Biodesign: Die Zukunft der Mode wird in Zusammenarbeit mit der Natur gestaltet
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Ein niederländisches Modelabel will Modedesign und Biologie in Einklang bringen und den Designprozess auf den Kopf stellen – unter anderem mit Hilfe eines lebenden Sargs von Bob Hendrikx. Wie das gehen soll? Lesen Sie weiter, um es zu erfahren.
Nicht alle Kleidungsstücke sind gleich. Die Entscheidungen, die Designer:innen in Bezug auf den Stoff treffen, bestimmen unter anderem den Lebenszyklus des Produkts. Sicherlich ist es nicht die Absicht Modeschaffender, dass ihre Designs auf einer Mülldeponie landen. Die Realität sieht jedoch so aus. Denn zu viele Textilabfälle landen genau dort und brauchen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, um abgebaut zu werden. Orte wie der Secondhand-Markt in Accra, Ghana, sowie die illegalen Mülldeponien in der Atacama-Wüste in Chile sind der Beweis dafür.
Es liegt auf der Hand, dass diese Art von Design im Widerspruch zur Natur steht, denn in der Natur gibt es so etwas wie Abfall nicht. Für viele Modeschaffende ist dies eine entmutigende Realität, die jedoch als eine Einladung verstanden werden sollte, den Designprozess zu überdenken. Wie wäre es, wenn wir den Prozess umdrehen und mit dem Ziel beginnen, an dem das Produkt letztendlich landen wird?
Kampf gegen den Klimawandel
Kleidung landet auf Mülldeponien – die wiederum sind Quellen für Treibhausgasemissionen. Mehr Waren zu produzieren, ohne eine klare Vision von ihrem Lebensende, wird der Umwelt nichts Gutes tun. Außerdem ist die Modebranche, um die Changing Markets' Foundation zu zitieren, „süchtig nach fossilen Brennstoffen“, was die Organisation in ihrem Bericht mit dem Titel ‚Synthetics Anonymous‘ formuliert hat. Wenn wir als Industrie die Treibhausgasemissionen senken oder zumindest nicht erhöhen wollen, können wir dies nur durch eine Veränderung des Status Quo erreichen. Designansätze wie Upcycling sind auf dem Vormarsch, aber im Folgenden erfahren Sie, warum sie nicht das Allheilmittel gegen den Anstieg der Treibhausgase sind.
>Den Designprozess neu denken
Der Grund, warum ich den lebenden Sarg von Hendrikx eingangs erwähnt habe, ist, dass der Prozess immer bei den Materialien beginnt. Dieses besondere Produkt wird aus Mycelium hergestellt, der Wurzelstruktur von Pilzen, die in verschiedenen Formen und Dichten wachsen kann. Es scheint offensichtlich, dass der einzige Weg nach vorn in der Veränderung liegt, und dies ist ein Beispiel, wie sich diese Veränderung gestalten lassen könnte. Während traditionelle Designprozesse von der ästhetischen Vision der Designschaffenden ausgehen, könnte die wahre Zukunft des Designs bei den Materialien beginnen. Diese veränderte Denkweise eröffnet Möglichkeiten – wie zum Beispiel einen neuen Ansatz namens Biodesign. Der Autor des gleichnamigen Buches, William Myers, erklärt den Biodesign-Ansatz wie folgt: „Zur Natur gehen und versuchen, die Biologie in die Designprozesse und das fertige Produkt einzubeziehen.“
>Neue Wege der Herstellung
Wenn es um Modedesign geht, gibt es ein niederländisches Pionierunternehmen, das die Biologie in den Mittelpunkt des Designprozesses stellt. Haben Sie schon einmal von dem Begriff ‚Biofabrication‘ gehört? Das niederländische Unternehmen Neffa, das von der Designerin und Gründerin Aniela Hoitink geleitet wird, macht genau das. Es kreiert das Material und stellt sein Produkt am selben Ort her. Stellen Sie sich vor, dass Ihre nächste Handtasche an einem einzigen Ort hergestellt wird, von den Materialien bis hin zum letzten Schliff. Das ist es, woran Hoitink und ihr Team gearbeitet haben: eine One-Stop-Fabrik, in der Marken ihre Produkte mit einem minimalen, wenn nicht sogar negativen ökologischen Fußabdruck entwickeln lassen. Darüber hinaus macht diese Produktionslösung komplexe Lieferketten, Textilabfälle und hohe CO2-Emissionen überflüssig. Kürzlich hat Neffa begonnen, zu expandieren und Fabriken in anderen europäischen Ländern zu errichten. Noch in diesem Sommer soll es spannende Neuigkeiten von diesem Unternehmen geben.
Wechsel vom Konflikt zur Zusammenarbeit
Anstatt das Produkt so zu gestalten, dass es irgendwann auf der Mülldeponie landet und damit im Konflikt mit der Natur steht, ist es an der Zeit, eine Partnerschaft mit der Natur einzugehen. Design in Zusammenarbeit mit der Natur erfordert ein Verständnis für Lebewesen wie Bakterien und andere Mikroorganismen. Wie ich bereits erwähnt habe, muss der Designprozess auf den Kopf gestellt werden. Anstatt mit der Designästhetik zu beginnen, sollten Designer:innen mit den Materialien beginnen und deren Fähigkeiten verstehen, aus denen die Formen entstehen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine eher organische als strukturierte Herangehensweise an ihre Arbeit, aber eine, die ich nur als die Zukunft der Mode sehen kann, die sich von Mülldeponien befreit.
Wie fängt man mit Biodesign an?
Biodesign gibt es in vielen verschiedenen Formen, aber im Grunde beginnt es mit einem Verständnis für Lebewesen wie Mikroorganismen. Ein Buch, das ich sehr empfehle, ist ‚Biodesign‘ von William Myers. Für einen TED Talk empfehle ich Ihnen Neri Oxman (MIT Media Lab), Emma van der Leest (BlueCity biodesign lab), Suzanne Lee (Biofabricate) und Theanne Schiros (AlgiKnit). Für Modedesigner:innen, die sich für den Einstieg in das Biodesign interessieren, ist der Biodesign-Leitfaden der Stanford University eine gute Ressource für den Einstieg.
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ