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Denim recyceln: So gehen niederländische Jeansmarken vor

Von Anna Roos van Wijngaarden

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Mode|Hintergrund
Recycling bei Mud Jeans. Bild: Mud Jeans

Aus einer alten Jeans eine Neue machen – davon träumen nachhaltigere Modelabels schon seit geraumer Zeit. Da der Recyclingprozess sehr komplex ist, kommt die Entwicklung jedoch nur schleppend voran. Die niederländischen Labels Mud Jeans und Kings of Indigo arbeiten seit etwa einem Jahrzehnt an der Herstellung von nachhaltigem Denim und geben nun Einblicke in ihren Weg zur hundertprozentig recycelten Jeans.

Starke Fasern

Beide Brands sind bereits auf einem guten Weg. Kings of Indigo stellt schon jetzt Denim aus 100 Prozent recycelten Materialien her. Dafür werden zu 80 Prozent Pre-Consumer-Materialen oder Post-Industrial-Materialen genutzt, es handelt sich dabei vor allem um Stoffreste aus den Produktionsstätten. „Beim Zuschneiden von Schnittmustern bleiben immer Stoffreste übrig, oder es kommt vor, dass ein Produktionsfehler vorliegt. Dieses Material wird dann recycelt”, erklärt Nikki Bosboom, CSR-Verantwortliche bei Kings of Indigo.

Bosboom zufolge arbeitet das Label hart daran, den Anteil an Post-Consumer-Materialien zu erhöhen. Das bedeutet, die von den Kund:innen bereits getragene Kleidung in den Kreislauf zurückzuführen. „Das Material ist von geringerer Qualität, weil es viel getragen wurde und daher abgenutzter ist. Wenn der Stoff schon einmal in einem Produkt verwendet wurde, wird die Faser kürzer. Aber je länger sie ist, desto fester ist sie.”

Mud Jeans verwendet bereits 40 Prozent der Verbraucherabfälle und ergänzt diese mit Bio-Baumwolle. „Das ist der Abfall, der unsere Mülldeponien füllt und unsere Erde verschmutzt”, betont Lea Landsberg, CSR-Beauftragte von Mud Jeans. „Wir wollen das Problem am Ursprung angehen.”

Denim-Recycling bei Mud Jeans. Bild: Mud Jeans

Chemisches und mechanisches Recycling

Nach Aussage von Mariska Stolwijk, Produktmanagerin von Kings of Indigo, ist mechanisches Recycling aktuell die gängige Methode: Zunächst werden die gesammelten Textilien nach Material und Farbe sortiert. Diese werden dann in Form von kleinen Stoffstücken, sogenannten Clippings, dem Recyclingunternehmen zugeführt, wo sie in Fasern zerrissen und anschließend wieder in einen Faden umgewandelt werden. Um die kurze Faserlänge auszugleichen, wird ein recycelter Faden mit mehreren neuen Baumwollfäden verzwirnt.

Mud Jeans hat aber möglicherweise einen Weg gefunden, um diesen Schritt zu umgehen. „Gemeinsam mit der Saxion University haben wir die Kombination von mechanischen und chemischem Recycling entwickelt. Die entstehende Faser kann beliebig lang sein und man kann direkt die verschiedenen physikalischen Eigenschaften kombinieren – durch chemisches Recycling fühlt sich die Faser sehr weich an, mechanisch recycelt, fühlt sie sich eher wie ein typischer, rauer Jeansstoff an.” Das erste Jeans-Sample aus hundertprozentig recyceltem Post-Consumer-Denim ist bereits Realität.

Beim chemischen Recycling werden alte Fasern durch ein chemisches Lösungsmittel in Viskose umgewandelt – das Resultat ist zwar keine Baumwolle, aber die Fasern sind robust.

Doch wenn die Technologie vorhanden ist, warum wird sie noch nicht in einem größeren Maßstab eingesetzt? „Es muss sich um sehr sortenreine Abfälle handeln, die in das System eingespeist werden”, erklärt Landsberg, „doch davon haben wir nicht genug”. Für das Pilotprojekt verwendete Mud seine eigenen Jeans aus einheitlichen Rohmaterialien und guter Qualität. So funktioniert die Altkleidersammlung in der realen Welt jedoch nicht, betont Stolwijk von Kings of Indigo: „Alle alten Hosen werden einfach zusammengewürfelt: Unsere Jeans, aber auch die 20-Euro-Jeans von H&M und daraus ergibt sich eine andere Qualität. Das ist sehr frustrierend.”

Einheitliche Stoffe

Laut Landsberg ist es für die Recyclingunternehmen wichtig, dass die Abfälle so weit wie möglich aus einheitlichen Materialien bestehen, mit einem Mindestanteil von 96 Prozent Baumwolle. Oft fügen die Hersteller Elastan oder andere Fasern hinzu, um die Elastizität des Stoffes zu erhöhen. Metallteile wie beispielsweise Knöpfe erschweren den Prozess zusätzlich. Dann muss der obere Teil der Hose abgetrennt werden und es gehen 20 bis 30 Prozent des Stoffes verloren, den man hätte recyceln können.

Kings of Indigo setzt sich seit über einem Jahr aktiv für die Verwendung von sortenreinen Materialien ein. Stolwijk erklärt: „Beim Scannen erkennt der Recycler genau: Hier ist noch Polyester drin, hier noch Wolle, das ist Baumwolle und das ist gelb – so bekommt man eindeutige Gruppierungen. Wenn wir aber überall verschiedene Materialien hineinwerfen, werden diese Gruppen immer kleiner und die Recyclingunternehmen müssen alle möglichen Tests durchführen.”

Das kostet nicht nur Zeit und Geld, auch nicht jedes Recyclingunternehmen verfügt über solch ausgefeilte Technik. Oftmals werden die Stoffe dadurch zwangsläufig zu Isoliermaterial gedowncycelt – eine pure Verschwendung, denken auch die Verantwortlichen von Kings of Indigo. Bosboom zufolge werden derzeit Gespräche mit anderen Marken geführt, um eine gemeinsame Sammlung zu starten. „Man braucht eine großen Menge”, sagt sie. „Ich glaube, dass ist im Moment noch ein bisschen Wunschdenken.”

Weltreise

Faserlänge, Kapazitäten, Größenordnung und Reinheit sind die größten Herausforderungen, die eine weitreichende Ausbreitung des Recyclings verzögern. Doch auch der Transport muss eigentlich auf dieser Liste stehen. Mud Jeans hat einen Partner in Spanien, der die Hosen wiederverwertet und die recycelten Materialien nach Tunesien schickt, wo daraus neuer Denim entsteht. Kings of Indigo bezieht seinen Denim nicht selbst, sondern kauft recyceltes Material von einem Partner in der Türkei, wo auch die von dem Label genutzte Bio-Baumwolle wächst.

„Gewiss sehen wir auch hier eine Menge Greenwashing.”, sagt Stolwijk. „Marken geben gerne an, dass sie Produktionsstätten in Europa haben, aber inzwischen weiß die Häfte gar nicht mehr, woher ihre Stoffe kommen. Indien, Amerika und Brasilien sind beispielsweise sehr große Baumwoll-Länder. Wenn man in Europa produzieren will, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Produkt einen weiten Weg vor sich hat. Das Recycling ist dann noch ein zusätzlicher Schritt.”

Doppelte Bezahlung

Es gibt noch einen weiteren Haken beim Recycling: Was macht man mit einer recycelten Jeans nach ihrem zweiten Leben? Laut Landsberg ist ein chemisches Recycling theoretisch unendlich oft wiederholbar, doch zur Zeit ist nur das mechanische Recycling wirtschaftlich rentabel. „Wir müssen noch viel ausprobieren, um Denim länger am Leben zu erhalten”, so Stolwijk.

Finanziell wird dieses Experimentieren derzeit noch nicht belohnt. „Wenn wir 20 Prozent recyceltes Material in unsere Kleidungsstücke einarbeiten lassen, zahlen wir in der Regel keinen Aufpreis dafür”, sagt Stolwijk, „aber bei manchen Anbietern muss man 20 bis 50 Cent draufzahlen. Denim kostet zwischen drei und zehn Euro, das ist dann schon eine ganze Menge.”

„Die Kosten für die Logistik und den zusätzlichen Recycling-Schritt summieren sich definitiv”, sagt auch Landsberg. „Und dann gibt es noch das Problem der doppelten Besteuerung. Unser Geschäftsführer setzt sich dafür ein, dass wir dies ändern. Nimmt man ein Produkt, dass man auf eigene Kosten hergestellt hat, zur Wiederverwertung zurück, zahlt man dafür wieder Steuern, anstatt einen finanziellen Anreiz zu erhalten. Eine Steuersenkung könnte die Menschen tatsächlich davon überzeugen nachhaltig einzukaufen, denn sie könnten durch die Wahl von recycelten Produkten Geld sparen.”

Trotz aller Hindernisse ist Bosboom positiv gestimmt: „Wir sind der Meinung, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen sollten und glauben fest daran, dass sich die Branche verändern kann. Wir haben den Denim-Deal unterzeichnet und soeben erfahren, dass wir auf diese Weise bereits drei Millionen Jeans mit 20 Prozent recycelten Post-Consumer-Materialen in die Welt gebracht haben. Das sind sehr schöne Zahlen.”

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