Denim Deal 2.0: Von Alt zu Neu, von linear zu zirkulär, vom ‘Häkchen zum Funken’
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Die Modebranche hat noch einen langen Weg zur Zirkularität vor sich: Einige Marken unternehmen bereits konkrete Schritte, während andere hinterherhinken. Gemäß der kommenden UPV-Gesetzgebung müssen 2025 fünfzig Prozent der auf den Markt kommenden Textilien recycelt oder für die Wiederverwendung vorbereitet sein. Dieses Ziel wird von vielen als zu ambitioniert angesehen.
Als Antwort auf diese Herausforderung wurde 2020 in den Niederlanden der Denim Deal 1.0 ins Leben gerufen: eine einzigartige Kooperation, die den Denim-Sektor mobilisieren sollte, um Post-Consumer Recycled Cotton (POCR), also Baumwolle aus bereits getragenen Jeans, strukturell in neuen Jeans zu verwenden. Das ursprüngliche Ziel, innerhalb von drei Jahren drei Millionen Jeans mit mindestens 20 Prozent POCR zu produzieren, wurde bei Weitem übertroffen. Mit über zwölf Millionen produzierten Teilen war das Pilotprojekt ein großer Erfolg.
Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für die Erweiterung zum Denim Deal 2.0, einer internationalen Fortsetzung, an der inzwischen Dutzende Marken, Lieferant:innen und Recycler:innen teilnehmen. Mit dem neuen Ziel, einer Milliarde Jeans mit POCR bis 2030, und internationalen Hubs unter anderem in Deutschland und Frankreich, setzt der Denim Deal 2.0 auf Beschleunigung durch kollektive Innovation. Die Initiative unterstützt nicht nur Zielsetzungen, sondern bietet auch praktische Hilfe: von Wissensaustausch, Webinaren und Schulungen bis hin zu Matchmaking und Kontaktaufnahme mit relevanten Partnern in der Lieferkette. So wirkt der Denim Deal 2.0 als Katalysator für einen Systemwandel innerhalb der Denim-Branche: weg von linearen Produktionsprozessen, hin zu einem Kreislaufmodell, in dem alte Jeans den Rohstoff für neue bilden.
Vingino als neuer Teilnehmer: ‘Wollen Vorreiter sein’
Einer der Teilnehmer:innen des Denim Deal 2.0 ist die Kindermodemarke Vingino, für Denim die Basis der Kollektionen bildet. Im Gespräch mit FashionUnited erzählt Corporate Social Responsibility (CSR)-Manager Hubert-Jan Bach über Vinginos Teilnahme am Denim Deal 2.0 und die verschiedenen Nachhaltigkeitsinitiativen des Labels.
Obwohl Vingino beim ersten Denim Deal nicht mit dabei war, fühlte sich das Unternehmen dieses Mal verpflichtet, mitzumachen. „Unser Fokus auf Nachhaltigkeit war 2020 noch nicht stark genug ausgeprägt“, erklärt Bach offen. Inzwischen hat sich das geändert. „Aufgrund von gesetzlichen Vorgaben, Kund:innennachfrage und unserem eigenen Anspruch wurde klar: Wir müssen CSR strukturell angehen. Deshalb habe ich nach fünfzehn Jahren im Einkauf bei Vingino den Wechsel vollzogen, um eine separate CSR-Abteilung innerhalb des Unternehmens aufzubauen.“ Der Anschluss an den Denim Deal 2.0 fühlte sich für Bach daher wie ein logischer Schritt an: „Denim ist unsere DNA. Wir wollen Vorreiter in der Denim-Welt sein und dazu gehört die Teilnahme an einer solchen Initiative.“
Haken an der Sache: Vom Abfallberg zum Garn
Obwohl immer mehr Marken bereit sind, recycelte Garne zu verwenden, stößt die zirkuläre Textilkette in der Praxis auf einen entscheidenden Engpass, so Bach. Den entscheidenden Engpass sieht er im Mangel an Verarbeitungsbetrieben, die getragene Kleidung tatsächlich zu neuen Spinnfäden verarbeiten können. „Wir haben weltweit einen enormen Berg an Altkleidern“, erklärt Bach. „Diese Kleidung wird zwar mittlerweile gesammelt, aber es gibt einfach zu wenige Kapazitäten, um sie komplett zu verarbeiten. Es gibt zu wenige Unternehmen, die sogenannten Verwertungs- und Spinnbetrieben, die aus dieser alten Kleidung wieder brauchbare Rohstoffe herstellen können.“
Laut Bach liegt hier eine Schwachstelle im System. „Solange dieser Zwischenschritt fehlt, bleibt ein wirklich zirkuläres Modell außer Reichweite.“ Ein Teil der Lösung sind seiner Meinung nach finanzielle Anreize, mit denen Initiativen wie der Denim Deal 2.0 gefördert werden sollen. „Derzeit subventionieren wir noch hauptsächlich die alte Wirtschaft. Was wir brauchen, ist gezielte Unterstützung für die neue Wirtschaft, für Unternehmen, die recyceln, Fasern regenerieren und Garne aus Post-Consumer-Material spinnen. Wenn diese Infrastruktur wächst, entsteht Skalierung und damit ein funktionierendes Geschäftsmodell.“
Vom Recycling zum zirkulären Denken
Für Vingino bedeutete die Teilnahme am Denim Deal eine weitere Fokusverschiebung: von der Verwendung von Produktionsresten (Pre-Consumer) hin zur Wiederverwendung getragener Kleidung (Post-Consumer). „Es erfordert mehr Organisation, aber man spürt sofort die Wirkung“, erklärt Bach. Die ersten NOS-Denims mit 20 Prozent POCR wurden bereits auf den Markt gebracht. „Es gibt keinen Qualitätsverlust und wir müssen den Einkaufspreis nur geringfügig erhöhen, sodass der Verbraucher keine Preisänderung bemerkt. So bleibt das Produkt für Kund:innen erschwinglich und ist gleichzeitig nachhaltiger.“
Eine überraschende Lektion lag in der Kommunikation: „Wir hatten zunächst ein Hängeetikett mit der einfachen Aufschrift ‘20 Prozent PCR’ entwickelt. Dann wurde uns klar: Wer versteht das schon? Wir haben es jetzt mit einer visuellen Erklärung von alten zu neuen Jeans angepasst. Storytelling ist essenziell, die Kund:innen müssen den Mehrwert verstehen.“
Bach sieht den Denim Deal nicht nur als Kooperation, sondern auch als Bildungsinitiative. Er bildet uns weiter, aber er fordert uns auch. Dank des Denim Deals haben sich unsere Denim-Designer:innen intensiver mit nachhaltigen Möglichkeiten auseinandergesetzt. Mittlerweile setzen wir POCR nicht nur in unserer NOS-Linie ein, sondern erweitern es ab der Frühjahr/Sommer 2026-Saison auf unsere zukünftigen Kollektionen.“
Breitere Nachhaltigkeitsstrategie: Von ‘Green Teams’ zu digitalen Produktpässen
Der Denim Deal ist Teil einer umfassenderen Nachhaltigkeitsstrategie, die Vingino in den letzten Jahren umgesetzt hat. „Wir arbeiten an dem Ziel, bis 2030 40 Prozent unserer Materialien aus recycelten Materialien und/oder Bio-Baumwolle zu beziehen. Deshalb sehe ich Recycling als die Zukunft, da dann weniger bis gar keine neuen Rohstoffe verwendet werden müssen.“ Um dies zu erreichen, setzt Vingino auf interne Sensibilisierung durch die Einrichtung eines “Green Teams”: Mitarbeiter:innen aus allen Abteilungen, die Nachhaltigkeit in ihrer Arbeit verankern.
Darüber hinaus erforscht Vingino die Upcycling-Möglichkeiten von Kinderkleidung. Zu diesem Zweck arbeitet das Unternehmen mit der Remake Society zusammen, einem Spezialisten für das Upcycling von Kleidung aus Rotterdam. Das Ziel besteht darin, aus alten Lagerbeständen, auch “Deadstock” genannt, neue, coole Upcycling-Produkte herzustellen.
Auch Compliance und Rückverfolgbarkeit der Lieferkette spielen eine große Rolle. Vingino ist seit zehn Jahren Mitglied bei Amfori/BSCI, einer Unternehmens-Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, und startet 2025 mit digitalen Produktpässen (DPP) in Zusammenarbeit mit der Softwarefirma TexTracer. „Wir wollen Verbraucher:innen zeigen, woher ihr Produkt kommt und welche Auswirkungen es auf den Wasserverbrauch und die CO2-Emissionen hat.“ Zusammen mit TexTracer hofft Vingino, ab Januar 2026 seine erste Produktkategorie mit einem DPP auf den Markt zu bringen.
Appell an die Branche: ‘Vom Häkchen zum Funken’
Abschließend hat Bach noch eine klare Botschaft: „Es ist eigentlich erstaunlich, dass sich noch relativ wenige deutsche Marken am Denim Deal beteiligen, obwohl es so machbar ist. Man erhält Unterstützung, Zugang zu Wissen und erzielt eine echte Wirkung. Wenn wir alle diesen Mentalitätswandel vollziehen, von linear zu zirkulär, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, einzusteigen.“
Durch den ganzen administrativen Aufwand, darunter die CSRD-Berichterstattung, wirkt Nachhaltigkeit oft wie Häkchen, die gesetzt werden müssen, findet Bach, während es mehr um den „Funken“ gehen sollte: das konkrete Ziel und die Inspiration. Bach hofft, diesen Wandel anderen Denim-Marken vermitteln zu können: Die Denkweise muss sich ändern, „vom Häkchen zum Funken“.