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Investieren wir lieber in KI, weil sie sexier ist als innovative Materialien?

Von Gastautor:in

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Mode|KOMMENTAR
Bild: Mylo

Das US-amerikanische Unternehmen Bolt Threads, Hersteller des veganen Pilzleders Mylo, muss wegen mangelnder Finanzierung eine Pause einlegen. Das wirft die Frage auf, ob wir lieber in Künstliche Intelligenz investieren, weil sie sexier ist, als in innovative Materialien?

Als das Startup Bolt Threads 2018 das biobasierte Material Mylo auf den Markt brachte, wurde es als eine der nachhaltigsten Alternativen zu Tierleder gefeiert. Das lederähnliche Produkt wird aus Myzel hergestellt, das im Boden die Grundlage für Pilze bildet. Nachdem es dem Unternehmen nicht gelungen war, die für eine Ausweitung erforderliche Finanzierung zu sichern, legte es im Juni 2023 die Arbeit nieder.

Weltweites Lob und Co-Branding

Unterstützt wurde das Start-up von der britischen Modedesignerin Stella McCartney, die bewusst nie mit Leder, Pelz oder anderen Tierhäuten gearbeitet hat. Doch die Designerin ist sich bewusst, dass Alternativen nicht perfekt sind: Auch die Herstellung von Kunststoffen hat Auswirkungen auf die Umwelt, da sie aus Erdöl hergestellt werden. Aus diesem Grund hatte sie sich mit Bolt Threads zusammengetan und brachte 2021 die erste Mylo-Kollektion auf den Markt.

Der Luxuskonzern Kering, die Sportbekleidungsmarke Adidas und andere Marken investierten ebenfalls in das Unternehmen, aber selbst das weltweite Lob und die Beteiligung führender Marken erwiesen sich als unzureichend, um weiteres Wachstum zu ermöglichen. Die Skalierung ist heutzutage eine der teuersten und schwierigsten Herausforderungen für Unternehmen, und es gibt offenbar keinen Weg daran vorbei.

„Wir haben Mylo pausiert, um zu bewerten, was jetzt gut funktioniert und was in Zukunft funktionieren wird“, sagte CEO Dan Widmaier gegenüber Vogue Business.

Die Pandemie als (vorübergehender) Innovationsbeschleuniger

Nach der Pause schließt Bolt Threads bereits nicht mehr aus, die Technologie zu verkaufen, um Mylo wieder auf den Markt zu bringen. Und um die Welt weiter zu verändern, denn das ist dringend nötig.

Die notwendige abrupte Unterbrechung der globalen Lieferketten während der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 hat nicht nur das lokale Denken beflügelt, sondern auch die Suche nach neuen, nachhaltigen Materialien weiter stimuliert. Darüber hinaus ist die Welt von morgen von materieller Armut geprägt. Wenn die Weltbevölkerung, wie von den Vereinten Nationen vorausgesagt, bis 2050 die 10-Milliarden-Grenze erreicht, werden wir die natürlichen Ressourcen von fast drei Planeten benötigen, um unseren derzeitigen Lebensstil aufrechtzuerhalten.

Die Menschen sind sich bewusst, dass sie das Tempo des Überkonsums und der Überproduktion drosseln müssen, da unser Planet sonst zugrunde geht. In der kreativen Welt beobachten wir ein soziales Bewusstsein und die zunehmende Verwendung von gefundenen, recycelten oder (neu) gefundenen Materialien, die ein wichtiges emotionales Element darstellen.

Obwohl die Entwicklung alternativer Materialien in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat, scheint sich die Aufmerksamkeit der Investor:innen heute auf eine andere Neuheit zu richten. „Alle, denen es in den letzten 18 Monaten gelungen ist, Gelder einzusammeln, beschäftigen sich hauptsächlich mit Künstlicher Intelligenz“, so Widmaier.

Biomaterialien als Inspiration

Bolt Threads hat in der Welt der Materialinnovation Pionierarbeit geleistet und den Weg für andere bereitet. „Innovator:innen der nächsten Generation haben eine Vision, aber es liegt an Marken und Verbraucher:innen, den Wert der Unterstützung von Start-ups zu erkennen, die die Moderanche zum Besseren verändern“, verkündete das Team von Stella McCartney in einer Erklärung gegenüber Vogue Business.

Die materielle Knappheit der Zukunft fordert uns heraus, die Materialien und Rohstoffe, die wir heute verwenden, anders zu betrachten. Wenn sich Akteur:innen und Wissenschaftler:innen zusammentun, können sich neue, sogar lokale Möglichkeiten ergeben. Viele Designer:innen sind sich dessen bewusst, darunter Laura Lynn Jansen und Thomas Vailly sowie Violaine Buet.

Embryo aus Stein

Steine, Mineralien und Edelsteine werden abgebaut und dann zugeschnitten oder poliert. Aber was wäre, wenn wir diesen Prozess umkehren und dreidimensionale Steinobjekte züchten könnten, ohne sie abzubauen? Für ihr Forschungsprojekt „CaCo3“ haben sich Laura Lynn Jansen und Thomas Vailly mit Wissenschaftler:innen, Geolog:innen und Handwerker:innen zusammengetan,um die Möglichkeiten zu erforschen.

Das Ergebnis ist eine Kollektion von Tischobjekten. Um jedes Stück der Kollektion zu gestalten, legten die Designer:innen ein 3D-gedrucktes Nylonskelett in speziell ausgewählte thermomineralische Brunnen, in denen natürliche geologische Prozesse Kalziumkarbonat auf der Struktur ablagern - nach demselben natürlichen Prozess, der Stalagmiten und Stalaktiten in Höhlen bildet. Durch diesen Prozess erhielten sie ein Produkt mit ähnlichen Eigenschaften wie Terrakotta oder Porzellan

Gewebe aus dem Meer

Designerin Violaine Buet ließ sich von der Verwendung von Seetang inspirieren. Wie eine echte Handwerkerin „zähmt“ sie Seetang, den sie an den Stränden ihrer bretonischen Heimat findet. Weben, Tuften, Färben, Gravieren, Schneiden, Flechten, Prägen, Knüpfen, Bedrucken, Beobachten, Streicheln ... Ein wahrer Entdeckungsprozess, aus dem neue Textilien geboren und neue Verfahren gefunden werden.

„In der Veredelung von Algen sehe ich die Geburt einer neuen handwerklichen Disziplin. Ein Handwerk, das sich mit einem organischen Material beschäftigt, einem Faktor der biologischen Abbaubarkeit, einer nachhaltigen Ressource.“

Violaine Buet

Buet ist überzeugt, dass sich sehr schnell ein großes Interesse an Biomaterialien aus Seetang entwickeln könnte. Sie hofft jedoch, dass diese neue Beziehung zwischen Algen und Menschen eher ein langsameres Tempo annehmen wird, bei dem wir nicht auf schnelle Ergebnisse und Gewinne aus sind, sondern auf das langfristige Wohl.

Wenn Fantasie Wirklichkeit wird

Was einst wie Fantasie klang, ist seit einigen Jahren Realität: die Entwicklung neuer, nachhaltiger Materialien durch die Auseinandersetzung von Designer:innen mit der Welt der Biotechnologie und Landwirtschaft. Die Entwicklung neuer Materialien und ihre lokale Produktion können eine Lösung für die künftige Materialknappheit sein. Es wird eine neue, kurze Kette (wieder)eingeführt, die sich positiv auf die lokale Beschäftigung, die lokale Wirtschaft und die sozialen Beziehungen innerhalb der lokalen Gemeinschaft auswirken kann.

Daher sollte das Pausieren von Mylo ein Weckruf sein, weiter in die Entwicklung neuer nachhaltiger Materialien zu investieren.

Geschrieben von Katrien Meermans, Gründerin von Stille Bliksem PR & Kommunikationsagentur. Sie ist Expertin für Copywriting, PR- und Kommunikationsstrategie und Trendforschung.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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Mylo
Nachhaltige Textilinnovationen