Altkleidung in Deutschland bewältigen - Recyclehero zeigt, wie es geht
Wird geladen...
Mit circa. 5,5 Kilogramm Altkleidern pro Kopf jährlich sind die Deutschen nicht nur die Top-Exporteure von Alttextilien in der EU, sondern sogar weltweit, übertrumpft nur von den USA. Diese Kleidung belastet Menschen und Umwelt, nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Globalen Süden, wo die Kleidung oft landet. Weder dort noch in Europa gibt es selten die richtige Recycling-Infrastruktur, um mit den Textilbergen verantwortlich umzugehen.
Dem will das Hamburger Abfallmanagementunternehmen Recyclehero entgegenwirken: Es bietet einen kostenlosen Abholservice für Altkleider in ganz Deutschland an und gibt die Kleidung dann an Second-Hand-Shops und Hilfsorganisationen innerhalb Deutschlands weiter.
Kommunikation ist Recyclehero wichtig und so ist das Unternehmen bei Veranstaltungen wie der Fashion Revolution Week dabei und geht auch auf große Medienhäuser zu, um dem Thema Recycling und gerade dem Textirecycling mehr Sichtbarkeit zu verleihen.
FashionUnited wollte genauer wissen, was hinter dem Konzept des Unternehmens steckt und wie es funktioniert und sprach mit Co-Founderin Nadine Herbrich und Content-Marketing und Kommunikationsmanagerin Hannah Ernst über die Idee, Annahme, Finanzierung und was man mit Textilien machen kann, die sich nicht für Second Hand eignen.
Wann und wie entstand die Idee für Recyclehero?
Unsere Co-Founder Nadine Herbrich und Alessandro Cocco haben Recyclehero 2020 in Hamburg gegründet, um den Weg zu einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft zu erleichtern und zu beschleunigen. Die Idee entstand aber schon 2017 in der WG-Küche der beiden, wo sich permanent Altglas und Altpapier stapelten und die beiden sich einen praktischen Abholservice für Wertstoffe gewünscht hätten. Also haben sie kurzerhand selbst einen ins Leben gerufen! So ist Recyclehero zunächst als Abholservice für Altglas, Altpapier und Pfand in Hamburg gestartet.
Allerdings wurden wir 2021 auf die globale Problematik Fast Fashion, Altkleidersammlung und -verwertung aufmerksam: Über herkömmliche Entsorgungswege wie den Altkleidercontainer wird ein Großteil der Kleidung zerstört oder in den Globalen Süden exportiert. Wir wollten Menschen ein zuverlässiges und transparentes Angebot schaffen, ihre Altkleider wieder zurück in möglichst lokale Wiederverwertungskreisläufe zu bringen, und starteten einen Test, um den Bedarf bei unseren Kund:innen zu prüfen. Nach Absolvierung eines erfolgreichen Pilotprojekts nahmen wir die Abholung von Textilien fest im Service-Portfolio auf. Parallel suchten wir Partner:innen, um die Altkleider zu verkaufen, sodass ein möglichst lokaler Secondhand-Kreislauf entsteht. Mittlerweile bieten wir unseren kostenlosen Abholservice für Altkleider in ganz Deutschland an.
Wie wird das Angebot angenommen? Sind es mehr Einzelpersonen oder Unternehmen?
Das Angebot wird sehr gut angenommen. Unser Grundgedanke ist es von Anfang an, möglichst niedrigschwellige Lösungen sowohl für Privatpersonen als auch Firmen anzubieten, über die sie sich an der Kreislaufwirtschaft beteiligen können. Dabei versuchen wir, an jede Lebensrealität zu denken: Unsere Kund:innen können sich zum Beispiel im Büro zusammentun und Altkleider in einem kollegialen Setting sammeln oder tauschen, bevor wir den Rest der Kleidung abholen; so wird das ganze schnell zur Teambuilding-Maßnahme. Aber auch für Modemarken bieten wir einen Takeback-Service für gebrauchte Kleidung an, den sie ihren Kund:innen durch die Einbindung ihrer Website und/oder über eine klassische Altkleider-Sammelbox in ihrer Ladenfläche zur Verfügung stellen können. Wir haben also einen bunten Mix aus Einzelpersonen, Büros und Unternehmen, die gerne auf unseren Service zurückgreifen.
Wie finanziert sich die Initiative, zahlen die Second-Hand-Partner:innen?
Unser Start-up finanziert sich dadurch, dass wir die abgegebene Kleidung an unsere Second-Hand-Partner:innen verkaufen.
Wie werden diese gefunden beziehungsweise ausgewählt?
Bei der Auswahl unserer Secondhandpartner:innen ist uns vor allem eines wichtig: die gemeinsame Intention darüber, wo die Kleidung letztlich landet. Hier ist also vor allem ein hohes Maß an Transparenz wichtig. Wir legen außerdem einen starken Fokus auf den lokalen Vertrieb der Kleider in Deutschland und versuchen, unsere Kreisläufe immer so lokal wie möglich aufzubauen. Exporte in den Globalen Süden sind für uns ein absoluter Dealbreaker, da wir es nicht fair finden, unsere Kleidung einfach in Länder zu verschiffen, deren Recycling-Infrastruktur gar nicht darauf ausgelegt ist.
Wie viele Altkleider werden im Durchschnitt gesammelt und was wird am häufigsten abgegeben - Oberteile, Hosen, Damen-, Herren- oder Kinderbekleidung?
Unser Service gewinnt kontinuierlich an Bekanntheit. Überwiegend wird bei uns Kleidung für Frauen abgegeben, aber auch viele Klamotten für Männer und Kinder sind dabei. Die Hauptsache ist, dass die Kleidung sauber und tragbar ist, sodass unsere Second-Hand-Partner:innen etwas damit anfangen können. Wir nehmen Kleidung, Schuhe und Accessoires an, aber zum Beispiel keine Heimtextilien. Als Faustregel sagen wir oft: Alles, was man am Körper tragen kann.
Es ist verständlich, dass nur Altkleidung gesammelt werden kann, die sich für Second Hand eignet. Was aber, wenn Menschen zerschlissene oder kaputte Kleidung, Bettwäsche oder Socken und Unterwäsche recyceln wollen, gibt Recyclehero da Empfehlungen?
Je nachdem, wie kaputt die Gegenstände sind, macht es tatsächlich manchmal mehr Sinn, sie wegzuwerfen, als sie in den Altkleidercontainer zu werfen oder zu reparieren. Wir handeln immer nach der Abfallhierarchie, die es vorschreibt, Abfälle so lange wie möglich zu vermeiden, Gegenstände in einem nächsten Schritt wiederzuverwenden und erst dann ans Recycling oder sonstige Verwertung zu denken. Wir sind selbst nicht zufrieden mit den aktuellen Möglichkeiten für die Verwertung kaputter Textilien und empfehlen daher, die Kleidung so lange wie möglich selbst zu nutzen, etwa als Putzlappen oder in einem Upcycling-Projekt.
Auch die thermische Verwertung, in der Kleidung üblicherweise landet, die im Restmüll entsorgt wird, hat letztlich ihre Daseinsberechtigung für diejenigen Kleidungsstücke, für die wirklich kein anderer Ausweg bleibt. So wird wenigstens vermieden, dass das Kleidungsstück auf einer Mülldeponie verrottet und dort Methan ausstößt und Grundwasser und Böden durch andere Chemikalien belastet werden. Wir beschäftigen uns permanent damit, was am sinnvollsten ist und sind auch aktiv auf der Suche nach Partnerschaften, die eine sinnvolle Lösung für zerschlissene oder minderwertige Kleidung innerhalb unserer Kreisläufe leisten können.
Wir brauchen insgesamt dringend Investitionen in Technologien wie Faser-zu-Faser-Recycling, die etwas Sinnvolles mit den Textilien anzufangen wissen, und mehr Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette! Da verabschiedet die EU aktuell wichtige Gesetze, wie zum Beispiel die Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR), die Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für ihre Textilprodukte verantwortlich macht. Es bleibt also Hoffnung im Hinblick auf die Politik!
Welche neuen Ansätze gibt es bei Recycelhero?
Wie oben schon erwähnt bieten wir seit kurzem eine Takeback-Lösung für Modeunternehmen an: Kund:innen der Marken können über uns ihre alte Kleidung loswerden und erhalten bei der jeweiligen Marke einen Gutschein für den Einkauf von Neuware. Damit verbessern wir das bereits vorhandene Sammelangebot großer Modeunternehmen, indem wir eine sinnvolle Weiterverwendung für die Kleidung finden. Uns ist es wichtig, für diese Lösung mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die unsere Werte im Hinblick auf Umwelt, Menschen und Tiere teilen. Partnerschaften bestehen zum Beispie bereits mit Chapati Design und Toby Tiger.
Außerdem bieten wir seit April den deutschlandweiten, klimaneutralen Versand von Altkleidern über DHL Go Green Plus an. So können Menschen aus ganz Deutschland unseren Service nutzen und sich einfach zwischen bequemer Abholung zu Hause oder der flexiblen Abgabe in einer Poststelle, Packstation oder im Paketshop entscheiden. Der Service wird super angenommen, weil erstaunlich vielen Menschen die Alternativen fehlen, ihre ungenutzte Kleidung einer sinnvollen Wiederverwertung zuzuführen.
Das Interview wurde von FashionUnited in schriftlicher Form geführt.