Magdalena Schaffrin: "Luxus, wie ich ihn verstehe, denkt Nachhaltigkeit mit"
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Magdalena Schaffrin ist eine von Deutschlands wichtigsten Nachhaltigkeitsakteuren. 2009 gründete sie, zusammen mit Jana Keller, den Green Showroom, der zur Berlin Fashion Week nachhaltige Mode präsentierte. Mittlerweile gehört dieser, ebenso wie die 2012 gegründete und von ihr mitkonzipierte Ethical Fashion Show Berlin, zur Messe Frankfurt. In diesem Jahr fand erstmals unter deren Schirm die Messe Neonyt statt, die beide Formate vereinte und bei der Magdalena Schaffrin als Creative Director tätig ist. FashionUnited sprach mit ihr über die vergangene Messeausgabe und wie sich die Mode und der Markt die Nachhaltigkeit betreffend verändern.
Jetzt, mit etwas zeitlichem Abstand: Wie war dein persönlicher Eindruck von der Neonyt?
Magdalena Schaffrin: Ganz zentral war für mich die unglaublich positive Stimmung auf der Veranstaltung. Das hat gezeigt, dass der Relaunch – neuer Name, neues Konzept, neue Strahlkraft – rundum gelungen ist.
Wofür steht der Name " neonyt eigentlich?
Der Name steht für den Wandel, den wir in der Modeindustrie vorantreiben wollen. Das Kunstwort leitet sich ab von dem altgriechischen Wort „neo“, also neu, revolutionär und dem skandinavischen Wort für neu, „nytt“. „Das erneuerte Neu“ – „neo“ bezieht sich gleichzeitig auf das Vergangene und interpretiert dieses Neu modern und zeitgemäß. Wir stehen für eine Veränderung im modischen Sinne. Dass das Konzept aufgeht, zeigt sich auch in den gestiegenen Besucherzahlen und dem vielen positiven Feedback – insbesondere für die Kampagne und die neue visuelle Kommunikation. Das freut mich sehr!
Was war gut, was kann verbessert werden?
Mit der Weiterentwicklung zum Hub haben wir die Veranstaltung auf ein neues Level gehoben. Wir merken, dass es einen immensen Informationsbedarf über das Thema Nachhaltigkeit gibt. Hier setzt unser umfangreiches Rahmenprogramm an, mit dem es uns sehr gut gelungen ist, die verschiedenen Communities einzubinden. Unabdingbar ist zudem der modische Fokus des Hubs. Sehr gut aufgenommen wurde diesbezüglich die modische Kuratierung der Labels der Neonyt Trade Show und der Neonyt Fashion Show. Das Konzept der Editorial Show mit über 50 teilnehmenden Brands aus der ganzen Welt spiegelt die Entwicklung wider, dass das Thema Nachhaltigkeit gerade enorm an Fahrt gewinnt und langsam auch in der High Fashion und in den Fashion Magazinen eine immer wichtigere Rolle spielt. Wir sind auf dem richtigen Weg, müssen aber international noch eine breitere Bekanntheit erlangen. Immerhin ist unser Konzept weltweit einmalig!
10-Year-Challenge: Wie hat sich der Markt seit 2009 verändert?
2009 war nachhaltige Mode noch eine Frage des Lifestyles – man erinnere sich an die Definition der neuen Zielgruppe der LOHAS. Heute ist es schlicht Notwendigkeit. Es reicht nicht mehr, ein bisschen grüner zu sein. Die Industrie – und langsam auch die Politik – haben erkannt, dass nachhaltigere Lieferketten und Produkte wichtig sind, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten und um drängende Probleme zu lösen.
Es hat sich viel getan – eher hinter den Kulissen, aber auch öffentlichkeitswirksam: Die Detox-Kampagne von Greenpeace hat das Bewusstsein für schädliche Chemikalien vor allem bei den Großen und im Sportswear-/Outdoor-Bereich auf die Agenda gesetzt. Das tragische Unglück von Rana Plaza, die darauf folgende Fashion Revolution-Kampagne und Initiativen wie Accord und nicht zuletzt auch das deutsche Textilbündnis haben die sozialen Aspekte in das Bewusstsein gespült. Darüber hinaus adressieren die Debatte über Kreislauffähigkeit und die entsprechenden Bewegungen wie die Gründung der Ellen McArthur Foundation das Thema Circularity wie nie zuvor.
Im Moment findet besonders die aktuelle Diskussion über Mikroplastik und generell Plastik in den Weltmeeren, die die Textilindustrie natürlich auch betrifft, ein breites Medienecho. Zudem haben sich breitere Allianzen gebildet bis hin zur UN, die das Thema Mode für 2019 auf die Agenda gesetzt hat.
Und wie haben sich die die Konsumenten verändert?
Das Bewusstsein der Konsumenten für ökologische und soziale Standards ist stark gestiegen. Die Themen sind in der Mitte der Gesellschaft und gerade auch deshalb in den Firmen angekommen.
Was ist gleich geblieben und frustriert dich am meisten?
Die Lippenbekenntnisse, denen keine Taten folgen. Und dass alles so lange dauert. Aber ich bin mittlerweile deutlich optimistischer, was das Tempo des Wandels angeht.
Wie haben sich deine Ansichten geändert bzw. was waren die spannendsten Einsichten?
Mit der Nachhaltigkeit ist es ja so: je tiefer man einsteigt, desto komplexer wird das Thema, desto schwieriger wird es, „einfache“ Antworten zu finden. Ich lerne weiterhin jeden Tag dazu und gebe mir Mühe, mein Wissen möglichst einfach und verständlich weiterzugeben. Dabei steht besonders ein Aspekt im Fokus: Ästhetik. Denn wir arbeiten ja in der Mode, einem eher emotionalen Medium. Auch wenn oder gerade weil der Hintergrund komplex ist, müssen wir die Menschen über die Bildsprache und die Freude an Mode, der „richtigen" Mode, erreichen.
Wenn du einen Tag allmächtig wärst, welche drei Probleme der Modeindustrie würdest du lösen?
Das wäre großartig! Als Erstes würde ich die Arbeitsbedingungen aller Menschen verbessern, die in den textilen Lieferketten arbeiten. Anschließend würde ich alle schädlichen Chemikalien und Inhaltsstoffe verbannen. Und als Drittes würde ich den übermäßigen Konsum abschaffen. Damit wir alle wieder mehr Zeit für die wichtigen Fragen im Leben haben und unsere Zeit nicht damit verbringen, neue Dinge anzuschaffen, zu verwalten und wieder loszuwerden.
Was sind deine persönlichen Lieblingslabels?
Oh, da kann ich mich gar nicht entscheiden. Ich bin froh, dass es inzwischen in jedem Bereich nachhaltige Alternativen gibt und tolle Labels am Start sind. Viele davon habe ich in meinem Buch "Fashion Made Fair"vorgestellt.
Neulich sagtest du, Luxushandtaschen seien "zum Teil Sondermüll" - ich fand das einen spannenden Gedanken. Was meintest du damit?
Ich habe auf PVC-beschichtete Lederhandtaschen abgezielt, die unter anderem auch von Luxusmarken verkauft werden. PVC ist ein Material, das nicht einfach im normalen Hausmüll entsorgt werden darf, sondern tatsächlich als Sondermüll. Zu erkennen sind die Taschen daran, dass ihre Oberfläche nicht offenporig ist, sondern eher plastikartig.
Und wie geht Luxus besser?
Der springende Punkt ist die Qualität. Für mich gehören dabei nachhaltige Aspekte wie zum Beispiel hochwertige Materialien ganz selbstverständlich dazu. Ich bin der Überzeugung, dass man nicht von guter Qualität sprechen kann, wenn schädliche Inhaltsstoffe verwendet werden oder die Menschen in der Lieferkette leiden. Im neuen Qualitätsbegriff, wie ich ihn verstehe, sind Nachhaltigkeitsaspekte inbegriffen.
Bilder: 1. Magdalena Schaffrin, 2. Neonyt Fashion Show, Messe Frankfurt GmbH/Zacharie Scheurer, 3. Kraftwerk Berlin /Neonyt/Messe Frankfurt Exhibition GmbH