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Sollten Marken politisch sein?

Von Jackie Mallon

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Mode|MEINUNG

In der heutigen gespaltenen Gesellschaft scheint das alte Sprichwort, nicht über Religion oder Politik zu sprechen, nicht mehr zu gelten. Während die beiden amerikanischen Parteien in dieser Woche in den Krieg zogen, stellt sich die Frage, ob Marken die Verantwortung haben, ihre politische Stimme zu erheben. Riskieren Marken, die sich nicht in der Politik engagieren, in dieser Ära für den modernen Verbraucher irrelevant zu werden - insbesondere für die Millennials, für die Gleichheit und soziale Gerechtigkeit wichtig sind und jeden ausgegebenen Dollar auf diese Werte überprüfen - und auf die Marken als Zielgruppe so scharf sind? Wenn Authentizität so wichtig ist, sollten die Werte einer Marke nicht stolz getragen werden?

Emanuel Chirico, Chairman und Chief Executive Officer der PVH Corp. ist sich dessen sicher: “Es gibt heute weltweit und vor allem in den USA eine Führungslücke", sagte er dem Publikum bei der Veranstaltung WWD Honors letzte Woche. "Als Führungskräft aus der Wirtschaft haben wir eine wichtige Rolle bei der Schließung dieses Vakuums zu spielen. Ich fordere uns alle auf, uns mit wichtigen Themen zu befassen, mit denen wir alle konfrontiert sind, und gemeinsam als Branche sicherzustellen, dass unsere Stimmen Gehör finden.”

Viele Marken, die auf aktuelle politische Geschehnisse reagieren, scheuen dennoch Parteilichkeit. Levi's hat zur “Rock The Vote-Initiative” mit Werbung und Merchandising beigetragen, ebenso wie New Balance mit seiner RunToThePolls-Kampagne und Tory Burch mit der Einführung ihres mit einem "Vote"-Plakat versehenen T-Shirts, dessen Erlös der Jugendaktivistengruppe "18 x 18" zugute kommt. Der Made in America Einzelhändler Bishop Collective garantiert jedem, der einen "Ich habe gewählt"-Aufkleber trägt, einen Rabatt von 15 Prozent in seinem Lower East Side Store.

Andere wollen offensichtlich nicht am Dialog teilhaben. Nicole Millers CEO, Bud Konheim, sagte zu WWD: “Wir sind im Bekleidungsgeschäft tätig. Wir mögen es, wenn der Schwerpunkt auf dem Stil liegt und auf gutem Design, guter Verarbeitung - nicht auf der Politik... irgendwer würde dadurch immer beleidigt sein.” Doch ist den Eindruck zu erwecken, niemanden beleidigen zu wollen, nicht eine Botschaft, dass man den Dollar über die Demokratie stellt? Angst vor dem Backlash kann als Feigheit gewertet werden, wenn für beide Seiten so viel auf auf dem Spiel steht.

Verbraucher vertrauen Marken mehr als der Regierung

Ein aktueller Bericht von Edelman Earned Brand besagt, dass 64 Prozent der US-Verbraucher mehr Vertrauen in Unternehmen haben als in die Regierung und beschreibt “belief-driven buyers” (Kunden, deren Kaufantrieb in diesem Vertrauen begründet liegt) - ein Verbraucherphänomen, das 2017 auftrat. Es handelt sich dabei um Käufer, die “eine Marke aufgrund ihrer Position zu gesellschaftlichen Themen auswählen, umtauschen, vermeiden oder boykottieren".

Die Designerin Rachel Comey trägt ihre politische Orientierung offen nach außen, unterstützt die Midterm-Kampagnen SwingLeft und Downtown for Democracy und organisiert Busse, um Wähler von ihrem Laden in Manhattan in die nahe gelegenen Swing States zu befördern. Abgesehen von einigen verärgerten Einzelpersonen, die ihre Turnschuhe verbrennen, sind die Gewinne von Nike, nachdem die Marke ihre Kampagne mit dem umstrittenen NFL-Athleten Colin Kaepernick gestartet hat, deutlich gestiegen, wobei die Aktien den höchsten Stand aller Zeiten erreichten. Dieser Schritt des Unternehmens erwies sich als eine strategische Investition, die sich an eine Jugend richtet, die Turnschuhe begeistert beobachtet, kauft und wie besessen damit handelt, und nicht an den konservativeren, älteren Käufer, der nur dann in neue Laufschuhe investiert, wenn die alten ersetzt werden müssen. Große Unternehmen könnten besser strukturiert sein, um negativen Reaktionen standzuhalten, als verwundbare kleinere Marken. Wie also steht eine Marke für etwas ein und vermeidet den Abstieg?

Erfolgsstrategien für Marken, die sich politisch engagieren wollen

”Man muss keine negative Message senden", sagte Anjelica Triola, Mitbegründerin von Creative Caucus, einer kollaborativen Gemeinschaft, die progressive Führung schmiedet, letzte Woche bei der Decoded Future New York Konferenz. "Wenn Sie ein Privatunternehmen sind, können Sie Kontroversen anfachen, ohne sich um Aktionäre zu kümmern, aber als große Marke können Sie sich entscheiden, ein optimistischer Aktivist zu sein." Die Beseitigung von Parteilichkeit sei eine Strategie, um sinnvoll zu kommunizieren. "Wir sollten die Dualität, ob der Kunde Demokrat oder Republikaner ist, abschaffen. Es gibt eine große Gruppe in der Mitte, die nur praktische Bedenken hat, die es zu lösen gilt."

Spenden für gemeinnützige Zwecke, Partnerschaften mit Wohltätigkeitsorganisationen, die Entwicklung des von Toms populär gemachten One-for-One-Modells sind Möglichkeiten für Marken, bestimmten Gemeinschaften oder gemeinsamen Werten die Treue zu halten und gleichzeitig die aktuelle politische Feindschaft zu überwinden, die viele als frustrierend empfinden. Jede Unstimmigkeit zwischen Botschaft und Aktion ist jedoch inakzeptabel, und Marken, die sich auf heiße Themen zu rein kommerziellen Zwecken einlassen, werden enttarnt. Das Beispiel der Pepsi-Werbung, in der Kendall Jenner einem Polizisten eine Dose Cola anbietet, während er von Aktivisten umgeben ist, die Banner mit mehrdeutigen Slogans tragen, ist ein leicht durchschaubares Lippenbekenntnis zu einer Zeit, in der landesweite Proteste gegen die Brutalität der Polizei wüteten. Solche Fehler sind unentschuldbar, glaubt Triola: “Marken müssen die richtigen Leute am Steuer haben. Vieles spricht dafür Vielfalt in Ihrem Team zu haben, und wenn nicht, sollten Sie Berater hinzuziehen, die Ihnen helfen, sensibler zu sein, wenn Sie beabsichtigen, etwas Politisches zu tun.”

Patagonia, die selbsternannte "Activist's Company", hat seit ihrer Gründung Wirtschaft und Politik verschmolzen und verklagt Donald Trump derzeit wegen seiner Pläne, Landstriche in zwei von Utahs Nationalparks zu reduzieren. Eine Stunde nach Bekanntgabe der Pläne des Präsidenten hatte die Marke ihre Homepage mit der Mitteilung "The President Stole Your Land" aktualisiert. Das private Unternehmen wurde von Yvon Chouinard, einem Bergsteiger-Zen-Buddhisten, gegründet, der CNN einst sagte: "Diese Regierung ist böse, und ich werde mich nicht zurücklehnen und das Böse gewinnen lassen", hat einen Backlash namens #BoycottPatagonia erlebt, doch Chouinard bleibt unbeirrt. Das Unternehmen nimmt eine einzigartige Position ein, weil es seine Umsätze und Gewinne in den letzten zehn Jahren vervierfachen konnte und dabei rund 90 Millionen US-Dollar an Umweltprojekte spendete.

Nach den Zwischenwahlen wird die Polarisierung wahrscheinlich nicht verschwinden. Wenn überhaupt, werden die Ergebnisse sie nur noch verstärken. Marshal Cohen, der Chefberater des Marktanalyseunternehmens NPD, kommentiert eine aktuelle Studie und prognostiziert, dass "der Aktivismus in die bevorstehende Weihnachtszeit fortgesetzt werden wird, insbesondere bei jüngeren Verbrauchern". Obgleich viele die sozialen und ökologischen Ansichten jüngerer Verbraucher ignorieren mögen, tun sie dies auf eigene Gefahr."

Marken, ihr wurdet gewarnt.

Dies ist eine Übersetzung eines englischen Beitrags von Jackie Mallon. Jackie Mallon lehrt Mode in New York und ist die Autorin des Buches ‚Silk for the Feed Dogs’, ein Roman, der in der internationalen Modeindustrie spielt. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Fotos: patagonia.com, Levi.com

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