Prognose: US- und EU-Bekleidungskonsum könnte um 300 Milliarden US-Dollar fallen
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Die meisten europäischen Länder und die USA sind seit Mitte März wegen der Covid-19-Pandemie im Lockdown, entsprechend wurden stationäre Geschäfte geschlossen. Auch wenn der Onlinehandel weitergeht, gestaltet er sich doch aufgrund gefallener Konsumlaune, Transportproblemen und Unterbrechungen der Lieferkette schwierig. Eine speziell auf die Bekleidungsbranche fokussierte Prognose des indische Management Consulting-Unternehmens Wazir Advisors rechnet mit einem Rückgang des Bekleidungskonsums im Jahr 2020 in der EU von 45 Prozent beziehungsweise in den USA von 40 Prozent, was einem Volumen von 300 Milliarden US-Dollar (rund 274 Milliarden Euro) entsprechen könnte.
Die am Sonntag veröffentlichten Prognose „The Big Fall: EU and the US Apparel Consumption to Reduce by US$ 300 bn. Impact of Covid-19 Scenario on European and the US Apparel Market“ geht davon aus, dass die derzeitige Lockdown-Situation bis Mitte Juli anhalten könnte, da der Höhepunkt eines Ausbruchs neuer Coronavirus-Fälle für Ende April bis Mitte Mai erwartet wird. Dies würde die Schließung von Modegeschäften für drei bis vier Monate bedeuten.
Auch wenn der Onlinehandel so für ein paar Monate die einzige Möglichkeit bleibt, Bekleidung zu kaufen, wird sich der Modekonsum verzögern. Hierfür gibt der Bericht verschiedene Gründe an: Zum einen konzentrieren sich Verbraucher beim Einkauf derzeit auf das Nötigste wie Lebensmittel, Medikamente und andere notwendige Anschaffungen. Bei Bekleidung besteht keine Dringlichkeit, besonders da die Möglichkeiten auszugehen beschränkt sind (Schulen, Büros, Restaurants, Fitnessstudios und Orte der Unterhaltung sind ebenfalls geschlossen). Zudem ist mit einer limitierten Produktauswahl und längeren Lieferzeiten zu rechnen.
US konsumorientierter als EU
„Die US-amerikanische Gesellschaft ist im Vergleich zu Europa konsumorientierter. Eine jüngere Bevölkerung, die an regelmäßiger Ausgaben gewöhnt ist, wird dazu führen, dass die USA während des Lockdowns einen etwas höheren Konsum als die EU aufrechterhalten und, was noch wichtiger ist, schneller zum normalen Verbrauchsniveau zurückkehren“, fasst Wazir Advisors zusammen.
Der Bericht weist auch darauf hin, dass die europäische Wirtschaft bereits in den letzten Jahren unter Druck stand, und dass Länder wie Italien und Spanien, die am schlimmsten von der Pandemie betroffen sind, im Jahr 2020 ein niedrigeres Konsumniveau als die USA aufweisen werden.
Daher die Gesamtprognose für die EU von 41 Prozent weniger Konsum durch die Schließung von Läden, ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 5 bis 6 Prozent und allgemein ein Rückgang des Bekleidungskonsums von 45 Prozent im Jahr 2020. Für die USA liegt die Prognose aus den oben genannten Gründen bei 37 Prozent weniger Konsum, einer Minderung des BIPs um 3 bis 4 Prozent und einem Rückgang des Bekleidungskonsums um 40 Prozent.
Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts der USA, Eurotex und Schätzungen von Wazir Advisors könnte dies einem Rückgang des Bekleidungsvolumens von 308 Milliarden US-Dollar (rund 280 Milliarden Euro) entsprechen. Für Bekleidungsimporte in die EU und USA könnte dies einen Rückgang um 122 Milliarden US-Dollar (rund 111 Milliarden Euro) bedeuten (beziehungsweise einen Rückgang um jeweils 88 Milliarden US-Dollar/rund 80 Milliarden Euro beziehungsweise 34 Milliarden US-Dollar/rund 31 Milliarden Euro).
Was das für 2020 bedeutet, so sieht die Prognose drei mögliche Szenarien voraus: Im ersten, verliert China einen wesentlichen Marktanteil in den US- und EU-Märkten, ebenso Spanien und Italien innerhalb der EU. Dieser könnte von Bangladesch und Vietnam für die US- und EU-Märkte aufgegriffen werden beziehungsweise von der Türkei und Polen in der EU.
Im zweiten Szenario wäre auch Indien in der Lage, in beiden Märkten seinen Anteil zu vergrößern, besonders wenn sich das Land ab sofort auf die Produktion von Herbst- und Winterkleidung einstellt - nicht die Stärke des Baumwollproduzenten - die am Ende des Lockdowns gefragt sein wird. Im dritten Szenario würde es China durch die Senkung seiner Preise schaffen, seinen Marktanteil zu behalten. Damit blieben die Märkte unverändert.
Empfehlung: Stärken ausbauen, Produkte diversifizieren
Die Empfehlungen von Wazir Advisors an indische Bekleidungsexporteure könnten auch Herstellern außerhalb des Landes nutzen. So empfiehlt die Management Consulting-Firma, sich auf der einen Seite auf seine Stärken zu konzentrieren und diese auszubauen (für Indien heißt das Baumwollprodukte und Stickerei), sowie sich auf die Produktionsqualität zu konzentrieren und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Auf der anderen Seite sollte auch diversifiziert werden, um im Rennen zu bleiben. Für Indien heißt das die Produktion von Winterbekleidung, Outdoor-Bekleidung, Performance Wear, etc.
Ob sich die Prognose bewahrheitet, wird vor allem davon abhängen, wie lange der Lockdown in den jeweiligen Ländern andauert, wann die Konsumlaune der Verbraucher zurückkehrt und ob er Onlinehandel den Bekleidungsbedarf auffangen kann.
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de; Grafiken: Wazir Advisors