Menswear: Farben für SS24 bekräftigen den "Wellness"-Trend
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Dunkelrot, Ozeanblau und ein vitalisierendes Grün sind die drei Schlüsselfarben der Männermode im Frühjahr/Sommer 2024. Das Farbspektrum wurde die von den Trendforschungsinstituten Carlin Creative, WGSN und Nelly Rodi für die kommende Sommersaison festgelegt. Diese Visionen decken sich mit den Prognosen der internationalen Textilmessen Première Vision und Texworld.
Kurz vor den Männermodewochen in London, Mailand und Paris scheint die Suche nach "Wellness", also "innerem Wohlbefinden", die Leitlinie zu sein. Der plötzliche Wandel in der Post-Covid-Ära hat die Lebensgewohnheiten der Verbraucher:innen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Stimmungen verändert. Laut WGSN spiegeln die Farben für Frühjahr/Sommer 2024 eine Zeit der Neuausrichtung wider, in der sich die Verbraucher:innen an die schnellen gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen anpassen werden. Unsicherheit wird jedoch aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Krisen eine dominierende Kraft bleiben.
Roter Faden deutet auf Schwierigkeiten hin
„Die Effizienz führt nicht mehr unsere Welt Geradlinigkeit ist nicht mehr Herrscher der Lage. Auch wenn der Weg noch unbekannt ist, wissen wir, dass er krumm erscheinen wird", so Louis Gérin und Grégory Lamaud, die Künstlerischen Leiter der Texworld. „Oft muss man den Bleistift laufen lassen, um ein Design zu skizzieren."
Dieser „gewundene Weg“ zeichnet sich durch ein dunkles Rot aus, das „Future Dusk“, die Farbe des Jahres 2025 vorwegnimmt. Unsichere und gebrochene Töne, zweideutige Pigmentierungen und gemischte Farben sind Zeugen dieses Zustandswechsels. Sie „beschwören Unruhe herauf und erheben den Zweifel zum kreativen Katalysator“, heißt es bei der Première Vision.
Visuell zeigt sich dies in der Dominanz von Rot: Karminrot, Ziegelrot, Purpurrot, Granatrot, Oxidrot, Rubinrot und Signalrot. Sie alle sind emotional einnehmend und bekräftigen die Wichtigkeit, aufgerüttelt zu werden. Laut WGSN steht die Farbe Rot in direktem Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit der (Selbst-)Fürsorge. „Radiant Red“ verkörpert das Bedürfnis, eine liebevollere, fürsorglichere und liebevollere Kultur zu pflegen.
Aber Rot steht natürlich und auch für Leidenschaft, wie Catherine Basquin, Leiterin des Textilstudios Nelly Rodi, betont: „Rot steht für Energie, das Brennen, die Idee, ein kollektives Fieber wiederzufinden, sich vom Konzeptuellen zu entfernen, um voller Urinstinkt und Authentizität wieder zum Leben zu erwachen“.
Blaue Töne sollen den Übergang in die Welt danach erleichtern
Ein Tauchgang in einem Ozean der Frische fasst den Durchbruch der Blautöne, den wir anlässlich der Première Vision im Februar 2023 klar erkannt haben, recht gut zusammen. Hier geht es darum, eine Farbe neu zu assoziieren, die traditionell mit dem männlichen Geschlecht in Zusammenhang gebracht wird, um sich in Richtung eines geschlechtsübergreifenden Tailoring zu bewegen. Die Trennung zwischen männlich und weiblich ist aktuell kein Trend, auch wenn die Damengarderobe aktuell eine ‚Refeminisierung‚‘ zu erfahren scheint.
Die verschiedenen Arten von Blau – Indigo, Yves Klein-Blau, Denimblau, Kobaltblau, Königsblau, Azurblau – erkunden das Bedürfnis nach Stabilität und Mäßigung. Die Menschen suchen nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit, insbesondere da die Digitalisierung Einzug in ihr tägliches Leben hält. Diese Suche kommt nicht am Einfluss des Sports auf die Lebensweise vorbei, zumal 2024 die Olympischen Spiele anstehen.
So schlägt es jedenfalls die Trendprognose von Carlin Creative vor: „Die Olympischen Spiele 2024 in Paris, werden die Erwartungen der Verbraucher:innen zum Ausdruck bringen, und Marken müssen diesen Werten folgen, indem sie einen athletisch-schicken Lebensstil anbieten“. Ein urbaner Deep Dive also, verbunden mit dem Wunsch nach einer Fair-Play-Kultur, die auf Inklusion, ökologischer Verantwortung und Zugänglichkeit beruht. „Die Sportkultur ermöglicht diesen Zugang zu einem besseren Wohlbefinden für alle“.
Blau, von Indigo bis Himmelblau, deutet auch auf ein Bedürfnis nach Horizont, Raum und Abstand zu den aktuellen Turbulenzen hin. Auch trifft es auf das Gefühl zu, dass wir ständig auf Unmittelbarkeit reagieren müssen, am Ball bleiben müssen, während paradoxerweise alles mehr Zeit braucht. Dies ist laut Nelly Rodi durch den Boom von Outdoor-Sport, Outdoor-Tourismus und dem Bedürfnis, in Bewegung zu sein, gekennzeichnet.
Schließlich spiegelt diese zweite Strömung, die an die Ozeane erinnert, der Texworld zufolge das Prinzip wider, dass „nichts stirbt, es ändert nur seine Form, seinen Nutzen und manchmal auch seinen Namen. Man muss wieder lernen, zu sehen. Sich tragen zu lassen. Die neuen Konturen der Welt zu akzeptieren“.
Grünes Licht für mehr Gelassenheit
Hier ist die Üppigkeit der Möglichkeiten die einzige Regel: Platz für das Loslassen, das Geschehen lassen und die Vorstellungskraft. Eine grüne Piste, wie bei den Skipisten, die am leichtesten zu befahren sind, bezeichnet unsere Fähigkeit, uns anzupassen. Natürlich kann man diese Farbe mit der Green Economy in Verbindung bringen, einem grünen Kapitalismus (ökologisch durchdachte Produkte an der Quelle), der diese Welt für alle lebenswerter machen würde.
Aber Achtung, für die Frühjahr/Sommer-Saison 2024 geht es darum, die Grenzen der von der Pflanzenwelt inspirierten Grüntöne – Salbei, Moos, Olive, Tanne – zu überwinden. Stattdessen wendet sich die Mode den kraftvollen Farbtönen zu, leuchtenden, intensiven und strahlenden Farben, die die Freude ausdrücken, sich zu versammeln, um gemeinsame Werte wie Respekt und Fairness zu feiern.
WGSN spricht von „Cyber Lime, einem durchdringenden Quasi-Neon, das in der Lage ist, Körper und Geist zu stimulieren und zu energetisieren“. Der Farbton drückt eine starke Verbindung zwischen Natur und Technologie aus. Er fordert dazu auf, der Natur mehr Bedeutung beizumessen, die neue Innovationen bei Farben und biologischen Materialien hervorbringt.
Ein starkes Grün also, minzig, zitronig oder gelblich (insbesondere bei Denim und Leinen), aber auch lindgrün, als Echo auf dieses „Everything Net“, in dem physische und digitale Realitäten austauschbar sind und organische Formen mit synthetischem Realismus vermischt werden.
Dieser säuerliche Aspekt wird durch Seladon- oder Jadegrün ausgedrückt, wie Nelly Rodi erklärt. Von Edelsteinen bis hin zu raffinierten Keramiken gehen diese Farbtöne Hand in Hand mit der homöopathischen Lithotherapie, die angeblich die Lebensfunktionen wieder ins Gleichgewicht bringt und zur Harmonisierung von Körper und Geist beiträgt, oder mit dem Wissen der lateinamerikanischen Heiler:innen. Sie erinnern an „eine uralte Pracht, die den Glanz in unsere moderne Gesellschaft zurückbringt“. Ein Hirngespinst? Vielleicht, aber man möchte daran glauben, daher diese grüne Einstellung, die wahrscheinlich von den Akteur:innen der Modebranche vom Anfang bis zum Ende mitgetragen wird.
Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ