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Blockchain-Startup Retraced: „durch Transparenz mehr Vertrauen in der Modebranche aufbauen“

Von Simone Preuss

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Business|INTERVIEW

Das Düsseldorfer Startup Retraced sammelt per Blockchain Daten in der Wertschöpfungskette von Modemarken und trägt so zur Transparenz in der Lieferkette bei: Endkunden können zurückverfolgen, inwieweit ihr Konsumverhalten die Umwelt und das Leben der Menschen, die mit dem Produkt verwickelt sind, beeinflusst. Dafür gewann das Startup, das erst im Oktober letzten Jahres gegründet wurde, den diesjährigen Sonderpreis Digitalisierung in der Kategorie Startups im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2020. FashionUnited wollte mehr erfahren und hat sich mit den Mitbegründern Lukas Pünder (CEO) und Philipp Mayer (COO & CMO) über die Herausforderungen und jüngsten Entwicklungen bei Retraced unterhalten.

Könnt ihr uns ein bisschen zu den Anfängen von Retraced erzählen?

Lukas Pünder: Die Geschichte von Retraced fängt eigentlich mit Cano an - der Marke, mit der wir die Huaraches (bequeme, geflochtene Sommerschuhe) nach Deutschland bringen wollten. Philipp wohnte eine Zeit lang in Mexiko und startete dort die Produktion, die natürlich unter fairen Bedingungen geschehen sollte. Zudem handelt es sich um pflanzlich gegerbtes Leder. Es war anfangs nicht so einfach, sich im Modemarkt durchzusetzen, und auch bei den nachhaltigen Vorteilen haben wir uns überlegt ‘wie kann man das kommunizieren?’ Dazu haben wir uns entschlossen, in die Nachhaltigkeitsnische zu gehen und haben damit den Zahn der Zeit gut getroffen.

Philipp Mayer (links) und Lukas Pünder bei der Preisverleihung/Retraced

Philipp Mayer: Als Marke, die nicht gleichzeitig auch Hersteller ist, möchten wir mehr die Leute in den Vordergrund rücken, die unsere Produkte produzieren. Uns war eine Transparenzlösung wichtig, etwa den Schuh zu scannen und dann sehen zu können, wer daran gearbeitet hat. Die Entstehungsgeschichte war uns wichtig, da pro Schuh etwa zehn Leute daran arbeiten, und auch bei den Materialien zu beleuchten, wo sie herkommen.

LP: Damit war der Grundstein für Retraced gelegt, da wir nichts Adäquates auf dem Markt fanden und eben selbst unseren Ansatz verfolgten. Dann haben wir festgestellt, das ist eine supercoole Lösung, die auch für andere Marken interessant wäre. Also haben wir uns früh mit Oracle zusammengetan, um von der technischen Kompetenz zu profitieren.

Es half, dass schon ein Grundverständnis von Transparenz vorlag, da wir uns für Cano schon sechs Monate lang mit Transparenz beschäftigt hatten. Oracle hat uns viel bei der Konzeptionalisierung unterstützt, so dass wir seit Anfang des Jahres mit einem Pilotprojekt an den Start gehen und nach fünf bis sechs Monaten Testphase an der eigenen und einer weiteren Marke erweitern konnten.

Jetzt arbeiten wir an der Automatisierung, wobei es letztendlich egal sein wird, ob ein Unternehmen 100 oder 100.000 Produkte herstellt. Wir sind sehr schnell vorangekommen und erwarten, im ersten Quartal des nächsten Jahres, sechs bis sieben weitere Marken aufnehmen zu können.

Aus welcher Richtung kommt das Interesse? Welche Marken sprechen euch an?

LP: Der Modemarkt ist sehr spezifisch, aber wir haben den Vorteil, dass wir sowohl die soziale als auch die ökologische Nachhaltigkeit abdecken. Daher stammt das Interesse derzeit eher von nachhaltigen Modemarken, aber wir sprechen auch viel mit eher kommerziellen Modemarken, die ein Tool suchen, um ihre Bemühungen in diesem Bereich zu kommunizieren.Die ersten Marken, mit denen wir in Kontakt gekommen sind, kommen entweder über unser persönliches Netzwerk oder über Messen, auf denen wir entweder mir Retraced unterwegs sind oder sogar mit Cano selbst ausgestellt haben. Die Nachricht zum Produkt und zur Transparenz verbreitet sich sehr schnell; Mundpropaganda funktioniert sehr gut. Wir erreichen überwiegend deutsche Marken, haben aber auch Europa im Visier.

Wie fangen interessierte Marken damit an, Retraced zu nutzen und ihre Transparenz in der Lieferkette zu erhöhen?

PM: Erst einmal muss die Supply Chain gemappt werden. Im besten Fall weiß die Marke schon, bei wem sie produzieren lässt und welche Unterlieferanten es gibt. Wenn nicht, dann werden die einzelnen Zulieferer kontaktiert und gebeten, ihre Lieferkette offenzulegen. Sobald das geschehen ist, werden alle Teilnehmer miteinander verknüpft und jeder bekommt einen eigenen Account.

Wie sieht das konkret aus?

PM: Wenn eine Marke zum Beispiel 1.000 T-Shirts in Auftrag gegeben hat, dann bekommt der Hersteller die Anfrage ‘Stimmt es, dass Marke XYZ 1.000 T-Shirts bestellt hat?’. Als Beweis muss dann eine Auftragserteilung oder ein Foto der Bestellung beziehungsweise des Lieferscheins oder des Produkts hochgeladen werden. So haben wir ein 2-Way Tracing System. Die Bestellung wird akzeptiert und man hat etwas vorzuweisen, bis das Produkt angekommen ist; man weiß auch, wo genau es hergestellt wird.Viele Marken fragen jedoch immer noch ‘was ist der Wert einer solchen Leistung?’. Da muss noch ein Umdenken stattfinden beziehungsweise das Produkt für sich sprechen und die Überzeugungsarbeit leisten.

Welche Schritte sind genau involviert?

LP: Erst findet ein Mapping statt, dann das Tracing und dann die Analyse. Man kann zum Beispiel Informationen zu den Rohmaterialien und Zertifizierungen einsehen. Es gibt zum Beispiel acht Kriterien im Fairness Bereich und im ökologischen Bereich. Konsumenten können auch die Beweise einsehen. Das Interesse daran wächst, gerade in den letzten zehn Monaten.

Hier hat die Digitalisierung sehr geholfen und die Tatsache, dass alles per Handy abrufbar ist. Gleichzeitig gibt es aber Leute, die ohne Handy aufgewachsen sind und eher traditionelle Methoden bevorzugen. Bei solchen Marken kann man auf Labels setzen; wir erklären ihnen jedoch, dass die junge Zielgruppe der Markt von morgen ist. Zudem ist es spannend für Marken, die im Einzelhandel verkaufen, diese Technik anzunehmen, um die Digitalisierung im Laden voranzutreiben. Das ist oft ein Schulungsproblem, das man mit QR-Codes oder Hangtags ausgleichen kann.

Es ging ja alles sehr schnell von der Idee für Retraced bis zur Gründung. Hat sich alles gut zusammengefügt oder hattet ihr auch Schwierigkeiten zu überwinden?

LP: Die technische Lösung funktioniert sehr gut. Aber wir arbeiten natürlich mit Menschen zusammen, auf die man eingehen muss. Viele Menschen wollen ihre Geheimnisse nicht preisgeben, wo und wie sie produzieren, da müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten. Zudem muss das technische System sehr einfach sein, denn sonst ist der Zeitaufwand zu groß und dann ist die Resistenz groß, es auch zu nutzen.

PM: Auf jeden Fall muss mit jedem Kunden neu Vertrauen aufgebaut und unser Transparenz-Modell erklärt werden. In den Fällen, wo einige Hersteller tatsächlich ‘Geheimtipps’ der Branche sind, muss Retraced das Vertrauen aufbauen, dass mit den Daten vertraulich umgegangen wird. Wir müssen den Hersteller verifizieren, so dass Endkunden diesen Schritt nachverfolgen können, aber wir können bestimmte Informationen wahren.

LP: In der Zukunft sehen wir unsere Lösung als Ergänzung bei den größeren Marken, die eigene Systeme haben. Zudem planen wir, über die gesammelten Daten zusätzliche Informationen anzubieten, mit denen eine Verbesserung der Lieferkette aufgezeigt werden kann, denn wir sehen ja jeden Schritt im Detail. Darauf werden wir uns in den nächsten ein bis zwei Jahren konzentrieren.

Die Endkonsumenten und Brands sollen verstehen, dass die Transparenz für den Endkonsumenten entsteht. Retraced versteht sich als eine Kommunikationsplattform, durch die mehr Vertrauen in der gesamten Branche aufgebaut werden kann.

Wer legt die Grundsteine für die Modewelt von morgen? In der Serie 'Fashion & Tech Start-ups' stellt FashionUnited Newcomer aus dem deutschsprachigen Raum vor, die Bekleidung und Technologie verbinden.

Fotos: Retraced

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