Wie reagieren Modeunternehmen auf den Ukraine-Krieg? Nachgefragt bei Hugo Boss, Adidas und Gerry Weber
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Erst war da die Ungläubigkeit, dass ein Krieg mitten in Europa ausbricht, dann tiefes Mitgefühl mit der Not der ukrainischen Bevölkerung. Jetzt haben die ersten Modeunternehmen wie H&M reagiert und ihre Verkäufe in Russland pausiert. Welche Auswirkungen hat der Angriff Russlands auf die Ukraine bisher? Wir fassen die Situation zusammen und haben Adidas, Hugo Boss und Gerry Weber gefragt.
Die Rolle der Mode in Zeiten von Krieg?
Der Modeschöpfer Giorgio Armani war unter den ersten aus der Bekleidungsindustrie, die ein Zeichen setzten. Er verzichtete bei seiner Modenschau am Sonntag auf Musik, „als ein Zeichen des Respektes gegenüber den Menschen die in der Tragödie verwickelt sind, die sich in der Ukraine abspielt.”
Einigen mutet es bizarr an, sich Modenschauen in Mailand und Paris anzuschauen, während ein Krieg in Europa tobt. Und dieses zwiespältige Gefühl gegenüber dem “üblichen” Modezirkus, den Dingen wie gewohnt nachzugehen – mag viele begleiten. Das sprach auch der Mitgeschäftsführer des Onlinehändlers Zalando David Schneider aus.
„Ehrlich gesagt, fällt es uns in diesem Jahr schwer, so zu tun, als sei alles wie immer, während wir den Krieg in der Ukraine beobachten”, sagte er bei der Präsentation der Jahreszahlen am Dienstag. „Unsere Herzen und Gedanken sind beim ukrainischen Volk. Und natürlich bei all unseren Mitarbeitenden, ihren Familien und Freund:innen, die direkt und indirekt betroffen sind.”
Zalando unterstützt betroffene Angestellte
Zalando unterstützt die betroffenen Mitarbeitenden und deren Familien mit Beratung, Visa- und Reisehilfen. Direkte Geschäfte in der Ukraine und Russland hat Zalando nicht, aber ein Lieferant für das Eigenmarkengeschäft befindet sich in der Westukraine. „Wir stehen dort in enger Abstimmung mit den Lieferanten, soweit das möglich ist”, sagte Schröder. „Wir müssen die Situation und die Auswirkungen sehr genau beobachten.”
Zalando unterstützt Partner-NGOs mit seinem Logistiknetz in Polen, um Geflüchteten bereitzustellen, was sie am Dringendsten benötigen. Mit einer Spende von 1 Million Euro unterstütze der Konzern die humanitäre Hilfe für Kriegsbetroffene, neben Sachspenden, dem freiwilligem Engagement der Mitarbeitenden und der Flüchtlingshilfe, heißt es aus Berlin am Mittwoch.
Der E-Commerce-Konzern merkt auch bereits, dass sich die Situation auf die Stimmung von Konsument:innen (in seinen osteuropäischen Märkten niederschlägt. Hier kamen vergangenes Jahr die Länder Kroatien, Estland, Lettland, Litauen, Slowakei und Slowenien hinzu.
Erste Modemarken pausieren Geschäfte mit Russland
Für viele Menschen steht jetzt etwas ganz anderes als Kleidung zu shoppen im Vordergrund. Wie sich die Stimmung in Westeuropa und Deutschland angesichts der Unsicherheit entwickelt, wird sich noch zeigen. Noch Mitte Februar hatten sinkende Infektionszahlen und die Lockerungen der Quarantäneregelungen in vielen Ländern Hoffnung auf Normalität gemacht.
Nun werden die Stimmen, die die Modeindustrie auffordern, ein Zeichen zu setzen, werden jetzt immer lauter. Das Magazin 1Granary forderte „Modeunternehmen und ihre Führungskräfte auf, an der Seite der Ukraine zu stehen und den Einmarsch Russlands scharf zu verurteilen.”
Der schwedische Modekonzern H&M ist der erste der großen Fast-Fashion-Konzerne, der alle Verkäufe in Russland vorübergehend pausiert. Die Geschäfte in der Ukraine wurden bereits vorübergehend geschlossen, teilte H&M am Mittwoch mit. Das ungarische Modelabel Nanuschka hat ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland auch pausiert.
„Das ist ein wesentlicher Schritt für uns in der gegenwärtigen Situation. Die Entscheidung richtet sich nicht gegen unsere russischen Kunden, oder Freunde, aber ist ein Zeichen gegen die Invasion in der Ukraine”, erklärte Nanuschka in einem Instagram-Post am Mittwoch. Die Gründerin und Kreativchefin Sandar Sandor wurde in Ungarn unter einem sozialistischen System geboren und habe daher eine enge emotionale Verbindung zur gegenwärtigen Krise, heißt es dort.
Zeichen setzen, aber um welchen Preis?
Armani hat vorgemacht, wie kraftvoll Mode Zeichen setzen kann, aber es ist nicht immer einfach den richtigen Ton zu treffen. In Russland selbst ist die Erwähnung der Worte “Krieg” oder “Invasion” im Zusammenhang mit der Ukraine nicht gestattet, stattdessen wird von “Spezialoperation” gesprochen. Wer sich dagegen stellt, dem könnten laut Medienberichten Strafen drohen.
Die meisten Unternehmen sprechen bisher oft Beistand für die Ukraine aus, ohne die russische Invasion zu erwähnen. Vor allem Unternehmen mit eigenen Standorten und Angestellten in Russland – halten sich bisher mit Aussagen gegen das Vorgehen des russischen Staates zurück.
Ein Beispiel ist Adidas. Der Sportartikelhersteller ist ein Weltkonzern und hat damit auch etliche Stores in Russland und der Ukraine, wie eine Suche über den Storefinder auf Webseite zeigt. In dem zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht für das 2020, lagen die Umsätze für die Region Russland und GUS-Staaten bei 584 Millionen Euro und damit bei 3 Prozent der Gesamterlöse. Drei Zulieferunternehmen in der Ukraine und eines in Russland zählt der Konzern laut einer eigenen veröffentlichten Liste.
Lieferstopps nach Russland
Bisher hat Adidas seine Partnerschaft mit dem russischen Fußballverband ausgesetzt. Auf die Nachfrage, wie Adidas mit seinen Geschäften in Russland und der Ukraine derzeit umgeht, gibt der Konzern am Mittwoch die folgende Antwort: „Wir beobachten die Lage aufmerksam und der Schutz und die Sicherheit unserer Beschäftigten haben dabei oberste Priorität.”
US-Konkurrent Nike hat am Dienstag angekündigt, dass Einkaufen im Onlinestore und über die App von Russland aus nicht mehr möglich seien – weil die Lieferungen nicht garantiert werden können.
In der Tat haben die Versandunternehmen UPS und FedEx ihre Lieferungen nach Russland und die Ukraine eingestellt. Die Deutsche Post DHL verschickt bis auf Weiteres keine Express-Sendungen und kein Frachtgut mehr nach Russland. Auch Reedereien wie Maersk stoppen ihre Transporte. Ungeachtet des steigenden Drucks, Stellung zu beziehen, wird das Liefern nun schwieriger.
Hugo Boss führt Geschäfte in Russland weiter – aus Verantwortung für die Mitarbeitenden
Hugo Boss führt sein Geschäft in Russland fort, “insbesondere auch im Hinblick auf die Verantwortung, die wir gegenüber unseren 200 Mitarbeitenden und deren Familien vor Ort haben”, teilte der Metzinger Modekonzern am Mittwoch mit. Auch hier heißt es: „Wir beobachten und prüfen die Situation aber selbstverständlich fortwährend.” Insgesamt betreibt Russland 13 eigene Stores in Russland, das ist nur kleiner Teil der rund 440 Geschäfte weltweit.
Bisher sei der Konzern laut eigenen Angaben von den Wirtschaftssanktionen gegen Russland “nur in geringem Maße betroffen”. Warenlieferungen nach Russland seien zur Zeit nach wie vor möglich.
„Der Anteil des Konzernumsatzes, der auf Russland entfällt, ist sehr begrenzt. Zusammen mit der Ukraine repräsentiert der Markt etwa 3 Prozent des Gesamtumsatzes”, schlüsselt das Unternehmen auf. In der Ukraine betreiben Geschäftspartner elf Franchise-Stores. Eine langjährige Partnerschaft besteht zu drei Lieferanten, wo die Produktion nun weitgehend eingestellt ist. Mit weniger als 1 Prozent, ist der Anteil der Ukraine am gesamten Beschaffungsvolumens gering. Hugo Boss sei mit seinen Partnern im Austausch, um sie bestmöglich zu unterstützen, aber das Gesamtgeschäft sei davon nicht betroffen.
Gerry Weber liefert noch aus
Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland haben auch die Landeswährung Rubel in den freien Fall geschickt. In den russischen Geschäften sollen Angestellte mit dem Ankleben der neuen Preise fast nicht mehr nachkommen. Das Währungsrisiko erschwert auch die Geschäfte mit Russland. Der Ausschluss von sieben russischen Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift birgt auch für Unternehmen das Risiko, keine Zahlungen mehr von russischen Geschäftspartnern zu erhalten. Deutsche Modeunternehmen mit Geschäftsverbindungen nach Russland müssen sich nun fragen, ob georderte Ware produziert, geliefert und bezahlt werden kann.
Das Bekleidungsunternehmen Gerry Weber unterhält keine eigenen Geschäfte in Russland und der Ukraine, aber Geschäftsbeziehungen in beide Länder. Gemeinsam mit Franchise- und Wholesale-Partnern werden 18 Verkaufspunkte in der Ukraine und 205 in Russland betrieben, sagte Gerry Weber am Mittwoch. Im Geschäftsbericht von 2020 machte die Region Russland und GUS-Staaten noch einen Umsatzanteil von 5,8 Prozent aus.
„Aktuell liefern wir aufgrund der teils unterbrochenen Logistik und der ungewissen Situation nicht mehr in die Ukraine, nach Russland liefern wir unsere Ware bis dato weiter aus”, teilte eine Sprecherin per E-Mail mit. Die Auswirkungen für das Unternehmen seien bis jetzt – wie für die gesamte Branche – aber noch nicht abzusehen. Auch Gerry Weber prüft ständig die aktuellen Entwicklungen und ergreife entsprechende Maßnahmen.
Vieles noch unklar
Viele Folgen des Einmarschs der russischen Armee in die Ukraine sind unklar. Der europäische Textilverband Euratex warnte am Mittwoch vor steigenden Energiepreisen. Der Verband machte darauf aufmerksam, dass einige Unternehmen erwägen, ihre Produktion angesichts der hohen Preise für Erdgas, Öl und andere Energieträger einzustellen.
Für Modeunternehmen kommen dazu noch eine Reihe an anderen Unsicherheiten. Welche Verwerfungen können annullierte Flüge, gestoppte Bahntransporte und zerstörte Straßenverbindungen für die Lieferketten haben? Dazu kommen wahrscheinlich steigende Transportpreise angesichts der explodierenden Energiekosten. Noch ist nicht abzusehen, wie die bisherigen Sanktionen gegenüber Russland wirken und welche dazukommen können. Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck kündigte hier Hilfen für betroffene Unternehmen an.
Das sind einige der geschäftlichen Unsicherheiten mit denen sich jedes Unternehmen auseinandersetzen muss. Aber ganz oben auf der Liste der Fragen bleibt, wie es für die Menschen in der Ukraine weitergeht. Und die Frage, was dieser Krieg für Auswirkungen auf die Sicherheitslage und den Alltag in Europa haben wird.