fashion Week hat Tradition. Seit Jahren fragt sich die Branche, warum sie immer zeitgleich mit den internationalen Schauenterminen stattfindet. So steht die Frage auch diesmal wieder im digitalen Raum, denn ohne die Abhängigkeit von den Messen hätte man den Termin zeitlich eigentlich flexibel wählen können. Weshalb überschneidet sich die digitale Berlin Fashion Week also dennoch mit der digitalen Mailänder und Pariser Männermodewoche? Oder ist es egal, wenn die Modewoche ohnehin on Demand verfügbar ist?
Grundsteinlegung für die Zukunft
Diese digitale Modewoche, sie war professionell und gut produziert, hatte tolle Namen im Gepäck, spannende Talks, vielversprechende Formate. Alle Akteure einmal so geeint an einem Strang ziehen zu sehen, ist ein erfreuliches Zeichen für die selbsternannte Modehauptstadt Berlin. Wenn sie es bleiben will, bleibt zu hoffen, dass sich der interdisziplinäre Geist (und der politische Wille), der Kunst, Digitales, Nachhaltigkeit und Aktivismus mit Mode vereint, auch in den hoffentlich folgenden analogen, oder hybriden, Post-Corona-Modewochen beinbehalten lässt.