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Die Türkei ein Jahr nach dem Erdbeben

Von Simone Preuss

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Bild: Imad Alassiry via Unsplash

Ein OECD-Update in der vergangenen Woche befasste sich mit dem türkischen Bekleidungssektor ein Jahr nach dem Erdbeben im Februar 2023. Die Online-Veranstaltung wurde vom Verband der Istanbuler Bekleidungsexporteure (IHKIB) organisiert und beleuchtete die Auswirkungen auf Schlüsselbereiche wie Produktion, Exporte und Einhaltung sozialer Standards in der Branche. Außerdem wurden strategische Ansätze und bevorstehende Initiativen zur Bewältigung der Herausforderungen vorgestellt, mit denen die Branche weiterhin konfrontiert ist.

Am 6. Februar 2023 wurde die Türkei von zwei schweren Erdbeben erschüttert, die elf Provinzen in der Zentral- und Südtürkei betrafen - Adana, Adiyaman, Diyarbakir, Elazig, Gaziantep, Hatay, Kahramanmars, Kilis, Malatya, Osmaniye und Sanliufa. Mehr als 50.000 Menschen starben und mehr als 150.000 wurden verletzt; Millionen Menschen wurden obdachlos.

Auswirkungen auf die Bekleidungs- und Textilproduktion

Etwa 10 Prozent der türkischen Bekleidungsproduktion findet in dem vom Erdbeben betroffenen Gebiet statt, mit fast 3.300 Bekleidungsfabriken, die über 81.500 Mitarbeitende (11 Prozent des gesamten Sektors) beschäftigen und einen Anteil an den Bekleidungsexporten von 2,6 Prozent (498 Millionen Euro) haben. Fast 2.450 Fabriken widmen sich der Herstellung von Textilien und Rohstoffen, beschäftigen fast 150.000 Arbeitnehmende (30,5 Prozent des gesamten Sektors) und tragen fast ein Drittel (32,1 Prozent) oder 3,04 Milliarden Euro zu den gesamten Textilexporten bei.

Während die meisten Betriebe in den Industriezonen nicht vom Einsturz bedroht waren und einige Provinzen die Produktion bereits im März 2023 mit normaler Kapazität wieder aufnehmen konnten, begannen andere mit geringeren Kapazitäten. Einer Studie des türkischen Industrieministeriums zufolge waren rund 8.600 Produktionsbetriebe betroffen, wobei fast 40 Prozent der Schäden an Gebäuden, rund 30 Prozent an Maschinen und fast 20 Prozent an Lagerbeständen entstanden.

„Obwohl die meisten unserer Fabriken in diesen Provinzen die Produktion wieder aufnehmen können, wird es einige Zeit dauern, bis unsere Mitarbeiter:innen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Denn wir können und wollen nicht erwarten, dass Menschen, die ein schweres Trauma erlitten haben, an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. In diesen Provinzen haben wir uns auf die vorübergehende Unterbringung unserer Arbeitskräfte und auf soziale Unterstützungsprogramme konzentriert und nicht auf die Produktion“, erklärte IHKIB-Präsident Mustafa Gültepe im März 2023.

Im Rahmen der Kampagne „Stand with Türkiye“, die vom türkischen Exportverband (TIM) ins Leben gerufen wurde, halfen internationale Marken wie Amazon, Bestseller, C&A, Decathlon, Inditex, Mango und andere mit Geldspenden oder Lebensmittel- und Kleiderspenden. Geschäftspartner:innen zeigten Verständnis für vorübergehende Produktionsunterbrechungen und Auftragsverzögerungen.

Wirtschaftliche Auswirkungen

In Bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen bestätigte Cem Altan, Präsident des Internationalen Bekleidungsverbands (IAF), dass das betroffene Gebiet in Bezug auf die Produktion wieder zum „normalen Leben“ zurückgekehrt sei, fügte jedoch in Bezug auf die psychologischen Auswirkungen hinzu, dass es „für diejenigen, die geliebte Menschen verloren haben, immer noch schwierig“ sei.

Obwohl die elf Provinzen nur eine sekundäre Produktionsbasis für die Branche in Istanbul und die westlichen Abnehmenden darstellen und die Produktion daher nicht allzu sehr beeinträchtigt wurde, schätzt Altan, dass der Wiederaufbau einen Betrag von etwa 150 Milliarden US-Dollar (rund 138 Milliarden Euro) erfordern würde. Angesichts der derzeitigen Inflation, der steigenden Energiepreise und der Tatsache, dass die Menschen andere Prioritäten als den Kauf von Kleidung haben, sei dies „ein großes Problem“, so Altan.

Nach der Pandemie im Jahr 2022 begann sich die Lage gerade zu bessern, als das Erdbeben geschah. Altan verweist auf Zahlen, wonach die Umsätze bis Juni 2023 aufgrund schneller Lieferungen und der Lage der Türkei als Near-Shoring-Drehscheibe für die EU noch gestiegen seien. Danach gingen jedoch die Textil- und Bekleidungsexporte in die EU zurück, da die Nachfrage nicht nur in der Türkei, sondern weltweit nachließ.

„Die Inflation beeinträchtigt die normalen Kaufgewohnheiten; die Entführungen im Roten Meer und der Terrorismus erschweren die Schifffahrt und führen zu Umwegen und Verzögerungen bei Lieferungen in die EU“, erklärt Altan.

„Die Türkei ist ein wichtiges Beschaffungsziel. Auch wenn das Erdbeben wirtschaftlich nicht allzu viele Probleme verursacht hat, sind die globalen Probleme, vor denen wir stehen, größer. Ich hoffe, dass die Türkei bald wieder ganz oben auf der Liste der Beschaffungsländer steht“, schloss Altan.

Lang- und mittelfristige Maßnahmen

Nilgün Özdemir, Mitglied von TIM und des IHKIB-Ausschusses für internationale Beziehungen und Nachhaltigkeit, sprach über die kurz-, mittel- und langfristigen Strategien, die zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind.

Während der Wiederaufbau und insbesondere die Bereitstellung von Notunterkünften für die vertriebenen Arbeitskräfte kurzfristige Prioritäten sind, gehören zu den mittelfristigen Strategien die Schaffung von „menschenwürdigen und nachhaltigen Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge und die aufnehmenden Gemeinden“, einschließlich der beruflichen und technischen Ausbildung. Investitionen des türkischen Industrie- und Technologieministeriums und der Organisation für die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen (KOSGEB) in diesem Bereich sollen sicherstellen, dass Unternehmen ihre Tätigkeit rasch wieder aufnehmen können.

Langfristig wird es darauf ankommen, das Produktionsniveau der Region zu halten, und Özdemir betonte in diesem Zusammenhang, dass die Nachhaltigkeit nicht vergessen worden sei. Sie erwähnte hier den europäischen „Green Deal“, der sechs kritische Transformationsprioritäten und 40 Maßnahmen vorsieht, die den Sektor bei der Transformation unterstützen sollen. Digitalisierung, eine grüne Transformation, Kreislaufwirtschaft, Sozialverträglichkeit und grüne Fähigkeiten sind wichtige Aktionssäulen, ebenso wie die Steuerung und Finanzierung.

In der Türkei sind eine Million Menschen in der Textil- und Bekleidungsindustrie beschäftigt, 55 Prozent davon sind Frauen. Mit 60 Prozent der Gesamtexporte ist die EU der größte Markt für türkische Bekleidung und Textilien, gefolgt von anderen europäischen Ländern (11 Prozent), GUS (10 Prozent), Nahost (8 Prozent), Nordamerika (5 Prozent), Afrika (4 Prozent), Fernost (1 Prozent) und anderen (1 Prozent).

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