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Besuch im Mountain Store: wie Decathlon den Nachhaltigkeitsberg erklimmen will

Von Ole Spötter

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Mode |Hintergrund

Decathlons 'Mountain Store' in Passy, Frankreich. Foto: Decathlon

Decathlon hat einiges vor, um sein nachhaltiges Image zu verbessern. Nachdem der französische Sportartikelhändler vergangenes Jahr wegen ungenauer Angaben zu seinen nachhaltigeren Produkten ins Visier einer niederländischen Aufsichtsbehörde geraten ist, hat das Unternehmen sich vorgenommen, dies zu verbessern.

Im Fokus der Untersuchung der Behörde standen besonders Produkte, die als “Ecodesign” ausgezeichnet sind. Aber was steckt wirklich hinter diesem Begriff? Um das herauszufinden, hat FashionUnited Decathlon im französischen Passy besucht. Dabei gab es Einblicke in ein Nearshoring-Projekt, das Konzept ‘Mountain Store’ sowie die Nachhaltigkeitsstrategien und -pläne.

Vom Design-Studio in den Laden: Der Mountain Store

Umrandet von Bergen – nahe dem Mount Blain – befindet sich der Decathlon Mountain Store. Seit 2014 werden dort auf einer Gesamtfläche von 14.000 Quadratmetern nicht nur Kund:innen empfangen, es passiert auch einiges hinter den Kulissen. Dazu gehören die Entwicklung und Verbesserung von Produkten für die drei lokal angesiedelten Eigenmarken Quechua, Forclaz und Wedze, um sie nachhaltiger und langlebiger zu machen, sowie ein unterirdischer “Ghost Store”. Dieser ist nicht für die Kundschaft gedacht, da dort Prototypen zu finden sind, und richtet sich mehr an das interne Merchandising-Team.

Quechua Entwicklungsbereich im Decathlon Mountain Store. Foto: FashionUnited

Decathlons Labs in Frankreich:

    Decathlon ist mit Entwicklungszentren und Eigenmarken über das gesamte Land verteilt. So befinden sich die Bergsport- und Skimarken in der Alpenregion, der Wassersport-Bereich in einem alten Fischmarkt in Hendaye, die Kategorie Radsport in der Region Lille und Tribord, die Segelmarke von Decathlon mit dem Starboard Saling Lab in La Rochelle an der Atlantikküste. Dadurch sind die Marken und Produkte genau dort, wo sie gebraucht und direkt im Gelände beziehungsweise Gewässer ausprobiert werden können.

Farbwand von Forclaz. Foto: FashionUnited

Für Decathlon geht es aber nicht nur um Sport, sondern auch darum, diese Leidenschaft in Einklang mit der Natur zu bringen – der Umgebung, in der sich die Sportler:innen befinden, erklärte Raffaele Duby, Sustainable Development Manager der Decathlon Group. Damit diese Botschaft auch bei der Kundschaft ankommt, wird am Standort Passy sowie an allen anderen Standorten – zumindest in Frankreich – direkt im Eingangsbereich über verschiedene Bemühungen informiert, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern. Der Mountain Store setzt auch auf ein intelligenteres Store-Design und bezieht 40 Prozent seines Energiebedarfs aus alternativen Quellen wie Solarpanels.

Informationstafel im Eingangsbereich des Mountain Stores. Foto: FashionUnited

Auf der Verkaufsfläche liegt der Fokus auf nachhaltig-orientierten Produkten, die bei Decathlon als “Ecodesign” ausgezeichnet sind. Ecodesign bedeutet für das Unternehmen, dass die Umwelt im gesamten Produktzyklus berücksichtigt wird. Dabei sollen neue oder angepasste Produkte die Umwelt weniger belasten. Was das für das jeweilige Produkt bedeutet, wird an den Preisschildern am Regal erläutert. Ein QR-Code bietet weitere Informationen zu dem Produkt.

Eigenmarken und Ecodesign in Deutschland:

Alle Produkte sollen Ecodesign werden

Um seinen ökologischen Fußabdruck zu mindern, hat sich Decathlon verschiedene Ziele gesetzt. Bis 2026 will das Unternehmen den CO2-Ausstoß gegenüber 2021 um 20 Prozent reduzieren. Dafür analysiert das Unternehmen seine gesamte Produktpalette und Abläufe. Teil der Strategie ist es auch, dass alle Produkte in den nächsten drei Jahren Ecodesigns werden. Neue Produkte werden nur noch als Ecodesign entworfen. Grund dafür ist, dass die Herstellung der Produkte für mehr als 80 Prozent der eigenen Umweltauswirkungen verantwortlich sind.

Foto: FashionUnited

Für Produkte aus Polyester verwendet das Unternehmen recyceltes Plastik aus PET-Flaschen – ein Material, das unter anderem wegen erneuter Freisetzung von Mikroplastik umstritten ist – sowie aus ausgedienten Textilien. Um als Ecodesign klassifiziert zu werden, muss das Hauptgewebe mindestens zu 70 Prozent aus recyceltem Polyester bestehen.

Aber auch Bio-Baumwolle – aus biologischem Anbau, ohne chemische Düngemittel, Pestizide oder den Anbau mit gentechnisch veränderten Organismen – oder recycelte Baumwolle gehören zu den möglichen Stoffen für ein Ecodesign. Auch bei Baumwolle gibt es einen Mindestanteil im Hauptgewebe, damit es als Ecodesign gilt. Bei Bio-Baumwolle sind es 90 Prozent, bei recycelter Baumwolle 28 Prozent.

Aber nicht nur das Material selbst kann der Grund dafür sein, dass das Produkt bei Decathlon als Ecodesign definiert wird. Auch Aspekte wie ein nachhaltiges Färbeverfahren sowie allgemeine Aspekte wie Langlebigkeit machen Produkte zum Ecodesign: Die Lebensdauer muss um mindestens 30 Prozent verlängert werden. Steht die Reparierbarkeit im Fokus des Ecodesign-Produkts, muss es für 80 Prozent der potentiellen Brüche und Ausfälle eine Lösung geben.

Die Entwicklungsbereiche der Eigenmarken umranden die Verkaufsfläche im Mountain Store. Foto: Decathlon

2022 erfüllten 23 Prozent der eigenen Produkte zumindest eines der Kriterien und sind als Ecodesign ausgezeichnet – in Deutschland waren es 18 Prozent. Die restliche Produktpalette soll neu entwickelt werden und die Auszeichnung erhalten. Allerdings ist das nicht immer möglich, wodurch die Entwickler:innen ein alternatives Produkt kreieren müssen.

Steiniger Weg für alternative Materialien

Bei der Eigenmarke Quechua hat man sich bereits vor mehr als zehn Jahren das erste Mal mit dem Thema auseinandergesetzt und sich mit Fleecejacken, einem der umsatzstärksten Produkte, beschäftigt. Diese kann mittlerweile zu 100 Prozent aus recyceltem Polyester gefertigt werden und das mit der gleichen Qualität und Eigenschaften.

Um zu diesem Ziel zu kommen hat es einige Zeit gedauert, das Verständnis für Recycling als Alternative zu schaffen, erklärt Emmanuelle François, die als Produktmanagerin für Womenswear im Bereich Natur-Wandern bei Quechua aktiv ist. Aber auch fehlendes Know-how und die Anpassung der Maschinen spielten dabei eine Rolle.

Quechua-Produkte, die bereits zum Ecodesign wurden. Foto: FashionUnited

Das Material der nachhaltigeren Fleecejacke ist etwa fünf Prozent teurer als die Variante aus nicht recyceltem Plastik, verursacht aber auch fünf Prozent weniger CO2-Ausstoß.

Teil der DNA von Decathlon ist es aber auch, Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Daher sollten die teureren Materialien bei Ecodesign nicht auf den Preis draufgeschlagen werden, doch das ist nicht immer möglich. Das Unternehmen versucht dann an anderen Stellen die Kosten zu senken. Als Beispiel dafür nennt François ein Regenjacken-Modell, das fast komplett aus recyceltem Polyester gefertigt wird. Das Team hatte die Befürchtung, dass der Preis für das Ecodesign zu teuer wird, woraufhin neue Absprachen mit den Produzenten in Marokko getroffen wurden.

So konnte zwar eine Jacke kreiert werden, die aus recycelten PET-Flaschen besteht, doch die Regenjacke selbst ist noch nicht zu 100 Prozent recycelbar. Grund dafür sind Details wie Reißverschlüsse und die wasserabweisende Beschichtung. Bis zu diesem Jahr sollen alle Wanderjacken als Ecodesign ausgezeichnet werden. Je nach Modell gibt es auch hier Unterschiede beim Anteil des recycelten Materials, was unter anderem für die Haptik eine Rolle spielt.

Bei T-Shirts ist der Einsatz von recycelter Baumwolle etwas schwieriger für François und ihr Team. Diese hat gegenüber normaler Baumwolle eine geringere Stapellänge, wodurch die Qualität gemindert wird. Daher wird ein Fasergemisch mit 30 Prozent recycelter Baumwolle eingesetzt. Es werde aber bereits daran gearbeitet, recycelte und nicht recycelte Baumwolle zu gleichen Teilen zu verarbeiten. Dazu kommt, dass gerade im Sportbereich wegen des Schweißes auch noch ein Anteil Polyester ergänzt wird. Auch hier werde bereits an einer Naturfaser-Alternative gearbeitet.

Insgesamt ist bei Mischgeweben allerdings das Problem, dass sie schwerer als Textilien aus einem einzigen Rohmaterial zu recyceln sind, da in der Regel die Bestandteile – wie Baumwolle und Polyester bei dem T-Shirt – von einander getrennt werden müssen.

Färbung und Material

Außerdem versucht Decathlon bei einigen Produkten in verschiedenen textilen Kategorien – dazu gehören Bekleidung und Zelte – alternative Färbeverfahren einzusetzen, die den Wasser- und Energieverbrauch einsparen sollen. Dafür wird die Spinnfärbung, bei der das Garn direkt eingefärbt wird, aber auch das Biton-Verfahren, bei dem nur jedes zweite Garn eingefärbt wird, eingesetzt. Naturfasern werden ebenfalls für einige Produkte verwendet. Diese müssen nicht extra eingefärbt werden. Außerdem setzt Decathlon auch die Kalt- sowie Trockenfärbung ein.

Bei der Färbung muss auch bedacht werden, dass verschiedene Färbungen unterschiedlichen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck haben. So verzichtet Quechua unter anderem auf Neonfarben bei ihren Zelten, erklärt eine Projektingenieurin, während sie im dazugehörigen Studio die neuesten Zelt-Entwicklungen vorstellt.

Entwicklungsbereich für Zelte und Schlafsäcke im Mountain Store. Foto: FashionUnited

Neben Energie- und Wasserverbrauch arbeiten die Entwicklungsteams auch daran, dass so wenig Material wie möglich verschwendet wird, aber das Produkt dennoch dem Design der Kreativen entspricht. Natürlich spielt auch die Qualität dabei eine Rolle und so entsteht ein “Balance-Akt” zwischen den Designenden und Produktentwickler:innen, die den Ball immer wieder übers Netz schlagen, bis das fertige Produkt optimiert wurde. Das kann im Bereich Outdoor-Equipment 18 Monate oder für komplizierte Stücke wie einem größeren “Zwei-Sekunden-Zelt” auch vier Jahre dauern.

Diese verschiedenen Erfahrungen, die die einzelnen Entwicklerteams und Eigenmarken machen, werden außerdem innerhalb der Gruppe an die anderen Teams weitergegeben, sodass auch diese sie für ihre Produkte einsetzen können.

Entwicklungsbereich für Zelte und Schlafsäcke im Mountain Store. Foto: FashionUnited

Langlebigkeit und Reparatur

Decathlon will aber auch, dass seine Produkte länger halten und so der Konsum verringert wird. So werden Produkte, die im Store zurückgegeben werden, anschließend von den Entwickler:innen analysiert. Dafür soll das Verkaufspersonal an den Service-Points mit der Kundschaft Reklamationsgrund genau besprechen, um es in eine Statistik einfließen zu lassen. Durch verschiedene Tests sollen Probleme bei Produkten vorgebeugt werden, bevor diese in den Handel gehen. Rucksäcke werden von Maschinen mehrfach und mit verschiedenen Stärken auseinander gezogen, um die Stabilität auf den Prüfstand zu stellen, und Zelte stehen unter anderem das ganze Jahr über auf Campingplätzen von Kooperationspartnern, um sie bei Wind und Wetter zu testen.

Bei vielen Ausrüstungsgegenständen wie Wanderrucksäcken bietet Decathlon mittlerweile einige Ersatzteile wie Schnallen und Beckengurt an, die dann von den Kund:innen selbst – mit Hilfe von einem Video – ausgetauscht werden können. Reparaturen können aber auch von Decathlon durchgeführt werden.

Mountain Store. Foto: Decathlon

Im Fall einer Retoure – egal ob in der Filiale oder online – werden die zurückgegebenen Produkte auf Funktionsfähigkeit und Zustand überprüft. Je nach Ergebnis der Überprüfung kann das Produkt anschließend wieder als Ware ins Sortiment zurück gehen oder als repariertes Secondhand-Produkt zu einem vergünstigten Preis angeboten werden. Retournierte Produkte werden bereits seit 2019 als ‘Second Use’-Stücke in den Stores und seit April 2022 auch online wieder angeboten. In Deutschland sollen zwischen 98 und 99 Prozent der retournierten Produkte wieder in den Neuverkauf gehen, so eine Sprecherin gegenüber FashionUnited.

Als relativ neuer Service bietet Decathlon auch das ‘Buy Back’-Programm an, das es Kund:innen erlaubt, einige bestimmte Produkte an Decathlon zurück zu verkaufen. Auch diese gehen dann nach anschließender Überprüfung wieder als ‘Second Use’ in den Verkauf. Die Dienstleistung wird für Fahrräder in 80 Stores angeboten, weitere Produkte werden an einzelnen Standorten getestet. So werden Skier in Plochingen, Golfschläger in Herne, Scooter in Baden-Baden, Fitnessgeräte in Saarlouis sowie Zelte in München im Rückverkauf angenommen.

Der Fokus liegt dabei aber auf Ausrüstung, nicht auf Bekleidung. Bei gebrauchter Sportkleidung habe das Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass sie weniger von der Kundschaft nachgefragt wird, heißt es aus der deutschen Zentrale in Plochingen. Diese können ihre gebrauchten Kleidungsstücke und Schuhe allerdings an vier deutschen Standorten abgeben, die dann von der Textilrecycling-Firma FWS, einer Tochter der Boer Group, recycelt oder zur Wiederverwendung genutzt werden.

Als relativ neuer Service bietet Decathlon in einigen französischen Stores auch einen Produkt-Verleih an. Dabei stehen je nach Region und lokalen Sportangebot – auf das auch das Sortiment ausgerichtet ist – verschiedene Produkte im Fokus. In den Alpen werden unter anderem Langlaufski und Bergsportausrüstung angeboten, die zumindest bei einer kurzen Leihdauer deutlich günstiger als der Kauf sind. In Deutschland gibt es diese Serviceleistung noch nicht. Eine Umsetzung werde aber langfristig geprüft.

Damit die Mitarbeitenden Serviceleistungen – Verleih, Reparaturen und ‘Buy Back’ – auch aktiv gegenüber den Kund:innen kommunizieren, werden diese mit Prämien motiviert. Erfüllen die Verkaufsmitarbeiter:innen also ein bestimmtes Ziel, das an den Umsatzanteil der Dienstleistungen in den jeweiligen Standorten gekoppelt ist, werden sie dafür auch belohnt. Ähnliche Konzepte gibt es im Unternehmen auch in Bereichen, die nicht im direkten Kundenkontakt stehen.

Nachhaltigere Kapsel – lokal produziert

Alle diese Aspekte, die für Decathlons Strategie für nachhaltigere Produkte eine wichtige Rolle spielen, wurden in einer besonderen Kollektion zusammengebracht. Zusätzlich setzt die Kapsel „Minimal Editions – Local“ noch auf Nearshoring.

Die Herren-Kollektion der Wandermarke Forclaz setzt auf einen Parka, einen Kapuzenpullover, eine Hose sowie eine Reisetasche, die strapazierfähig sowie funktional sind. Die Stücke werden in der EU – in Frankreich, Belgien, Italien und Portugal – hergestellt und verursachen durch ein optimiertes Schnittmuster weniger Verschnitt.

Optimiertes Schnittmuster für 'Minimal Editions – Local'. Foto: FashionUnited

Außerdem werden recycelte Materialien eingesetzt und die Produkte so konzipiert, dass eine einfachere Reparatur möglich ist. Die Hose, der Pullover und die Tasche sind ungefärbt und behalten die ursprüngliche Farbe des recycelten Produkts.

Im Gegensatz zu dem sonst großen Produktvolumen sind diese vier auf eine geringe Stückzahl limitiert. So gibt es nur 250 Parka, 800 Sweatjacken, 1500 Hosen und 500 Taschen. Allerdings sind die Produkte auch nur in Deutschland, der Schweiz und Frankreich erhältlich.

Produktion für Decathlons 'Minimal Editions – Local' in Europa. Fotos: FashionUnited

Gestartet wurde das Projekt 2019 und die Kapsel ist seit Oktober erhältlich. Dabei kosten die Stücke zwischen 89,99 Euro für die Hose und den Pullover sowie 249,99 Euro für die Jacke. Es ist nicht der erste Anlauf einer solchen „Minimal Editions”-Kapsel. Bereits im Frühjahr 2022 gab es die „Minimal Editions Undyed“, bei der für Trekking-Produkte auf das Färben verzichtet wurde.

FashionUnited wurde von Decathlon nach Passy eingeladen.

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