Kinderarbeit & Niedriglöhne: Die wahren Kosten der Bekleidungsproduktion in Myanmar
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London – Während Myanmar weiterhin viel Geld investiert, um einer der führenden Bekleidungsproduzenten und Exporteure der Welt, zu werden, wirft ein aktueller Bericht ein neues Licht auf eine Vielzahl an Problemen in der Modeindustrie des Landes - Insbesondere die Tatsache, dass dort Kinder im Alter von 14 Jahren für nur 13 britische Pence, oder gut 15 Euro-Cent, pro Stunde Kleidung für westliche Modeketten produzieren.
Modeketten wie H&M, New Look und Lonsdale sollen alle mit Fabriken zusammengearbeitet haben, die Kinder in diesem Alter anstellten, so der Bericht mit dem Titel “The Myanmar Dilemma”, herausgegeben von der Organisation Centre for Research on Multinational Corporations (auch bekannt also SOMO). Gemeinsam mit dem Observer und den lokalen NGOs Action Labor Rights und Labour Rights Defenders and Promoters, wurden für den Bericht über 400 Arbeiter aus 12 Fabriken interviewt. Dabei kam heraus, das Arbeitern nur die Hälfte des gesetzlichen Mindestlohns gezahlt wurde und dass viele Kinderarbeiter Überstunden arbeiteten.
Bekleidungsfabriken in Myanmar, die für H&M und New Look fertigten, stellten Arbeiter im Alter von 14 Jahren an
In den letzten Jahren wurde Myanmar, dank seiner niedrigen Löhne und Import- sowie Exporttarife als Produktionsstandort der Modeindustrie, insbesondere für westliche Marken, zunehmend attraktiv. Derzeit wird Myanmar als preiswertere Alternative zu Nachbarländern wie Thailand, Kambodscha, China und Indonesien gesehen, was zu einer Abwanderung der Produktionsstätten in das Land geführt hat. Momentan sind beinahe die Hälfte der Bekleidungsfabriken in Myanmar in ausländischer Hand oder Joint Ventures zwischen Unternehmen in Myanmar und im Ausland. Etwa 400 Bekleidungsfabriken gibt es aktuell in Myanmar, dort sind etwa 350.000 Arbeiter angestellt, 90 Prozent davon Frauen.
Der gesetzliche Mindestlohn in Maynmar beträgt 3,600 Burmesische Kyat (etwa 2,50 Euro) für einen achtstündigen Arbeitstag – das sind umgerechnet etwa 30 Cent pro Arbeitsstunde. In der Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass einigen Arbeitern nur etwa die Hälfte des Mindestlohns gezahlt wurde, also etwa 15 Cent pro Stunde, sodass diese Arbeiter, die unter anderem für Ketten wir Sports Direct, H&M, New Look und Muji produzierten, an einem Arbeitstag etwa 1,06 Pfund, oder 1,24 Cent pro Tag verdienten. Dem Bericht zufolge zahlten diese Firmen neuen Arbeitern einen reduzierten Lohn – eine Lücke in den Arbeitsgesetzen Myanmars. Die Arbeiter könnten mit diesen geringen Löhnen kaum ein normales Leben führen und arbeiteten bis zu 11 Stunden pro Tag, an sechs Wochentagen, um auf ein ausreichendes Gehalt zu kommen, fand der Report heraus. Zusätzlich brachten die Recherchen auch ans Licht, dass Fabriken, die unter anderem New Look, Sports Direct, Karrimor und Henri Lloyd mit Ware belieferten, ihre Arbeiter mehr als 60 Stunden arbeiten ließen – ein Verstoß gegen den Factories Act Myamars, der eine maximale Arbeitszeit inklusive Überstunden von 60 Stunden als Obergrenze festsetzt.
Auch fand die Forschergruppe heraus, dass in allen 12 Fabriken Arbeiter unter 18 Jahren angestellt waren. In der Hälfte der Fabriken fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Angestellten bei Arbeitseintritt jünger als 15 gewesen sein mussten. Obwohl es in Myanmar gesetzlich erlaubt ist, dass 14-jährige bis zu vier Stunden täglich arbeiten, ist es gängig, dass Arbeiter bei ihrem Alter lügen, um mehr arbeiten und mehr verdienen zu können. Von ihnen wird verlangt, dieselbe Arbeit zu verrichten wie erwachsene Angestellte – ebenfalls ein Verstoß gegen das Gesetz. Etwa die Hälfte der Teilnehmer hatte keinen unterschriebenen Vertrag für ihre Anstellung in der Fabrik vorzuweisen, was bedeutet, dass sie auch keine Rechte oder Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen können.
Diese Gehalts-Abwärtsspirale wird angetrieben von Fast Fashion-Ketten, die immer auf der Suche nach dem neuen günstigen Produktionsland sind. Daraus resultiere ein ungesunder Wettbewerb zwischen den Fertigungsländern in der Region, so das Fazit des SOMO-Reports. „Das Gesetz wird in Myanmar nicht angemessen befolgt. Die Armee hat noch immer starken Einfluss. Zivile Gesellschaftsorganisationen sind erst seit 2012 erlaubt“, sagte Martje Theuws, einer der Wissenschaftler bei SOMO. „Die Bekleidungsindustrie bleibt zum großen Teil unbehelligt. Es stellt sich zu Recht die Frage, ob es an der Zeit ist, dass ausländische Firmen in Myanmar investieren. Das Risiko der Verletzung von Arbeitsrecht sehr hoch. Unternehmen sollten umfassende Analysen aller Probleme anstellen und sicherstellen, dass sie gemeinsam mit ihren Lieferanten an diesen Risiken arbeiten, bevor sie Ordern platzieren. Unsere Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Firmen das nicht in ausreichendem Maße tun.“
Als Reaktion auf den Bericht gab H&M ein Statement auf seiner Unternehmenswebsite bekannt, das bestätigte, dass dieser „die industrieweite Herausforderungen“ benenne, an denen schon seit Jahren gearbeitet werde. „Für uns ist es von höchster Wichtigkeit, dass all unsere Produkte unter guten Arbeitsbedingungen und unter Berücksichtigung der Umwelt, der Gesundheit und der Sicherheit gefertigt werden. Wir wollen, dass Menschen mit Respekt behandelt werden und dass unsere Zulieferer all ihren Arbeitern gute, faire und sichere Arbeitsbedingungen bieten“, so der schwedische Moderiese. „Ein gemeinsamer Ansatz ist der Schlüssel zu langanhaltenden Verbesserungen und deshalb arbeiten wir mit anderen Marken, Organisationen, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern zusammen.“
Es ist nicht das erste Mal, dass H&M beschuldigt wird, in Myanmar mit Fabriken zusammenzuarbeiten, die Kinder im Alter von 14 beschäftigen. Erst im vergangenen August kam die Veröffentlichung mit dem Titel 'Modeslavar' von Moa Kärnstrand und Tobias Andersson Akerblom heraus, die darauf hinwies, dass Fabriken in dieser Region regelmäßig sehr junge Arbeiter einstellten.
Auf Anfrage von FashionUnited im Bezug auf den Bericht, teilte ein Sprecher von New Look mit: „Wir nehmen die in dem Bericht hervorgehobenen Problematiken ernst. Wir arbeiten mit unseren Zulieferern und lokalen Partnern in Myanmar zusammen, um die Erkenntnisse anzusprechen und die Entwicklung einer moralisch vertretbaren Bekleidungsindustrie in der Region zu unterstützen.“
Foto Credit: SOMO