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Tim Labenda: „Der Handel ist in einer Schockstarre“

Von Barbara Russ

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Mode|INTERVIEW

Für Tim Labenda hagelte es in den vergangenen Jahren Nominierungen und Preise aller wichtigen Nachwuchsförderungen im deutschsprachigen Raum. Ganz neu kommt auch noch eine Nominierung für den prestigeträchtigen Woolmark Price hinzu. Man sollte meinen, wenn es einem finanziell gut geht in der deutschen Jungdesignerszene, dann wohl Tim Labenda. Doch der Designer zeichnet ein anderes Bild von seiner und der Lage der Designerförderung in Deutschland im Allgemeinen.

Welche finanziellen Förderungen hast du bisher erhalten?

Wir haben 2014 den ‚Start Your Fashion Business Award’ gewonnen, der mit 22.000 Euro dotiert war. Als Auflage war daran gebunden, dass wir in Berlin ansässig sein mussten, also sind wir mit dem Label nach Berlin umgezogen. Wir haben außerdem den Vienna Award als bester Newcomer gewonnen. Dieser Award war neben einem Geldwert von 10.000 Euro auch noch mit einer Order vom Kaufhaus Steffl verbunden. Dort haben wir ebenfalls noch einmal etwa 10.000 Euro mit Abverkäufen umgesetzt. Das war schon ein wirklich guter Preis, weil man dabei auch Kundenfeedback erhalten hat und Präsenz zeigen konnte. Leider wurde daraus aber keine langfristige Zusammenarbeit.

Warum nicht?

Ich weiß es auch nicht genau. Die Ware hat sich erstaunlich gut verkauft, es waren am Ende nur 30 Prozent übrig, was ein guter Schnitt ist. Das Feedback, das wir meistens in solchen Fällen bekommen ist, dass die Flächen umstrukturiert werden, oder dass die Teile zu viel Erklärungsbedarf haben oder dass die Kunden die Brand nicht kennen. Abseits der Aktionsfläche, die im Zusammenhang mit dem Award stand, hat man sich auch dort eben einfach nicht getraut, uns noch einmal zu ordern. Diese Erfahrung steht leider exemplarisch für unsere bisherige Zusammenarbeit mit größeren Händlern.

Siehst du also das Hauptproblem für Jungdesigner bei den Händlern die sich nicht genug trauen?

Ja. Der Handel ist in einer Art Schockstarre und traut sich nichts. Man hat das Gefühl, egal was man tut, man bekommt den Handel nicht dazu, etwas von einem einzukaufen. Der Endkunde trägt zwar auch eine Mitschuld, aber letzten Endes ist er eben anhängig vom Angebot im Handel und der Vermittlung durch den Verkäufer. Wir haben auch viele Anfragen von Privatkunden, die sich selbst im Internet informieren, weil der Handel dies versäumt. Also an den Konsumenten liegt es in meinen Augen nicht, oder nicht in erster Linie.

Und welche Instanzen haben bisher geholfen?

Der Vogue Salon hat uns definitiv geholfen uns in den letzten vier Saisons einem Modepublikum zu präsentieren und ein Bewusstsein für unsere Marke zu schaffen. Vom German Fashion Council merken wir erst einmal noch nichts, weil wir durch ihn nicht explizit gefördert werden. Sowohl der Vogue Salon, als auch der Berliner Modesalon waren bisher immer in erster Linie hilfreich für Pressekontakte, weniger für den Kontakt zu Einkäufern. Zwar haben wir dort auch Kontakte zu Zalando und Brands4Friends geknüpft, mit denen wir später kooperiert haben, aber auch hier ging es wieder um eine punktuelle Hilfe und nicht um langfristigen Support.

Wie liefen diese Kollaborationen?

Bei Zalando handelte es sich um eine Designerkollaboration. Wir haben eine Capsule Collection kreiert, die Zalando von uns eingekauft und über seine Kanäle vertrieben hat. Das war im eigentlichen Sinne keine Förderung sondern ein Deal. Bei Brands4Friends kann man es eher als Förderung sehen, weil hier einmalig 20.000 Euro als Jungdesignerförderung gezahlt wurden und dann die Kollektion regulär eingekauft wurde. Diese Art der Zusammenarbeit fand ich ziemlich gelungen. Da wir uns aber im hochpreisigen Segment bewegen, kam das Projekt bei der Brands4Friends-Kundin nicht so gut an.

Also eigentlich wäre der optimale Partner für eine solche Kollaboration jemand wie Net-a-Porter - das eine ähnliche Zusammenarbeit mit Esteban Cortazar gelauncht hat - oder ein Shop wie Mytheresa, wenn man im deutschen Raum bleiben will?

Ja, genau. Da hat man die Kundin, die das Label versteht und auch die nötige Kaufkraft besitzt. Plus einen starken Partner mit finanzieller und medialer Power.

Was würde Euch jungen Designern am meisten helfen?

Ich kann da nur für mein Label sprechen und würde mir jemanden wünschen, der sich der Finanzen und der Businessplanung annimmt. Ich habe mich da natürlich auch schon beraten lassen und Coachings erhalten. Aber so etwas muss längerfristig gedacht werden und am besten von jemandem, der immer da ist und sich richtig gut auskennt. Ich habe gehört, dass das bei der Förderung des German Fashion Council, die aktuell bei Nobi Talai und Marina Hoermanseder zur Anwendung kommt, in eine solche nachhaltige Richtung geht. Das müsstest du sie aber selbst fragen.

Woran scheitert deiner Meinung nach die Förderung der Designerlandschaft in Deutschland?

Helfen würde es, wenn große Firmen offener wären, mit Designern zusammenzuarbeiten. Das hat sich ja am Beispiel meiner Arbeit für Hessnatur ganz schön gezeigt. Die haben sich getraut, einen mutigen Schritt zu wagen und einen kreativen Kopf in die Firma zu holen, dann aber nach zwei Saisons diesen Mut wieder verloren. Dann hieß es auf einmal, sie bräuchten jemanden, der fünf Tage pro Woche vor Ort ist und dem Rest der Firma signalisiert: Da ist jemand. Ich finde das schade, denn es funktioniert ja in den anderen Ländern auch, dass ein Designer, der sich schon einen Namen gemacht hat, die kreative Leitung einer etablierten Brand übernimmt. So gelingt ein Image-Transfer und eine neue kreative Ausrichtung, auch ohne dass ein J.W. Anderson täglich bei Loewe sein muss. (lacht.)

Was wünscht Du Dir für Dein Label?

Ich bräuchte ganz konkret mehr Kapital. Ich habe aktuell keine Schulden; habe mein Label mit eigenem Erspartem, Erwirtschaftetem und den Fördergeldern finanziert, aber es reicht eben nie, um große Sprünge zu machen. Toll wären eigene Läden. Dadurch würden Stoffe und Produktion günstiger, weil man dann mehr Ware produzieren könnte. Dadurch wiederum würde die Ware insgesamt günstiger und wäre vielleicht für den einen oder anderen Händler interessanter.

Was würdest Du einem jungen Designer raten, der sich selbständig machen will?

Es besser sein zu lassen. (Pause.)

Man braucht einen wahnsinnig langen Atem und es ist nervlich sehr strapazierend. Du kennst ja meinen Werdegang. Wir haben mit dem Label beinahe jeden Preis und jede Förderung bekommen, die es hierzulande gibt, sogar noch die aus Österreich – und sind trotzdem nicht an einem Punkt, wo sich das Label selbst trägt. Ich muss, in unserer siebten Saison, nach wie vor mein eigenes Geld in das Label pumpen, damit es weitergeht. Ich wüsste jetzt auch spontan niemanden in der Berliner Designerlandschaft, dem es da merklich besser geht. Jeder muss sehen, was er nebenbei macht, oder wo er Fördergelder herbekommt, die die nächste Show und einen Teil der Kollektion tragen. Ich glaube, richtig gut davon leben kann keiner. Da muss sich etwas ändern, sonst sehe ich da schwarz - niemand hat mit Anfang/Mitte dreißig Lust, sich so zu verschulden, dass er da nie wieder rauskommt.

Harte Worte. Hast Du ein positives Schlusswort für dieses Interview?

Das fällt mir tatsächlich ein bisschen schwer. Ich fürchte, es wird durch die ‚See Now- buy Now’-Umstrukturierung noch schwieriger für die kleinen Labels werden, sich durchzusetzen. Der Kostenaufwand, den es erfoordert, Ware auf Lager zu produzieren, ist immens. Ich habe das Gefühl, dass die Mode bei dieser Entwicklung komplett ihren Zauber verliert. Deshalb hoffe ich, dass neue Fördermodelle - vielleicht von Seiten des Staates - gefunden werden, damit wir Designer weiter machen können.

Portrait-Credit: Markus Jans


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