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Neue Art Materialism-Ausstellung zeigt Denim, Tüll und Sneakers in neuem Licht

Von Simone Preuss

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Kultur

“Hoop Dreams” von Justin Ruby aus alten Turnschuhen. Bild: Art Materialsm

Art Materialism ist ein Kollektiv international renommierter Künstler:innen, die für ihre Verwendung unorthodoxer Materialien bekannt sind - Denim und Tüll auf der textilen Seite, aber auch Autopolster, Tapeten, wiederverwendetes Metall und alte Turnschuhe. Zu ihnen gehören Ian Berry, der auch der Kurator ist, Justin Ruby, Benjamin Shine, Matt Small, Lill O. Sjöberg, Peter Combe, Christian Faur, Matt Small, David Wightman und Max Zorn. 


Zum ersten Mal stellen sie gemeinsam in der Catto Gallery in London aus: Die Ausstellung „Art Materialism“ beginnt morgen, am 19. Oktober, und läuft bis zum 6. November 2023.

Das Poster zur Ausstellung. Bild: Art Materialism

„Sie haben ihr gewähltes Medium über die Neuheit hinaus weiterentwickelt und ihr Handwerk perfektioniert“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Diese Künstler:innen stellen nun in Museen und Galerien auf der ganzen Welt aus und arbeiten mit großen Marken wie John Galliano, Levi's, The MET, Givenchy, Maison Margiela, Bergdorf Goodman, Polo Ralph Lauren, Ray Ban, The FA und Home Depot zusammen.“

„Etwas schaffen, das größer ist als wir alle“

Es werden Parallelen zu der italienischen Kunstbewegung Arte Povera gezogen, die Ende der 1960er Jahre in den großen Städten Italiens aufkam. Wörtlich übersetzt bedeutet das „arme Kunst“, da die Künstler:innen Erde, Lumpen und Zweige verwendeten, um ihre Kunstwerke zu schaffen. Ihr Ziel war es, die Werte des kommerzialisierten zeitgenössischen Galeriesystems in Frage zu stellen und zu unterbrechen.

„Ich denke, es ist gut, sich zusammenzuschließen; etwas zu schaffen, das größer ist als wir alle, und etwas Neues zu schaffen. Ich ziehe es vor, dies zu tun und gemeinsam zu wachsen und einander zu helfen, denn alles, was in meiner Karriere Gutes passiert ist, ging darauf zurück, dass andere Künstler:innen mir geholfen haben“, sagt der Kurator und Künstler Ian Berry gegenüber FashionUnited.

“Living Room Study” von Ian Berry, Denim. Credits: Art Materialism

Die Künstler:innen von Art Materialism tendieren zu reichlich vorhandenen und leicht zugänglichen Materialien, die in einer noch stärker kommerzialisierten Welt verfügbar sind. In der Ausstellung werden Werke gezeigt, die aus so unterschiedlichen Materialien wie Denim, Packband, Turnschuhen, Autopolstern, Altmetall, Tapeten, Tüll, Buntstiften und Farbklecksen hergestellt wurden.

„Ich habe Künstler:innen auf Kunstmessen auf der ganzen Welt getroffen, zum Beispiel auf der Miami Basel, und stellte fest, dass ich mich immer zu Künstler:innen hingezogen fühlte, die Werke aus Materialien geschaffen hatten, die noch niemand zuvor zu verwenden versucht hatte. Wir mussten uns alle selbst beibringen, wie man sie benutzt“, erklärt Berry in der Mitteilung.

„Ich wollte diese Künstler:innen zusammenbringen, denn es ist mir wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Als Künstler:in ist man oft einsam, vor allem bei unserer zeitaufwändigen, detaillierten Arbeit, da ist es gut, sich zusammenzutun“, fügt Berry hinzu, der Kunstwerke schafft, die wie Gemälde aus Denim aussehen. Eines seiner jüngsten Werke, ein riesiges Denim-Wandbild, wurde von Levi’s in Auftrag gegeben und war in Paris, Mailand und Madrid zu sehen.

Kunstwerke aus alten Sneakers

“Kwame” von Justin Ruby aus alten Turnschuhen und Autopolstern. Bild: Art Materialism

Der in Pennsylvania geborene Justin Ruby begann seine Experimente Anfang der 2000er Jahre in der Schule, als er sein Paar Air Jordan 7 French Blues in ein Selbstporträt verwandelte. Es war für eine College-Bewerbung gedacht, aber es wurde viel mehr daraus.

Ruby blieb bei dieser Technik, fügte später Materialien von Louis Vuitton-Taschen bis hin zu Tootsie-Pop-Verpackungen hinzu und erlangte landesweite Aufmerksamkeit. Zu seinen Kund:innen gehören Hip-Hop-Größen wie Lil Durk, J Prince und Drake. Mit seinem ausverkauften „100 Acre Wood“-Drop auf OpenSea nahm er auch am NFT-Boom teil. Die Art Materialism-Ausstellung ist seine erste Ausstellung außerhalb der USA.

„Es wird Sneaker-Börsen geben, Sneaker-Messen und natürlich all die Sneaker-Marken, die mit ihm zusammenarbeiten wollen“, ist Berrys Vorhersage für Rubys Zukunft, der der jüngste der Künstler:innen ist. „Ich möchte ihm dabei helfen, das zu meistern. Ich habe nicht alle Antworten, aber das ist der Punkt - ich habe viele Dinge falsch gemacht und ich möchte, dass er aus meinen Fehlern lernt, denn ich möchte nicht, dass er das Gleiche durchmacht“, erklärt Berry.

Porträts aus Tüll

"Peace Flow No.1” von Benjamin Shine. Einzelnes Stück Tüll auf Leinwand, 50cm x 70cm. Bild: Art Materialism

Der in Großbritannien geborene Benjamin Shine ist vor allem für seine bahnbrechenden Arbeiten aus Tüll bekannt. Er entwickelte seine einzigartige Technik während seines Modestudiums am Surrey Institute of Art and Design und später am Central St. Martins. Während er anfangs davon besessen war, Kleidung aus einem einzigen Stück Stoff zu kreieren, sah er schließlich ein noch größeres Potenzial in der Verwendung von Stoff als Medium, mit dem er Ideen abseits des Körpers umsetzen konnte. Er entschied sich für Tüll, als er zufällig ein zerknittertes Knäuel davon auf dem Atelierboden entdeckte. Shine entwickelte daraufhin eine Methode, bei der er ein einzelnes Stück Tüllstoff unter Glas presst, um einzigartige und eindrucksvolle Porträts zu schaffen.

„Ich betrachte mich selbst als kreativen Entdecker und Erfinder. Ich bin ein Ideenmensch, und obwohl meine Arbeit oft als Kunst, Malerei, Skulptur oder Design eingestuft wird, ist alles eine Form von Erfindung und kreativem Denken. Wenn das Endergebnis die Reaktion „Wie?“ oder „Wow!“ hervorruft, dann bin ich zufrieden, dass es eine Verbindung hergestellt und eine positive Wirkung erzielt hat“, erklärt Shine.

Shines Arbeiten wurden bereits im Metropolitan Museum of Art, dem Museum of Arts and Design New York und dem Londoner Design Museum ausgestellt. Zu seiner Kundschaft und seinen Kollaborator:innen gehören Beyonce, Givenchy, Maison Margiela, Bergdorf Goodman, Google, MTV und andere.

Ein neues Material aus Denim

Gitarre aus ‘Twood’ von Lill O. Sjöberg. Bild: Art Materialism

Die in Göteborg lebende Künstlerin Lill O. Sjöberg ist in ihrem Engagement für die Wiederverwendung unerwünschter Materialien so weit gegangen, dass sie ein völlig neues Medium geschaffen hat, das sie „Twood“ nennt. Sie beschreibt es als „ein nachhaltiges Material aus ausrangierten Jeans; ein Hybrid aus Textil und Holz, das die Schönheit von Denim feiert“.

Ihrer Meinung nach ist das Material „eine Hommage an die mythischen Geschichten und die Ästhetik von Denim, aber auch ein Beitrag zu einer zirkulären Zukunft“. Die Designerin (MFA) und Expertin für nachhaltiges Design und Kreislaufprozesse hat aus diesem neuen Rohstoff erstaunliche Werke geschaffen, darunter ein Schlagzeug und eine Gitarre, die 2021 neben Ian Berrys „Record Store“ im Schwedischen Nationalmuseum für Textilien ausgestellt wurden. Sie beschäftigt sich seit 2013 mit Themen rund um Textilabfälle und Materialforschung und hat eine Leidenschaft für Denim.

„Die Zusammenarbeit mit Lill ist fantastisch. Sie ist eine erstaunliche Künstlerin, Designerin und Innovatorin - sie hat eine Technik erfunden, um ‘Denim-Holz’ herzustellen. Was sie dann mit diesem ‘Holz’ macht, ist unglaublich, denn es hat sogar bessere Eigenschaften als Holz“, antwortet Berry auf die Frage von FashionUnited, wie es war, mit einer anderen ‘Denim-Künstler:in’ zusammenzuarbeiten - ein Begriff, den er nicht unbedingt auf sich selbst bezieht.

„In der Gitarren- und Geigenwelt hat man zum Beispiel herausgefunden, dass Lill's Twood tatsächlich besser klingt als Mahagoni, und es gibt einen Mangel an Mahagoni in der Welt. Das sollte interessante Auswirkungen haben“, fügt er hinzu.

Art Materialism stellt neun Künstler:innen vor

“The Walk” von Max Zorn (120 x 87 cm) aus Klebeband. Bild: Art Materialism

Ebenfalls zu sehen sind Werke des kanadischen Künstlers Peter Combe aus San Francisco, der Porträts aus Haushaltsfarben herstellt, des Künstlers Christian Faur aus Ohio, der pixelige Kunstwerke aus Tausenden von Buntstiften kreiert, des Londoner Künstlers Matt Small, der wiederverwendetes Metall verwendet, des in Stockholm geborenen Künstlers David Wightman, der imaginäre Aussichten aus strukturierten Tapeten kreiert, und des niederländischen Straßenkünstlers Max Zorn, der nichts anderes als Packband und ein Skalpell verwendet, um atemberaubende Stadtszenen zu schaffen.

„Als wir die Arbeiten gestern aufstellten, war es interessant zu beobachten, wie die Leute in ihren Bann gezogen wurden. Die Galerie war geschlossen, aber die Kunstwerke hingen im Schaufenster, und alle, die vorbeikamen, blieben stehen und sahen sie sich an. Ich denke, das ist eine wirklich seltene Sache, die ich im Laufe der Jahre bei meiner Arbeit beobachtet habe, aber alle unsere Arbeiten haben diese Art von Anziehungskraft“, schließt Berry.

Die Art Materialism-Ausstellung wird vom 19. Oktober bis zum 6. November 2023 in der Catto Gallery in London zu sehen sein.

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Lill O. Sjöberg
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