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EU-finanziertes New Cotton Project endet mit acht wichtigen Erkenntnissen

Von Simone Preuss

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Bild: New Cotton Project

Das von der EU finanzierte „New Cotton Project“ wurde Ende 2020 gestartet und brachte zwölf Akteur:innen aus der gesamten Wertschöpfungskette zusammen: Adidas und H&M auf der Markenseite, das finnische Biotech-Unternehmen Infinited Fiber, die Aalto-Universität und die Fachhochschule Xamk, die Nachhaltigkeitsorganisation Fashion for good, die Textilfabriken Frankenhuis (Niederlande) und Inovafil (Portugal), die herstellenden BetriebeTekstina (Portugal) und Kipas Textiles (Türkei), Recyclingberater REvolve Waste und das schwedische Forschungsinstitut Rise.

Gemeinsam wollten sie ein Kreislaufmodell für die kommerzielle Bekleidungsproduktion aufzeigen. Nach dreieinhalb Jahren, am Ende des Projekts, haben sie ihre Ergebnisse in acht Schlüsselerkenntnissen zusammengefasst, die für die Industrie von entscheidender Bedeutung sein werden, um die Verbreitung von Kreislaufmaterialien zu unterstützen und das Faser-zu-Faser-Recycling erfolgreich voranzutreiben.

Sie betonen auch, dass die Branche zu kreislauforientierten Wertschöpfungsketten übergehen muss, dass es dringend notwendig sei, eine Sortier- und Recyclinginfrastruktur zu entwickeln und auszubauen, und dass die großen Herausforderungen im Bereich Daten angegangen werden müssen, um den Übergang zu einer kreislauforientierten Textilindustrie zu unterstützen. Im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse.

1) Weitreichende Einführung von Kreislauf-Wertschöpfungsketten

Die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich erfordert neue Formen der Zusammenarbeit und des offenen Wissensaustauschs zwischen verschiedenen Akteur:innen in Kreislaufökosystemen. Die Ökosysteme der Kreislaufwirtschaft im Textilbereich müssen Akteur:innen einbeziehen, die über die traditionellen Lieferketten hinausgehen und bisher nicht miteinander verbunden waren, wie die Textil- und Modeindustrie, die Abfallsammlung und -sortierung und die Recyclingindustrie sowie die digitale Technologie, Forschungsorganisationen und politische Entscheidungsträger, die zusammenarbeiten und Wissen austauschen.

„Es ist auch ein grundlegenderer Wandel in den Denkweisen und Geschäftsmodellen im Hinblick auf einen systemischen Übergang zur Kreislaufwirtschaft erforderlich, wie zum Beispiel die Abkehr von linearen Fast-Fashion-Geschäftsmodellen“, rät das Konsortium.

2) Kreislauffähigkeit beginnt mit Designprozess

Bei der Gestaltung neuer Kleidungsstücke sollte von Anfang an ein End-of-Life-Szenario im Auge behalten werden, denn davon hängt ab, welche Verzierungen, Drucke und Accessoires verwendet werden können. „Wenn Designer:innen es dem Recyclingprozess so einfach wie möglich machen, ist die Chance größer, dass ein Produkt tatsächlich wieder als Rohstoff verwendet wird. Darüber hinaus ist es wichtig, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die es ermöglichen, die Produkte so lange wie möglich zu nutzen, einschließlich Reparatur-, Miet-, Wiederverkaufs- und Sharing-Dienste”, so das Konsortium. 

3) Aufbau und Skalierung einer Sortier- und Recycling-Infrastruktur

Es besteht ein Bedarf an technologischen Innovationen und Infrastrukturentwicklung bei der Sammlung von Alttextilien, der Sortierung und der mechanischen Vorverarbeitung von Rohstoffen, um die Produktion von zirkulärer Bekleidung zu steigern. Derzeit erfolgt ein Großteil der Textilsortierung manuell, und die verfügbaren optischen Sortier- und Identifizierungstechnologien sind nicht in der Lage, Kleidungsschichten, komplexe Fasermischungen oder die Ursachen für Abweichungen in der Qualität des Ausgangsmaterials für das Faser-zu-Faser-Recycling zu erkennen.

„Die Vorverarbeitung von Rohstoffen ist ein entscheidender Schritt im Textil-zu-Textil-Recycling, der jedoch außerhalb der Akteur:innen, die ihn tatsächlich durchführen, nicht gut verstanden wird. Dies erfordert die Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, und es erfordert fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten, um dies gut zu machen. Dies ist ein Bereich, der mehr Aufmerksamkeit und stärkere wirtschaftliche Anreize braucht, wenn das Textil-zu-Textil-Recycling zunehmen soll“, erklärt das Konsortium. 

4) Verbesserung der Qualität und Verfügbarkeit von Daten

Es besteht immer noch ein erheblicher Mangel an verfügbaren Daten zur Unterstützung des Wandels hin zu einer kreislauforientierten Textilindustrie, was die Entwicklung von Systemlösungen und wirtschaftlichen Anreizen für den Textilkreislauf verlangsamt. Abgesehen von einigen guten Studien wie Sorting for Circularity Europe und der jüngsten Charakterisierungsstudie von ReFashion gibt es so gut wie keine zuverlässigen Informationen über die Faserzusammensetzung im Post-Verbraucher-Textilstrom.

„Textil-zu-Textil-Recyclende würden von einer besseren Verfügbarkeit zuverlässigerer Daten profitieren. Die politische Überwachung der erweiterten Herstellerverantwortung sollte sich darauf konzentrieren, die Berichterstattungsanforderungen in ganz Europa von der Sammlung von Post-Verbraucher-Textilien bis zu ihrem endgültigen Endpunkt zu standardisieren und Anreize für die Digitalisierung zu schaffen, damit die Berichterstattung automatisiert werden kann und hochwertige Textildaten nahezu in Echtzeit zur Verfügung stehen“, schlägt das Konsortium vor. 

5) Kontinuierliche Forschung und Entwicklung in der gesamten Wertschöpfungskette

Die Skalierung des Faser-zu-Faser-Recyclings erfordert kontinuierliche Forschung und Entwicklung in der gesamten Wertschöpfungskette, zum Beispiel im Bereich der Sortiersysteme. Beim chemischen Recycling müssen eine hohe Rückgewinnungsrate und der Kreislauf der verwendeten Chemikalien die Umweltauswirkungen des Prozesses begrenzen. Bei den Herstellungsverfahren sind fortlaufende Innovationen erforderlich, wobei Technologien und Marken eng mit den Herstellern zusammenarbeiten müssen.

„Insgesamt deuten die Ergebnisse des New Cotton Projects darauf hin, dass Stoffe, die Infinna-Fasern enthalten, eine nachhaltigere Alternative zu herkömmlichen Baumwoll- und Viskosegeweben darstellen, wobei sie ähnliche Leistungsmerkmale und ästhetische Qualitäten aufweisen. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die Textilindustrie im Hinblick auf Nachhaltigkeit und umweltfreundlichere Produktionsverfahren haben“, heißt es im Projekt.

6) Mehr als nur Fasern mit geringeren Auswirkungen

Die von Dritten geprüfte Ökobilanz des Projekts ergab, dass Cellulosecarbamatfasern, insbesondere wenn sie mit einer erneuerbaren Stromquelle hergestellt werden, das Potenzial haben, die Umweltauswirkungen im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle und Viskose zu verringern. Das Konsortium wies jedoch auch darauf hin, dass dieser Vergleich auf der Grundlage durchschnittlicher globaler Datensätze von Ecoinvent für Baumwoll- und Viskosefasern durchgeführt wurde und dass es Unterschiede in der Umweltleistung der auf dem Markt erhältlichen Primärfasern gibt.

„Die Analyse unterstreicht jedoch auch die Bedeutung der übrigen Lieferkette für die Verringerung der Umweltauswirkungen. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst wenn wir die Umweltauswirkungen durch die Verwendung von Recyclingfasern verringern, in anderen Phasen des Lebenszyklus noch einiges zu tun ist. So sind beispielsweise die Qualität der Kleidungsstücke und ihre Verwendung während ihrer gesamten Lebensdauer entscheidend für die Verringerung der Umweltauswirkungen pro Kleidungsstück“, so das Fazit.

7) Einbeziehung der Bürger:innen

Dem Projekt zufolge hat die EU die Kultur als eines der Haupthindernisse für die Einführung der Kreislaufwirtschaft in Europa identifiziert. Eine quantitative Verbraucher:innenumfrage von Adidas, die in drei Schlüsselmärkten durchgeführt wurde, ergab, dass es immer noch Verwirrung zum Thema Kreislaufwirtschaft bei Textilien gibt. Für das Konsortium unterstreicht dies die Bedeutung einer effektiven Kommunikation mit Bürger:innen und von Aktivitäten zu ihrer Einbindung. 

8) Kohärente Gesetzgebung

Das Projekt unterstreicht, dass die Gesetzgebung ein wirksames Instrument ist, um die Einführung nachhaltigerer und kreislauforientierter Verfahren in der Textilindustrie voranzutreiben: „Angesichts der zahlreichen neuen Rechtsvorschriften, die allein in der EU erlassen werden, ist ein kohärenter und harmonisierter Ansatz für die erfolgreiche Umsetzung der Politik in der Textilindustrie unerlässlich. Das Konsortium rät auch dazu, verschiedene Rechtsvorschriften wie die erweiterte Herstellerverantwortung und die Verordnung über das Ökodesign für nachhaltige Produkte miteinander zu verknüpfen.“

Abschließend weist das Projekt darauf hin, dass die hohe und stetig wachsende Nachfrage nach recycelten Materialien bedeutet, dass alle möglichen End-of-Use-Textilien gesammelt und sortiert werden müssen, wofür sowohl mechanische und chemische Recyclinglösungen als auch Closed-Loop- (Faser-zu-Faser) und Open-Loop-Recycling (Faser zu anderen Sektoren) eingesetzt werden sollten.

„Der Export von minderwertigen wiederverwendbaren Textilien in Länder außerhalb der EU muss dringend überdacht werden. Es wäre vorteilhafter, sie in Europa wiederzuverwenden oder, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, diese Textilien im europäischen Binnenmarkt zu recyceln, anstatt sie in Länder zu exportieren, in denen die Nachfrage oft ungeprüft und die Abfallbewirtschaftung unzureichend ist“, so der Konsens.

„Ganzheitlicher Ansatz und Mentalitätswandel“

Insgesamt verdeutlichen die Erkenntnisse die Notwendigkeit eines „ganzheitlichen Ansatzes und eines grundlegenden Mentalitätswandels“ in der Arbeitsweise der Textilindustrie. Das Konsortium fordert eine „vertiefte Zusammenarbeit und einen Wissensaustausch“, um effektive zirkuläre Wertschöpfungsketten zu entwickeln, innovative Recyclingtechnologien zu skalieren und die Verfügbarkeit von recycelten Fasern auf dem Markt zu erhöhen.

Während des letzten Projektmonats veranstaltete das Konsortium ein Round-Table-Gespräch mit politischen Entscheidungsträger:innen der EU, verbreitete die wichtigsten Erkenntnisse durch ein öffentliches Seminar und ein Webinar und legte ein White Paper zum Thema „Driving the Transition Toward Circular Textiles“ sowie eine Umweltbilanz vor, die die gesamte Wertschöpfungskette analysiert. Dieses und andere White Papers können über die Website des New Cotton Projects abgerufen werden.

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