Pitti Uomo: Tierisch gute Stimmung in Florenz
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Die Pitti Uomo leitete in dieser Woche die Saison Herbst/Winter 2023 ein. Bei einigen Sonnenstrahlen war auch die Stimmung bei der Herrenmodemesse durchaus positiv. Natürlich beschäftigte auch in Florenz die Modebranche die gesamtwirtschaftliche Situation.
Dennoch blickt der Messeveranstalter Pitti Immagine zuversichtlich in die Zukunft. Gerade jetzt seien Messen für kleine und mittelständische Unternehmen von Bedeutung, sagte Pitti-President Claudio Marenzi am Dienstagmorgen bei der Eröffnungskonferenz. Neben einem erneuten Anstieg der ausstellenden Marken überzeugte die Messe auch wieder mit einigen modischen Highlights wie den Schauen der gastierenden Modeschaffenden Jan Jan van Essche und Martine Rose sowie einem Bereich für Hunde-Mode.
Auch Pittis Geschäftsführer Raffaello Napoleone startete begeistert in die neue Saison und schwang das Tanzbein beim Stand von Mac Jeans, wo das deutsche Jeans-Label zum 50. Jubiläum eine gemeinsame Kollektion mit Designerin Barbara Becker vorgestellt hat. Ihre Söhne Elias und Noah Becker sorgten dabei für die passenden Beats und auch Napoleone versuchte sich im Back-to-back mit den DJs an den Reglern.
„Wir tragen jetzt die Früchte unserer Arbeit”, sagte der CEO des Messeveranstalters über diese Saison, nachdem die Menswear-Messe kontinuierlich für die Modebranche – ob nun digital oder physisch – einen Platz des Austausches geboten hat und dass trotz Verlusten. Nachdem bereits die letzte Ausgabe im Juni der halbjährlich stattfindenden Veranstaltung wieder deutlich mehr Besuchende begrüßte, überzeugte auch die Januar-Ausgabe mit 12.600 Einkäufer:innen, darunter 8.400 Italiener:innen und 4.200 internationalen Buyern (Stand 12. Januar, um 12 Uhr) – darunter 500 aus Deutschland. Aber auch andere Länder wie die Niederlande, die USA sowie die Schweiz, Japan und Belgien waren wieder vermehrt vertreten.
Positiv in schweren Zeiten
Andrea Dini, Geschäftsführer von Paul & Shark, freut sich darüber, dass nach drei Jahren wieder mehr auf der Messe los ist. Dabei sind es für ihn besonders Europa und Nordamerika, die für die gefüllten Hallen sorgen. Für die italienische Herrenmarke ist gerade der deutsche Markt sehr wichtig – wo Paul & Shark unter anderem bei Breuninger, Peek & Cloppenburg, Hirmer und beim KaDeWe vertreten ist – gefolgt von Großbritannien, Nordamerika sowie dem heimischen Markt.
Für den Chef von Paul & Shark stehen in dieser Saison weiterhin Knitwear sowie Outerwear im Fokus. Im Bereich der Outerwear beschäftigt sich die Marke aber auch mit einer leichteren Form, um eine Antwort auf wärmere Winter zu haben. Trotz steigender Energiekosten und Inflation ist für Dini die aktuelle Lage besser, als während der Lockdowns mit geschlossenen Läden. Die Zeit sei hart, aber er bleibe positiv.
Neue Märkte erobern
AlphaTauri blickt ebenfalls optimistisch in die Zukunft und wagt sich direkt auf eine neuen Markt. Mit dem US-amerikanischen Markt treibt das österreichische Outerwear-Label seinen globalen Expansionskurs weiter voran, erklärt Geschäftsführer Ahmet Mercan. Dabei werde für die Marke, die zum Getränkeanbieter Red Bull gehört, auch die Verbindung zum Rennsport nutzen – AlphaTauri ist Ausstatter der Formel 1 und hat ein eigenes Team bei dem Wettbewerb.
Trotz der positiven Haltung gehen auch die gestiegenen Beschaffungspreise nicht an dem Unternehmen vorbei, weswegen für diese Saison die Preise der Produkte angepasst wurden. Im Bereich der Outerwear liegen die Stücke von AlphaTauri ab FW23 zwischen 380 und 1100 Euro.
Après-Ski
In dieser Saison geht es im Bereich der Outerwear auch vermehrt um die Lifestyle-Komponente. So zeigte unter anderem Head Sports an seinem Messestand einige lässige Looks, die auch neben der Skipiste getragen werden können – Ski-Zweiteiler wurden mit Flanellhemden und Unterjacken gestylt, die beim Sport zu warm wären. In den kommenden Saisons soll das Sortiment der österreichischen Sportswear-Marke, die kürzlich ihre Zusammenarbeit mit Gucci Vault vorgestellt hat, um mehr Casual-Stücke erweitert werden.
Baldessarini setzte ebenfalls auf einen lässigen Winter-Look und verwandelte den monumentalen Palast Corsini al Parione in ein Chalet mit Piano und Gospelchor. Dabei zeigte die deutsche Herrenmarke Schneeanzüge im Retro-Look und brachte den 70er-Trend in die schicke Berghütte – die auch als Print auf Pullovern zu sehen war. Neben den sportlicheren Stücken waren aber auch klassische Anzüge und geradlinige Mäntel zu sehen. Für die Farbpalette setzte die Marke, die zum Herforder Bekleidungskonzern Ahlers AG gehört, auf zurückhaltende Töne wie Weiß, Grau und Braun sowie leichte Akzente mit Türkis und Orange.
Pitti Pets
Pitti Pets, ein neuer Bereich bei der Pitti Uomo, zeigte derweilen auch Looks, die die Vierbeiner – besonders Hunde – bei Wind und Wetter schick aussehen lassen. Damit reagiert die Messe auf das durch die pandemie-verstärkte Interesse an Haustieren, so Napoleone. Pitti Immagine habe dieses Sortiment zuerst während der Kindermode-Messe Pitti Bimbo mit ein paar Marken ausprobiert und dabei positives Feedback bekommen. Nun gab es also auch Stücke wie Jacken, Halsbänder und andere Accessoires für Hunde auf der Herrenmode-Messe, die der Messe-Chef bei Modehändlern auch neben den Damen- und Herrenkollektionen sieht. Tatsächlich waren auch einige tierische Besucher:innen vor Ort.
Partnerschaften festigen
Marco Bernardini ist ebenfalls positiv gestimmt. Er stellte hohe Frequenzen am Stand der Jeansmarke Incotex Blue Division fest, einer Untermarke von Slowear. Auf die gesamtwirtschaftliche Situation reagiert der Geschäftsführer des italienischen Unternehmens mit einer langfristigen Planung, zu der auch die enge Zusammenarbeit mit den industriellen Partner:innen gehört, erklärt Bernardini.
2023 will das Unternehmen die Balance zwischen eigenen Läden sowie dem Großhandelsgeschäft schaffen und sich auf die Handelspartner:innen und bestehenden Stores fokussieren, nachdem im vergangenen Jahr zwei neue Stores ihre Türen öffneten – darunter das bisher größte Flagship in New York.
Jan Jan van Essche zeigt erste Laufsteg-Show
Insgesamt waren fast 800 Kollektionen auf dem Messegelände Fortezza da Basso zu sehen. Dazu kamen noch einige Sonderveranstaltungen an anderen Orten der Stadt, wie die Modenschau von Jan Jan van Essche. Der belgische Designer zeigte erstmals eine Kollektion in Form einer Laufsteg-Show. Es sei nun der richtige Zeitpunkt für ihn gekommen, sagte er während des Preview-Gesprächs am Mittwochmorgen.
Am Abend zeigte er dann die Show zu seiner Kollektion “Rite” im Museums und Klosters Santa Maria Novella, die an eine Tanz-Performance der Choreografin Pina Bausch angelehnt wurde. Ein langsamer Walk auf einem von Säulen umrandeten Laufsteg wurde von epischer musikalischer Untermalung mit Trommeln und Gitarren begleitet, die den Vibe der ethno-orientierten Kollektion verstärkten.
Für die Silhouetten, die vor allem weit und fließend waren, ließ er sich von Stücken wie Boubou, einer lockeren Oberbekleidung aus dem Senegal, sowie arabischen Gewändern inspirieren. Außerdem waren auch Ponchos, Capes und von Kimonos inspirierte Anzüge zu sehen. Bei den Materialien setzte der Designer besonders auf natürliche Stoffe wie italienische Yakwolle für einen Mantel sowie eine leichtere Wolle für Tuniken und Hemden. Ergänzt wurden einige der Looks mit Filzhüten aus Biber- und Kaninchenfell, die zusammen mit der österreichischen Hutmanufaktur Mühlbauer entstanden sind. Für die Farbpalette bediente er sich an erdigen Tönen sowie Schwarz, die um Farbakzente in Curry-Gelb, Olivgrün und Tartan mit Rot ergänzt wurden.
Italo-House und Techno im Kinderzimmer
Auch bei der zweiten gastierenden Designerin Martine Rose gab Musik den Ton an, denn die britisch-jamaikanische Designerin sich von der Italo-House-Welle inspirieren, die in den 80ern und frühen 90ern die britische Club-Szene beeinflusste, teilte das gleichnamige Label am Donnerstag mit. Bei ihrer ersten Modenschau außerhalb Londons traf ein Fußballtrikot mit Anzug auf einem pinken, flauschigen Oversized-Coat. Rose setzte auch die Krawatte in den Fokus und kombinierte das Stück – in bunten Mustern – mit Trainings- und Jeansjacken, ließ sie aber auch unter klassischeren Mänteln hervorblitzen.
Vain reiste währenddessen in die frühen 2000er. Das junge finnische Label baute in einem Saal des Palazzo Pucci ein Kinderzimmer mit Bett, Spielkonsole und Fernseher sowie reichlich Magazinen auf. Die Kulisse sollte den Y2K-Zeitgeist einfangen, bei dem die älteren Geschwister noch die Influencer waren und nicht die Stars der Social Medias.
Die Looks lagen zwischen Gothic-Style und Berliner Technoszene. Zu sehen waren lange dunkele Ledermäntel, Hemden mit langen Ärmeln sowie ein Netzoberteil und ein großer, weißer, flauschiger Coat. Leder spielte insgesamt eine wichtige Rolle und wurde unter anderem auch für Hosen und Röcke eingesetzt, die auch an männlichen Models gestylt wurden. Das Label setzte dabei klar auf das Spiel mit den Geschlechterrollen und eine androgyne Ästhetik.