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Frauen in der Chefetage: Petra Scharner-Wolff, Otto Group

Von Barbara Russ

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Business |INTERVIEW

Petra Scharner-Wolff ist Konzern-Vorständin Finanzen, Controlling und Personal bei der Otto Group. FashionUnited sprach mit ihr per E-Mail über den Führungsstil von Frauen gegenüber den von Männern, darüber, mehr Mut an den Tag zu legen und über den Kulturwandel in ihrem Unternehmen.

Frau Scharner-Wolff, bitte beschreiben Sie Ihre Karriere in eigenen Worten. 



Ich habe mich nie auf die Hürden konzentriert, sondern auf die Schritte, die ich als nächstes gehen will. Mir war es immer wichtig, zu gestalten. Vor meiner Zeit bei der Otto Group war ich Unternehmensberaterin. Bei Otto habe ich als Mitarbeiterin im Controlling angefangen. Alle zwei bis drei Jahre konnte ich dann mein Aufgabenfeld erweitern und verändern – zwischen Holding und operativer Verantwortung. Klassisch kaufmännisch oder in Richtung Vertrieb und Logistik. Ich liebe die verschiedenen Perspektiven und Schwerpunkte in Kombination mit herausfordernden Transformationen. Glücklicherweise konnte ich mir bei allen beruflichen Schritten sicher sein, dass mein Mann diese klar unterstützt, ja sogar befürwortet. Dabei hilft es natürlich, dass er selbständig ist und seine Arbeitszeiten flexibler gestalten kann als ich. 


Welche Eigenschaften haben Sie für Ihre aktuelle Position besonders qualifiziert?

Ich habe Freude daran, Dinge zu bewegen und Gestaltungsspielräume zu nutzen. Außerdem liebe ich es, mich mit Menschen auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und auch mal in den Konflikt zu gehen, um die richtigen Themen nach vorne zu bringen. Denn wenn man etwas verändern möchte, muss man auch schwierige oder unpopuläre Entscheidungen treffen können. Durch meine fachliche Expertise kann ich auf mich und meine Entscheidungen vertrauen, weil ich sie sachlich herleiten und begründen kann. Last but not least spielt auch Veränderungsbereitschaft eine große Rolle. In der Otto Group leben wir seit knapp fünf Jahren den Kulturwandel 4.0, der unsere gesamte Arbeitsweise, unser Denken und Handeln, unsere Haltung verändert hat. Diese neue Art der Zusammenarbeit macht uns zukunftsfähig, hat aber allen Kolleg*innen viel abverlangt – insbesondere den Führungskräften, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Wer da nicht beweglich oder kritikfähig ist, hat es schwer.

Welche Veränderungen hat das Jahr 2020 in Ihrem Job gebracht?



Wie für viele andere, stand die Arbeitswelt in diesem Jahr für mich ganz im Zeichen von Remote Work: Von einem auf den anderen Tag haben wir Mitte März dort, wo es möglich war, den laufenden Betrieb komplett auf digitales Arbeiten umgestellt – mit großem Erfolg. Mir hat das gezeigt, dass die Otto Group technologisch und kulturell in einer sehr guten Ausgangslage war für diese außergewöhnlichen, Corona-bedingten Herausforderungen.

Überall wurden neue Ideen und Formate entwickelt, um unsere virtuelle Zusammenarbeit weiter zu verbessern – von täglichen Stand-ups und Team-Workshops über virtuelle Lernformate und Barcamps bis hin zu digitalen Mitarbeiterinnen-Veranstaltungen und internationalen Management-Meetings, die nun sogar in viel engerer Taktung als sonst stattfinden, weil keiner reisen muss. Positiv beeindruckt hat mich dabei, wie eng wir trotz der Distanz zusammengerückt sind. Diese konzernweite und kollaborative Zusammenarbeit wollen und müssen wir beibehalten. Wenn ich auf meinen ganz persönlichen Arbeitskontext blicke, so war dieses Jahr tatsächlich sehr besonders, denn meine Rolle als Leiterin des Konzernkrisenstabes hat zwangsläufig sehr viel mehr Raum eingenommen als sonst und herausfordernde Themen mit sich gebracht. Etwa, alle Kolleg*innen gesundheitlich bestmöglich zu schützen und dabei den Geschäftsbetrieb möglichst durchgängig aufrecht zu erhalten.


Sie sind bei der Otto Group Vorständin für Finanzen, Controlling und Personal. Wie geht das zusammen, Zahlen und Menschen, und was liegt Ihnen mehr?



Ich brenne für beide Themen. Denn: Das eine geht nicht ohne das andere. Es sind doch vor allem die Menschen, die für den wirtschaftlichen Erfolg der Otto Group verantwortlich sind. Aus meiner Sicht ist es sogar ein großer Vorteil, einen engen Schulterschluss zwischen diesen beiden, auf den ersten Blick widersprüchlichen Ressorts zu haben, vor allem dann, wenn schwierige Projekte anstehen. 


Glauben Sie, dass Frauen einen anderen Führungsstil haben als Männer? Wie unterscheiden sich diese?

Die Rolle von Führung und damit auch von Führungskräften verändert sich ja generell sehr. Bislang wurden in vielen Unternehmenskulturen tendenziell männliche Eigenschaften wie etwa Rationalität und Risikobereitschaft bevorzugt, und es fehlte an weiblichen Vorbildern. Wenn wir nun aber an neue Schlagwörter wie Agilität und Empowerment denken, geht es als Führungskraft aktuell und zukünftig nicht mehr um ‚command and control‘, sondern viel stärker darum, eine gemeinsame Vision zu schaffen, dem Team zu vertrauen und Verantwortung auch abzugeben. Ich sehe hierin eine große Chance für Frauen, denn Eigenschaften, die tendenziell eher Frauen zugeschrieben werden, etwa Empathie, Sozialkompetenz und Kommunikationsfreude, werden dabei sehr helfen. 

Der Frauen-Männer-Vergleich ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Erfahrung zeigt klar, dass gemischte Teams immer bessere Entscheidungen treffen und innovativere Ideen entwickeln. Diversity ist längst kein ‚nice to have’ mehr. Wir brauchen Vielfalt in allen Aspekten, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Tauschen Sie sich mit anderen Frauen in vergleichbaren Positionen aus? Welche Themen beschäftigen Sie in diesen Gesprächen?


Auf jeden Fall. Ein gutes Netzwerk ist das A und O und hilft vor allem dabei, auch übergeordnet wichtige Themen zu treiben. In meiner Rolle als Personalvorständin geht es dabei sehr viel um female Empowerment, eine gleichberechtigte Teilhabe und die Überwindung gesellschaftlicher Prägungen. Ich setze mich dafür ein, dass diese Diskussion interdisziplinär geführt wird – mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Oft wird den Unternehmen eine hohe Verantwortung zugeschanzt. Wir nehmen diese gern an, machen aber auch transparent, wo sich an anderer Stelle Rahmenbedingungen verändern müssen. Beispielsweise kann das Thema Frauen und Karriere nicht ohne die Frage diskutiert werden, warum Männer immer noch sehr viel mehr verdienen und als Versorger in der Familie gelten. Und sich deshalb die Frage gar nicht stellt, wer bei den Kindern zu Hause bleibt – gerade in der Lebensphase zwischen 30 und 40, in der oftmals die wichtigsten Karriereschritte laufen. Wir brauchen eine starke Awareness für die verschiedenen Ebenen von weiblichen, aber auch männlichen Karrieren, um wirklich neue Perspektiven zu schaffen. Je mehr Frauen und Männer darüber reden, desto besser. 


Sehen Sie sich als Mentorin für andere Frauen? Wie fördern Sie persönlich diese?

Ja, das ist mir ein wichtiges Anliegen. Frauen fehlt es immer noch an Vorbildern – hier sehe ich mich durchaus als Role Model. Inhaltlich geht es mir insbesondere darum, gelerntes weibliches Verhalten, das im beruflichen Kontext oft defensiv wirkt, zu spiegeln und Frauen zu motivieren, mit diesen Mustern zu brechen. Beispiel Karriereplanung: Männer gehen Wissenslücken mit der Haltung an: ,Alles, was ich nicht kann, kann ich lernen’. Wir Frauen hingegen müssen lernen, uns nicht zu sehr auf Hürden zu fokussieren und ein mögliches Scheitern als Chance für eine persönliche Entwicklung zu begreifen. Mein Appell an die Frauen lautet daher: „Habt mehr Mut zum Scheitern! Traut euch zu, Neues zu lernen und euch auch unbekannte Themen zu erschließen.“

Ähnlich ist es mit der Sichtbarkeit. Frauen verhandeln ja per se nicht schlechter als Männer, tendieren aber häufiger dazu, dass ein zielstrebiges Verhalten aufgesetzt oder angeberisch wirken könnte. So verpassen sie, ihre Leistung ins rechte Licht zu rücken und dafür Anerkennung zu erhalten und weiterentwickelt zu werden. Ein gutes Mentoring führt am Ende zu einer besseren Selbstreflexion: Wer seine eigenen Stärken und Schwächen kennt, kann sich viel besser zu einer authentischen und erfolgreichen Führungskraft entwickeln.


Bei der Otto Group gibt es ein konzernweites Diversity Management. Was wird dort getan?

Die Kolleginnen verankern das Thema Diversity konzernweit und strategisch. Sie initiieren konzernübergreifende Entwicklungsprogramme und Projekte, etwa zur Förderung weiblicher Nachwuchsführungskräfte. Auch hierbei ist das Mentoring übrigens ein wichtiger Part. Sie sind Vernetzerinnen und Impulsgeberinnen für die einzelnen Konzerngesellschaften und entwickeln gemeinsam mit den Ansprechpartnerinnen Maßnahmen zur Erreichung der gesetzten Ziele im Bereich Diversity – neuerdings auch innerhalb einer übergreifenden Diversity Community, die gerade gegründet wurde, um die Breitenwirksamkeit und die Relevanz dieses Themas noch weiter zu erhöhen.

Und es gibt eine eigene Abteilung für Kulturwandel. Was passiert dort?



Der Ende 2015 von Shareholdern und Management initiierte Kulturwandel-Prozess sichert die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens. Das zentrale Kulturwandel-Team nimmt in diesem Prozess eine wichtige Rolle ein, weil es die Konzernunternehmen und die lokalen Kulturwandel-Teams der Otto Group dazu ermutigt, Handlungsfelder sichtbar zu machen und Veränderungsprozesse umzusetzen. Als Multiplikatoren und Enabler unterstützen sie Kolleg*innen konzernweit, etwa indem sie Collaboration-Tools, Formate und Strukturen entwickeln und lokale Wissensträger untereinander vernetzen. Tatsächlich arbeitet das Team genau genommen mit großem Engagement an seiner Vision, sich in ein paar Jahren selbst abzuschaffen.


Welche Tipps würden Sie Ihrem jüngeren Selbst in seinen 20ern (oder aktuellen Absolventen) in Bezug auf ihre Karriere geben? 



Der amerikanische Psychologe Norman Vincent Peale hat einen Ausspruch geprägt, den ich gerne zitiere: „Shoot for the moon. Even if you miss, you’ll land among the stars.“ Ich glaube daran, dass wir alle das beherzigen sollten. Wir leben in einer Zeit, in der wir so mutig sein dürfen, Dinge auszuprobieren, auf die eigene Intuition zu hören, eigene Perspektiven und Ideen einzubringen. Dabei hilft es, sich eine positive Unruhe zuzugestehen, Lust dazu zu haben, nach vorne zu gehen, sich zu zeigen und die Hand zu heben, etwa, wenn es darum geht Ergebnisse zu präsentieren oder auch unerschrocken in ein ganz neues Projekt einzutauchen. Dieses Zutrauen wird belohnt werden und der eigenen Karriere immer zuträglich als schädlich sein.

Bilder: Otto Group 1. Petra Scharner Wolff, 2. Otto Group Vorstand, 3. Otto Group Zentrale

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