Frauen in Führungspositionen: Antje von Dewitz, Geschäftsführerin Vaude
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Mit grünen Ideen schwarze Zahlen zu schreiben, so ließe sich vielleicht Antje von Dewitz’ Vision für Vaude, das Bergsportunternehmen, das ihr Vater 1974 gegründet hat und das sie in die Zukunft führt, zusammenfassen. „Damit entspricht sie einem klassischen baden-württembergischen Unternehmerideal“, schreibt Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Vorwort des neuen Buches von Dewitz, das im vergangenen Jahr erschienen ist.
Im Interview verrät Antje Dewitz, gegen welche Widerstände sie das Unternehmen auf Nachhaltigkeit ausrichtete, bevor es ‚en vogue‘ war und was Frauen als Führungskräfte anders macht.
Frau von Dewitz, beschreiben Sie Ihre bisherige Karriere in eigenen Worten.
Obwohl ich Unternehmertochter war, war mir ein Wirtschaftsstudium, und das einseitige Streben nach wirtschaftlichem Erfolg, erst einmal suspekt. Ich habe mich also für einen sehr breit gefassten Studiengang entschieden: Sprachen- und Kulturwirtschaft in Passau. Meine Studienzeit habe ich genutzt, um einige Praktika zu machen, im Bereich der Umwelt- und Frauenorganisationen, im Bereich der Kulturorganisation, in den Medien bei der Süddeutschen und dem NDR, und beim Goethe-Institut in Abidjan. Zu guter Letzt dann bei Vaude. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis, weil ich da gemerkt habe: Hier gehöre ich hin.
Ich habe nach meinem Platz gesucht, wo ich einen Beitrag zu einer lebenswerten Welt leisten kann. Da dachte ich zuerst an NGOs oder die Medien. Aber mir wurde klar, gestalten als Unternehmerin ist das, was sich für mich gut anfühlt und was mich begeistert. Ich hatte verschiedene Stellen und Aufgaben im Unternehmen, bevor ich die Geschäftsführung von meinem Vater übernommen habe.
Was haben Sie verändert, als Sie die Firma von Ihrem Vater übernommen haben und wie hat die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, das beeinflusst?
Wir haben das Unternehmen konsequent auf ganzheitliche Verantwortungsübernahme ausgerichtet, Nachhaltigkeit systematisch in allen Bereichen umgesetzt und eine Vertrauenskultur aufgebaut.
Ich denke, als Frau steht man etwas außerhalb des traditionellen Systems. Der Weg war für mich nicht automatisch vorgezeichnet, wie es vielleicht für einen Unternehmersohn gewesen wäre. Außerdem habe ich eine sehr gesellschaftskritische Mutter, die als Hausfrau außerhalb des Wirtschaftssystems stand und die hinterfragt hat, wo dieses Mantra des Wachstums, um des Wachstums willen hinführen soll. Ich hatte also etwas mehr kritische Distanz zum Wirtschaftssystem, würde ich sagen, und etwas weniger Erwartungsdruck. Außerdem war ich, als ich bei Vaude angefangen habe, bereits schwanger. Ich habe also nie ohne Kinder gearbeitet, das macht natürlich auch einen Unterschied – insofern, dass ich immer eine lebenswerte Zukunft für meine Kinder schaffen will und wollte.
Sie haben kürzlich ein Buch herausgebracht „Mut steht uns gut! Nachhaltig, menschlich, fair – mit Haltung zum Erfolg“. Worum geht es darin?
Ich beschreibe darin die Entwicklung von Vaude und meinen persönlichen Weg. Ein Rückblick darauf, wie mein Vater das Unternehmen gegründet hat – vom Lager in der Hopfendarre und das Büro im Schlafzimmer meiner Eltern. Die Anfänge des Unternehmens sind sehr spannend.
Die eigentliche Geschichte beginnt dann mit der Transformation zum nachhaltigen Unternehmen, dem Wandel hin zur Vertrauenskultur. Es geht darum, wie wir zum Beispiel Schritt für Schritt unsere globalen Lieferketten auf hohe soziale und ökologische Standards umgestellt haben und was damit an Kosten, Aufwand Widerständen, Stolpersteinen und Krisen verbunden war. Es ist eine Reise durch die letzten zehn Jahre, eine aufregende Zeit im Wandel, aus verschiedenen Perspektiven erzählt.
Haben Sie eine Lieblingsanekdote aus dem Buch?
Die Transformation des Unternehmens hat alle Bereiche betroffen – da gab es natürlich anfangs auch auch intern von einigen Seiten Skepsis. Unser Instandhaltungsleiter, der schon 30 Jahre bei Vaude war, hat sich immer sehr bedeckt gehalten und das alles als ‚Ideologie‘ abgetan. Nach zwei Jahren kam er ins Büro – zum ersten mal, seit ich ihn kenne – mit einer Aktentasche. Die hat er aufgemacht und mir Pläne gezeigt, wie er das ganze Unternehmen auf energiesparende LEDs umstellen will. Er habe sich das durchgerechnet und innerhalb von drei Jahren würde sich das amortisieren. Da wusste ich, jetzt habe ich alle an Bord.
Waren Ihre Kunden bereit, dafür zu bezahlen?
Wir waren für unser gutes Preis-Leistungsverhältnis bekannt und die Kunden waren damals nicht bereit, höhere Preise für etwas zu bezahlen, was sie zu dieser Zeit noch überhaupt nicht eingefordert hatten. Also mussten wir Margen, die sich durch unser CSR-Engagement verringert hatten, anderweitig auffangen. Wenn man nachhaltig sein will, muss man gut wirtschaften können, das habe ich gelernt.
Sie haben sich für das Lieferkettengesetz stark gemacht, jetzt ist es da. Wie geht es weiter?
Momentan ist es schwieriger und teurer, Verantwortung zu übernehmen. Es ist aufwendiger und risikoreicher, als es nicht zu tun. Was ich für absolut absurd und gefährlich halte, wenn man sich die globalen Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Verschmutzung der Gewässer anschaut! Das heißt: Unternehmen, die freiwillig Verantwortung übernehmen, sind gegenüber rein profitorientierten Unternehmen finanziell benachteiligt. Wir brauchen also gesetzliche Vorgaben, um ein ‚level playing field’ (d.h. gleiche Wettbewerbsbedingungen) zu schaffen, immerhin für die Mindeststandards. Daher ist das Lieferkettengesetz der richtige Weg und ein großer Meilenstein – auch wenn es momentan nur für die ganz großen Unternehmen gilt und auf einigen Kompromissen beruht. Ich bin überzeugt davon, dass es weiter verbessert werden wird. Unser Wirtschaftssystem ist zu einseitig auf Finanzkennzahlen ausgerichtet und zu wenig auf den Impact auf Mensch und Natur. Das muss sich ändern, wenn wir unseren Lebensraum auf diesem Planeten erhalten möchten.
Deshalb arbeiten wir an der globalen Klimaneutralität aller unserer Produkte. Seit 2012 sind wir hier am Standort bereits klimaneutral. Wir haben ein eigenes Label namens ‚Green Shape‘ entwickelt, das auf den höchsten, unabhängigen ökologischen und sozialen Standards basiert. Diese strengen Kriterien werden bereits von über 95 Prozent unserer Bekleidungskollektion erfüllt. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und sorgen dafür, dass nach und nach der Großteil der Vaude-Produkte überwiegend aus recycelten oder biobasierten Materialien bestehen, weil wir damit die Emissionen deutlich verringern. Gleichzeitig engagieren wir uns dafür, dass unsere Lieferanten auf erneuerbare Energien umstellen.
Wie fördern Sie Mitarbeiter*innen?
Unsere Mitarbeiterinnen dürfen hier ganz Mensch sein – uns ist es wichtig, dass wir gute Rahmenbedingungen bieten, so dass sich jeder Einzelne gut entfalten und seine privaten und beruflichen Bedürfnisse vereinbaren kann – egal ob Mann oder Frau. Wenn man das konsequent weiter denkt, schafft das natürlich bessere Bedingungen für Frauen, die zum den Großteil der Kindererziehung und des Haushalts übernehmen.
Tauschen Sie sich mit anderen Frauen in ähnlichen Positionen aus?
Leider wenig. Gerade in der Outdoor- und Sportbranche gibt es außer mir wenige Frauen, der Schnitt ist etwa drei Frauen zu 150 Männern.
Welche Tipps würden Sie aktuellen Absolvent*innen oder Ihrem jüngeren Selbst geben?
Augen auf bei der “Partnerwahl”, das gilt im Privaten, aber eben auch im Beruf: passt der Arbeitgeber zu mir, zu meinen Werten, zu dem, was ich will? Wenn man sich und seinen Werten treu bleiben will, ist das wichtig, denn gerade als junger Mensch läuft man Gefahr, sich an eine Unternehmenskultur anzupassen und die eigenen Werte zu vernachlässigen. So nach dem Motto: „So läuft der Hase hier, also muss ich es auch so machen.“ Aber dadurch vergibt man Chancen, von denen alle profitieren könnten.