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Jede Woche eine neue Fabrik: Myanmar macht der Textilindustrie Dampf

Von DPA

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Grüne Kragen, weiße Polohemden: zwei Riesenberge liegen neben der jungen Frau. Mit geübtem Griff legt sie die Stoffe aufeinander, die Nähmaschine rattert, die Naht ist akkurat und das Teil geht zur Kollegin weiter, die für die grünen Bündchen an den kurzen Ärmeln zuständig ist. Ein Ventilator bewegt die warme Luft. 400 Frauen arbeiten in der Textilfabrik Shweyi Zabe am Stadtrand der myanmarischen Hafenstadt Rangun, acht Stunden am Tag, Samstags vier.

Über Jobangebote können sie nicht klagen. Myanmar ist das neue heiße Pflaster für Textilfabriken. «Bei uns hat 2014 jede Woche eine neue Fabrik aufgemacht», sagt die Generalsekretärin des Textilverbandes MGMA, Khine Khine Nwe, der Deutschen Presse-Agentur. In gut 300 Fabriken arbeiten 200 000 Angestellte. «In zehn Jahren wollen wir 3000 Fabriken haben, die Exporte von einer Milliarde US-Dollar verzehnfachen und eine Million Arbeitsplätze bieten.» Das Nachbarland Bangladesch hat etwa 4000 Textilfabriken.

Chinesische, taiwanesische und südkoreanische Firmen kommen in Scharen. Shweyi Zabes Chefin Aye Aye Han klagt über Abwerbeaktionen der Konkurrenten, die ein paar Dollar mehr bieten. Bangladesch kämpft seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza vor zwei Jahren mit mehr als 1000 Toten um seinen Ruf als Textillieferant. Myanmar, nach Jahrzehnten der Militärdiktatur unter einer quasizivilen Regierung seit 2011 auf Öffnungskurs, wittert seine Chance.

Deutsche und andere europäische Textilhersteller, -händler und Experten haben sich gerade ein Bild vor Ort gemacht. «Die sind hier eindeutig in den Startlöchern», sagt Thomas Ballweg vom Modeverband GermanFashion. «Ich sehe richtig Potenzial - andere haben auch klein angefangen.» Die Fabriken seien auf den ersten Blick sicher gebaut - nur ein- oder zweistöckig, die Werkräume sauber, und Werksleiter für alle Verbesserungsvorschläge offen. Das sei nicht überall so.

Die Produktivität in Myanmar im Vergleich

Christian Maag leitet das Wäscheunternehmen ESGE aus dem schwäbischen Albstadt mit weltweit 1000 Mitarbeitern und Produktionen in Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Indien in vierter Generation. Er hilft Shweyi Zabe als eine Art Pate dabei, die Produktion zu modernisieren. ESGE stellte eine Software für die Produktionsplanung und -steuerung zur Verfügung, um Leerläufe zu verhindern und half bei der Einrichtung eines Computerprogrammes für den Zuschnitt, um den Stoffverbrauch zu reduzieren. «Wir haben unsere Produktivität seit 2013 um über 20 Prozent gesteigert», sagt die Chefin stolz.

Es ist aber noch viel zu tun: Experten schätzen die Produktivität in Myanmar auf gerade mal 50 Prozent der Werte in China. Dort sei die Produktivität zwar Spitze, aber die Löhne seien eben auch hoch. In keinem Land der Welt seien die Arbeitskosten so gering wie in Myanmar, hat die Consultingfirma Verisk Maplecroft ermittelt. Die Modefirmen Gap und H&M und Adidas produzieren dort schon.

«Es ist eine Art Entwicklungshilfe, aber auch mit Business-Gedanken», sagt Maag bei einem Rundgang durch Shweyi Zabe. «Wenn es gut läuft, platzieren wir auch Order.» Einen Testauftrag hat er erteilt, das Ergebnis war passabel, wie er sagt, mit Luft nach oben. Maag ist überzeugt: «Die Textilindustrie hier hat Zukunft».

Gefördert werden solche Patenschaften von Smart Myanmar, einem EU-Projekt, das beim Aufbau einer nachhaltigen Textilindustrie hilft. Die Ziele: sichere und soziale Arbeitsplätze, Energie sparen, Abfall recyceln, Wasserverbrauch reduzieren. Projektleiterin ist Simone Lehmann von Sequa, einer Organisation der deutschen Industrieverbände und der Entwicklungsorganisation GIZ zur Förderung von Zusammenarbeit zwischen Unternehmen aus Industrie- und Entwicklungsländern. «Unser Fokus sind kleine und mittelständische Unternehmen», sagt sie. «Wir unterstützen 16 der 80 Fabriken mit lokalem Management.»

Auch Lars Droemer, Manager für Nachhaltigkeit bei der schwedischen Mode-Firma Lindex, sieht die Entwicklung in Myanmar positiv. Er lobt den Verhaltenskodex, den die Textilindustrie verabschiedet hat. Er verbietet die Beschäftigung von unter 15-Jährigen, garantiert einen Mindestlohn, erlaubt Überstunden nur bis zu einer Wochenarbeitszeit von höchstens 60 Stunden und erlaubt Gewerkschaftsbildung.

«Wir sind an Myanmar interessiert, weil wir hier von Anfang die Standards mitgestalten können», sagt er. Seine Firma arbeite nach dem Prinzip: «People-Planet-Profit» - wenn die Sozialstandards stimmen, die Umwelt geschont wird und das Geschäft Gewinne abwirft, sei ein Land für Lindex interessant. Die heimische Industrie zu fördern, gehöre auch zur Nachhaltigkeit: «Ausländer bauen ihre Fabrik ab, wenn es woanders billiger wird, heimische Arbeitgeber nicht», sagt er.

Die Rosenheimer Dessous-Firma Anita ist seit 1997 in Myanmar. Ihre Fabrik in der Nähe von Rangun gilt als «Goldstandard»: Helles Licht, breite Gänge, sogar eine Klimaanlage. Überall stapeln sich BHs: weiße und hautfarbene Büstenhalter, gestreifte Bikinioberteile, dünne Teile mit schwarzer Spitze. Inhaber Georg Weber-Unger betreibt Anita in vierter Generation. Nach Myanmar kam er, nachdem ihn das Land bei einer Urlaubsreise fasziniert hatte. «Es ist schwierig, aber es macht Spaß», sagt er. «Was man braucht? Ausdauer, Geduld, und Geld.»

Heimische Mittelständler in Myanmar können bisher noch nicht genügend bieten

Noch können die heimischen Mittelständler in Myanmar praktisch nur nähen und verpacken. Große Auftraggeber verlangen aber mehr: sie wollen sich nicht selbst um die Stoff- und Fadenzulieferung, die Zollabwicklung und Verladung kümmern und verlangen Rundumservice. Daran arbeitet der Textilverband: «Wir brauchen Stoffwebereien in Myanmar, unsere Firmen brauchen Finanzierungsmöglichkeiten, Zollfreiheit für importierte Waren, die wieder exportiert werden, und wir brauchen mehr ausgebildete Näherinnen», sagt die Chefin.

«Wer sich im Textilsektor strategisch verändern oder sein Risiko streuen will, für den ist Myanmar interessant», sagt Textilexperte Ballweg. «Myanmar ist heute da, wo Bangladesch vor zehn Jahren war. Aber die Entwicklung läuft heute drei mal so schnell.» (DPA)

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