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Beschaffung: #PayUp-Initiative drängt Marken und Einzelhändler, Lieferungen jetzt zu bezahlen und nicht in 60 Tagen

Von Simone Preuss

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Der Ausbruch des Coronavirus hat die Wirtschaft der westlichen Welt stark beeinträchtigt und das öffentliche Leben zum Stillstand gebracht. Auch die Modebranche ist betroffen und gerade kleine und mittelgroße Labels, Marken und Einzelhändler werden es schwer haben und vielleicht sogar aufgeben müssen. Dies heißt die Entlassung oft jahrelang beschäftigter treuer Mitarbeiter, die es schwer haben werden, aber trotz allem ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch und hoffentlich ein Unternehmen oder ein Sozialsystem haben werden, das ihnen in den nächsten Monaten über die Runden hilft. Und sie müssen nicht um ihr Leben fürchten. Für die Arbeiter und Arbeiterinnen in bekleidungsherstellenden Ländern sieht dies anders aus.

Für diejenigen auf der untersten Sprosse der Beschäftigungsleiter, gerade in asiatischen Beschaffungsländern wie Bangladesch, Indien, Pakistan, Kambodscha, Vietnam und anderen, ist die derzeitige Krise existenzbedrohend. Hier bieten staatliche Hilfssysteme bestenfalls Flickwerk-Lösungen an, die die Arbeitnehmer vielleicht einen Monat lang über Wasser halten, keinesfalls aber mittel- oder langfristig. Hier bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes, dass kein Einkommen, keine Abfindung, keine Zahlung ausstehender Löhne erfolgen wird. Da praktisch keine Ersparnisse vorhanden sind, wird das Geld für Lebensmittel bald knapp werden, von Mietzahlungen ganz zu schweigen. Armut, Obdachlosigkeit und Hungersnot sind die Folgen, nicht nur für Bekleidungsarbeiterinnen und -arbeiter, sondern für ihre gesamten Familien.

Deshalb können sich internationale Auftraggeber, die jahrelang von der harten Arbeit der Menschen und den hauchdünnen Margen ihrer Fabriken profitiert haben, nicht mehr ihrer Verantwortung entziehen, indem sie Aufträge stornieren und Zulieferbetrieben, die über Jahre hinweg für sie da waren, den Rücken kehren. Was eine global vernetzte Großfamilie sein sollte, zeigt plötzlich, wie zerrüttet sie ist.

Existenz von Millionen von Bekleidungsarbeitern steht auf dem Spiel

Wie FashionUnited in den letzten Tagen berichtete, könnten 4,1 Million Bekleidungsarbeiter allein in Bangladesch Hunger leiden, wenn internationale Auftraggeber ihre Verträge nicht einhalten und sich hinter dubiosen Auslegungen der Klauseln über allgemeine höhere Gewalt verstecken. Sie sind noch nicht einmal bereit, für bereits ganz oder teilweise hergestellte Ware, CTM-Kosten und Rohmaterialien aufzukommen.

Fairerweise muss gesagt werden, dass große internationale Auftraggeber wie Primark, H&M, Inditex, Marks & Spencer, PVH und Target seitdem in den Vordergrund getreten sind und versprochen haben, ihre Verpflichtungen und Verträge einzuhalten: „Wir werden zu unseren Verpflichtungen gegenüber unseren Lieferanten für die Bekleidungsherstellung stehen, indem wir sowohl die bereits produzierten Kleidungsstücke als auch die in Produktion befindlichen Waren übernehmen. Wir werden diese Waren natürlich bezahlen, und zwar zu den vereinbarten Zahlungsbedingungen. Darüber hinaus werden wir keine Preise für bereits erteilte Aufträge aushandeln. Dies steht im Einklang mit unseren verantwortungsvollen Einkaufspraktiken und ist nicht nur in Bangladesch, sondern in allen Produktionsländern der Fall“, hieß es etwa bei H&M in einer Erklärung vor einer Woche.

„Primark hat heute angekündigt, dass die Zahlung der Löhne und Gehälter, die sich auf dieses Produkt beziehen, unter Berücksichtigung der Anpassungen für die in den einzelnen Ländern bereitgestellten staatlichen Unterstützungspakete, finanziert wird. Diese Aktion wird Aufträge aus den folgenden Ländern abdecken: Bangladesch, Kambodscha, Indien, Myanmar, Pakistan, Sri Lanka und Vietnam. In Absprache mit externen Interessengruppen wird das Primark-Team für ethischen Handel Mechanismen untersuchen, um sicherzustellen, dass dieses Geld die Arbeitnehmer erreicht“, versprach der irische Fast Fashion-Riese Primark in einer Erklärung vom Montag.

Was die Auftraggeber leider nicht verstehen ist die Dringlichkeit der Situation für Bekleidungsarbeiter in den genannten Beschaffungsländern. Sie müssen jetzt bezahlt werden, nicht erst in 30, 60 oder 90 Tagen. Denn dann sind die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits ohne Geld, Hoffnung oder Optionen, obdachlos, und die Familien am verhungern.

#PayUp-Initiative drängt Auftraggeber, Verträge jetzt einzuhalten

Aus diesem Grund hat die in den USA ansässige NRO Remake zusammen mit Mostafiz Uddin, Eigentümer des Denim-Herstellers und -Exporteurs Denim Expert Ltd. aus Bangladesch und der Gewerkschaftsaktivistin und Gründerin des Bangladesh Center for Worker Solidarity, Kalpona Akter, die #PayUp-Initiative ins Leben gerufen, die internationale Marken und Einzelhändler dazu auffordert, ihren Verpflichtungen nachzukommen und jetzt ihre in Produktion befindlichen Aufträge zu bezahlen.

„Wie wir letzten Freitag bei einem Gespräch mit Fabrikbesitzern und führenden Vertretern von Interessenvertretungen in Bangladesch erfuhren, haben viele Marken, die ‘versprochen’ haben, für in Produktion befindliche Aufträge zu zahlen, keine zeitliche Verpflichtung für ihre Zahlungen übernommen. Dies bedeutet, dass sie, obwohl sie positive Presse bekommen, ihrer finanziellen Verantwortung gegenüber den Lieferanten nicht wirklich nachkommen. Dies ist verheerend“, kommentiert Remakes Marketingdirektorin Katrina Caspelich in einer E-mail an FashionUnited.

„Für diese Zahlungen gibt es keine zeitliche Verpflichtung. Bekleidungshersteller werden nicht bezahlt, weil Marken ihre Waren noch nicht abnehmen. Fabriken lagern ihre Ware und Marken halten die Zahlungen möglicherweise bis Juni oder Juli zurück, falls sie uns überhaupt bezahlen“, erläutert Uddin. Da bisher keine Marke künftige Bestellungen aufgegeben hat, bedeutet dies, dass die Fabriken im Sommer ihre Türen schließen müssen, wenn sie nicht jetzt und nicht etwa auf der Grundlage früherer vertraglicher Lieferbedingungen mit 60 bis 90 Tagen Zahlungsverzug bezahlt werden.

Notfallfonds für Arbeiter sind das Gebot der Stunde

„Marken müssen einen Notfallfonds einrichten, da es sich um dieselben Arbeitnehmer handelt, die seit Jahren für sie Gewinne erzielen. Wenn sie das nicht tun, werden die Schwächsten kein Essen auf dem Tisch haben. Marken müssen sich den Herausforderungen stellen. Wir fordern keine Großzügigkeit, sondern Verantwortung“, drängt Akter.

„Es ist wichtig, dass wir die Millionen von Bekleidungsherstellern jetzt nicht vergessen. Marken haben jahrzehntelang Profite mit Hilfe dieser Arbeiter gemacht, und nun versuchen sie, sie im Stich zu lassen, wenn sie sie am verwundbarsten sind“, fügt Caspelich hinzu.

In Krisenzeiten wie diesen geht es sicherlich nicht darum, wer mehr leidet, ob im Osten oder im Westen; es ist kein Wettbewerb, sondern es geht darum, Mitgefühl für die einzigartige Situation des anderen zu entwickeln und die Chance zu nutzen, aus dieser noch nie dagewesenen Situation stärker hervorzugehen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und darauf aufzubauen, was funktioniert und was im Moment am meisten gebraucht wird. Nur dann wird die Zukunft überschaubar und sogar ein bisschen besser werden.

Foto: Remake

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