Decathlon-Digitalchefin: „Alle losen Enden verbinden”
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Decathlon ist zurück ans Reißbrett gegangen und hat eine neue Vision zu Papier gebracht. Der französische Sportmodehändler will sich als „Multi-Spezialist:innen-Unternehmen“ unter dem Motto „Move People through the Wonders of Sports“ weiterentwickeln. Teil der neuen Strategie ist die Digitalisierung. FashionUnited sprach anlässlich der Strategievorstellung in Paris mit Chief Digital Officer Jimena Almendares.
Jimena Almendares ist seit August 2023 als Chief Digital Officer bei Decathlon beschäftigt. Sie kam von der Tech-Firma Meta, wo sie in die Kund:innenerfahrungen für jede Meta-App (Whatsapp, Instagram, Facebook usw.) eingeführt wurde. Eine interessante Rolle, sagt sie, da die Komplexität zwischen Nutzer:innen wie Werbetreibenden, Influencer:innen und App-Nutzer:innen offensichtlich war. Kurz gesagt, sie hat die Technologie im Herzen des Silicon Valley [wo Meta seinen Sitz hat, Anm. d. Red.] kennengelernt: „Jetzt verbinde ich diese Technologie mit den Herzen der Unternehmen, in diesem Fall Decathlon, damit wir mehr Menschen erreichen können. Es geht nicht nur um diejenigen, die Sport treiben, sondern um diejenigen, die unsere gesamte Sporterfahrung erleben.“
Die Digitalisierung ist Teil der neuen Aktivitäten von Decathlon. Können Sie etwas mehr dazu sagen?
Als ich bei Decathlon anfing, fehlte die Möglichkeit, die Digitalisierung in den Dienst des Unternehmens zu stellen. Meine Aufgabe ist es nun, die Digitalisierung zur neuen Normalität zu machen. Wir tun das auf verschiedene Weise. Zunächst einmal helfen wir unseren Teamkolleg:innen, schneller zu werden. Wenn man zum Beispiel ein Sportprodukt entwerfen will, muss man eine Menge Daten sammeln, um herauszufinden, welche Art von Produkten die Menschen brauchen, wie viele Produkte in einer bestimmten Farbe hergestellt werden sollen und so weiter. Tatsächlich statten wir unser Sportteam jetzt mit den neuesten (KI-)Technologien aus, um sie in ihrer täglichen Arbeit flexibler zu machen. (lacht) Sie werden niemanden mehr sehen, der Vorhersagen oder Prognosen mit Excel erstellt, das kann jetzt viel einfacher gemacht werden.
Zweitens gibt es das ‘Off-me’-Erlebnis. Decathlon hat einst mit einem Ladengeschäft begonnen, aber heute wollen Verbraucher:innen in der Lage sein, eine Bestellung mit ihrem Mobiltelefon im Laden aufzugeben. Wir haben vor kurzem die ‘Entdeckungsstation’ [als Teil des neuen Ladenkonzepts] eingeführt. Hier kann man nicht nur Produkte vergleichen, sondern es wird auch erklärt, warum ein Produkt auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet ist. Diese Information ist heutzutage Gold wert.
Vor zwei Jahren trafen wir die strategische Entscheidung, unsere Lieferkette zu digitalisieren, und begannen mit der Entwicklung von KI-Algorithmen für viele Anwendungsfälle wie Prognosen, Produktplanung und Bestandsparameter. Bislang konnten wir die Genauigkeit unserer Prognosen europaweit um acht Prozent steigern und unsere Lagerbestände zwischen 2022 und 2023 um 30 Tage reduzieren. Und das sind noch nicht alle Vorteile - diese Verbesserungen helfen uns auch, unsere Transportkosten, den CO2-Fußabdruck und die Lieferzeiten zu reduzieren. Wir werden unsere Initiativen für eine digitale Lieferkette weiter vorantreiben, indem wir intelligente End-to-End-Lösungen entwickeln, die uns helfen, eine bessere Leistung zu erzielen.
Dann haben wir die Apps. Nicht alle werden es wissen, aber Decathlon hat 40 Sport-Apps. Eine App hilft Ihnen, Wanderrouten zu verfolgen, eine andere hilft dabei, Ihre Fitness zu verbessern. Das Problem: Die Apps waren nicht Teil des Omni-Channel-Commerce. Unser Ziel ist es nun, alles zu kombinieren. Zum Beispiel werden Sie bald in der Lage sein, Ihre Laufstrecken zu verfolgen und ein Signal zu erhalten, wenn Sie Ihre Schuhe wechseln müssen. Dann können wir Ihnen Schuhe empfehlen, die zu Ihrer Bewegung passen.
(Begeistert) Bei dieser digitalen Transformation sehen wir, dass Decathlon alle losen Enden verbindet, denn wir hatten bereits alle Zutaten für ein gut funktionierendes Produkt.
Digitalisierung kostet Geld. Wie viel investiert Decathlon in diese Komponente?
Wir wissen, dass Technologie eine Menge Innovationen mit sich bringt. Wir wollen, dass die Verbraucher:innen unsere Produkte auf eine gute und jetzt neue Weise erleben können. Dabei ist es wichtig, dass alles verständlich und zugänglich gemacht wird. Deshalb investieren wir weiterhin stark in diesen Bereich.
Letztes Jahr haben wir im Vergleich zum Vorjahr 34 Prozent in die Digitalisierung investiert. So haben wir etwa 450 Ingenieur:innen und Mitarbeitende mit digitalen Kenntnissen eingestellt. Das ist ungefähr so viel wie im Jahr zuvor.
Decathlon hat letztes Jahr ein Green-IT-Team zusammengestellt. Was genau macht dieses Team?
Das Green-IT-Team sorgt dafür, dass alles, was wir tun, einschließlich der von uns genutzten Dienste, nachhaltig ist. Das Problem bei Technologieunternehmen ist, dass sie viel Strom verbrauchen. Decathlon geht also über die Reduzierung der CO2-Emissionen von (physischen) Produkten hinaus.
Dieses engagierte Team arbeitet auch an „grüner KI“ und fügt neue Dienste zu den Online-Erfahrungen hinzu. Zum Beispiel kann man jetzt ein Fahrrad online mieten, anstatt es zu kaufen, und wir machen unsere Optionen für den Verkauf, die Vermietung und das Leasing von Gebrauchtfahrzeugen bekannt, um die Verbraucher:innen zu sensibilisieren. Kurz gesagt, wenn wir von ‘grün’ sprechen, meinen wir damit die Dinge, die wir in Bezug auf Technologie selbst tun können.
Was sind die Herausforderungen der Digitalisierung?
Kurzfristig können wir eine Menge verbessern. Langfristig sollten wir die Verbesserungen, die wir vornehmen können, nicht aus den Augen verlieren. Die Technologie verändert sich ständig, und man muss als Unternehmen mit ihr Schritt halten können, wenn man wirklich erfolgreich sein will. Wir haben uns zum Beispiel entschieden, unser Engagement im Bereich der generativen KI zu verdoppeln. Es gibt jetzt ein sehr großes Team, das an den Technologien forscht, von denen wir wissen, dass sie uns helfen werden. Die Entwicklung und Implementierung nimmt viel Zeit in Anspruch, aber sie wird schließlich in allen Bereichen des Unternehmens zum Einsatz kommen.
Der E-Commerce-Umsatz von Decathlon fiel von 20,8 Prozent auf 16,8 Prozent im Jahr 2022. Können Sie uns etwas über die Ergebnisse für 2023 erzählen?
Im Jahr 2022 erlebten wir die Nachwirkungen der Corona-Krise. Während der Pandemie haben viele Menschen ihre Fahrräder online gekauft; 2022 ist das wieder zurückgegangen. Es ist beeindruckend zu sehen, dass 47 Prozent des Umsatzes im Jahr 2023 aus dem E-Commerce kommen werden. Wir können also sagen, dass etwa die Hälfte des Wachstums aus digitalen Kanälen stammen wird.
Der Plan ist, in diesem Bereich weiter zu wachsen, da wir wissen, dass einige Verbraucher:innen nur digital einkaufen wollen. Außerdem sind wir seit vielen Jahren auf der Straße präsent und wissen, dass neue Wachstumsbereiche gerade in den digitalen Kanälen liegen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.