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Nach der Insolvenz: Wie stellt sich Gerry Weber neu auf?

Von Weixin Zha

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Gerry Weber hat während der Ordertage in Düsseldorf seine erste Kollektion nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens vorgestellt. Im Zuge der Verjüngungskur gelobt der Bekleidungskonzern aus Halle auch Besserung gegenüber seinen Einzelhandelspartnern. Produktvorstand Urun Gursu sprach mit FashionUnited über die Lage und Pläne bei Gerry Weber, die auch Store-Eröffnungen beinhalten.

Im vergangenen Jahr ist die Gerry Weber International AG im Zuge der Insolvenz drastisch geschrumpft. Nicht nur die Anzahl eigener Verkaufsflächen sank 2019 weltweit von 808 auf mehr als 500, das Unternehmen prognostiziert auch eine Halbierung des Umsatzes für das Kalenderjahr 2020.

Wie feilt Gerry Weber an der Kollektion?

Von November 2017 bis Dezember 2018 erwirtschaftete Gerry Weber noch einen Umsatz von 794,8 Millionen Euro. Ein Jahr später, nach dem Verkauf der Tochter Hallhuber und hunderten Ladenschließungen liegt das Umsatzziel für 2020 zwischen 370 bis 390 Millionen Euro. Und die Verkleinerung des Geschäftsbetriebs steht nur am Anfang von vielen Schritten, die über den weiteren Fortbestand des Unternehmens entscheiden.

Bild: Urun Gursu, Chief Product Officer und Vorstandsmitglied bei Gerry Weber

Die Kollektion muss auch wieder den Geschmack der Kundinnen treffen. Marktumfragen von Gerry Weber haben ergeben, dass Kundinnen nach gesetzteren Drucken und Farben verlangt haben, sagt Produktchef Urun Gursu am Montag im Düsseldorfer Showroom. Seit März vergangenen Jahres ist der ehemalige Produktmanager von Marken wie Esprit und Mango bei Gerry Weber und erklärt, wie er die Kollektionen der Liefertemine für das zweite Halbjahr näher an die Trends der Zeit gebracht hat.

Eine minimalistische Scuba-Jacke in Ultramarin, gehört ebenso zum neuen Kollektionsbild wie eine weiße Baumwoll-Bluse mit subtiler Mikrostruktur und dezenter Silberborte. Das zum Januar 2020 aktualisierte Never-Out-of-Stock Sortiment umfasst neben Jersey-Blazern jetzt auch Shirts aus Biobaumwolle.

Insgesamt wirkt die Kollektion cleaner und die Farben sind gedeckter als früher. Bei einer Themengruppe gibt es nur noch einen Print, dazu maximal zwei “Kickfarben”, sagt Gursu. “Das beruhigt das Thema und gibt uns die Möglichkeit fokussiert in der Aussage zu sein.” ‘Modern’ und ‘klare Handschrift’ sind Wörter, die oft fallen, wenn er über die Kollektion spricht, die aktive Frauen ab 40 Jahren einkleiden soll. In den vergangenen Jahren hat es Gerry Weber nicht geschafft jüngere und modebewusste Konsumenten anzusprechen. Der bestehende Kundenstamm aber wurde gleichzeitig älter, blieb der Marke vor allem wegen Qualität und Schnitt treu.

Bild: Klassisch, sportive Silhouetten bei Gerry Weber im Düsseldorfer Showroom | FashionUnited

“Wir müssen die Passformkompetenz, die ein wesentlicher Teil unserer DNA ist, mit Modegrad und Modernität wieder zusammenbringen, um wieder einer der wesentlichen Spieler in der Kategorie Classic Mainstream sein zu können”, fasst Urun Gursu das Ziel für die Hauptmarke Gerry Weber zusammen.

Wie kommt die neue Kollektion an?

Die zum Unternehmen gehörenden beiden Marken, Taifun und Samoon, unterstehen dem Produktchef seit Dezember. Hier will Gursu die Kollektion gegenüber dem Flaggschiff Gerry Weber klarer abgrenzen. Taifun, die Marke für Frauen ab Ende 30, soll feminin sein und preislich wettbewerbsfähiger; daneben ist die Hauptmarke Gerry Weber eher sportiv und klassisch. Die Frage bleibt, ob die modische Richtung, die das Unternehmen einschlägt auch die ist, die seine Kundinnen kaufen werden.

Im Januar sei die neue Kollektion in den eigenen Stores auf vergleichbarer Ladenfläche bereits gut angelaufen, erzählt Gursu. Das sei ein guter ein Indikator dafür, dass die Umstellung von den Kundinnen angenommen werde.

Bild: Cord, Rüschen und Schlupfenblusen sollen für Feminität bei Taifun sorgen | FashionUnited

Und wie wird die neue Kollektion im Wholesale, also außerhalb der eigenen Stores, angenommen? “Die ersten Feedbacks von der Orderrunde und von der davor waren sehr gut”, sagt er. “Für die aktuelle Orderrunde Juli, August, September gehen wir wieder davon aus, dass wir das Budget erfüllen.” Die Ziele für den Großhandel von Januar bis Juni wurden bereits erreicht und damit rund 60 Prozent des gesamten Wholesale-Budgets für 2020, so Gursu. Wie hoch die Zielvorgaben genau seien, kommentierte er nicht.

Gerry Weber gelobt Besserung gegenüber Handelspartnern

Während der Insolvenz sei die Anzahl der Wholesalepartner laut dem Unternehmen nicht “nennenswert” zurückgegangen, aber viele Händler hätten reduziert. Gerry Weber hofft hier wieder mehr Zuspruch zu bekommen. “Wir müssen jetzt wieder Vertrauen schaffen,” sagt Gursu. “Aktuell fokussieren wir uns darauf, mit den Kunden, die wir haben, mehr Umsatz zu machen.”

Das Unternehmen legt auch Wert darauf, offen zu kommunizieren und räumt Fehler freimütig ein – beispielsweise, dass der Materialeinsatz bei Taifun in der vergangenen Herbst-Saison nicht optimal war und vom Markt abgestraft wurde.

Auch mit seinem früheren Gebaren und Fehlern – wie Store-Eröffnungen ohne Händler im Umland zuvor zu informieren – geht Gerry Weber nun offen um und verspricht in Zukunft immer aktiv auf seine Handelspartner zuzugehen. “Diese proaktive Kommunikation, dieser proaktive Dialog ist wesentlich, um sicherzustellen, dass die Wholesalepartner frühzeitig abgeholt werden", sagt Gursu.

Bild: Klare Botschaften an den Handel im Düsseldorfer Showroom von Gerry Weber | FashionUnited

Gerry Weber will auch nicht mehr wie früher möglichst hohe Mengen bei seinen Handelspartnern durchdrücken und Umsätze “aufdoktrinieren”, was zu hohen Retourmengen führte und am Schluss der Begehrlichkeit der Marke geschadet hat", gelobt das Vorstandsmitglied. “Wir sind jetzt im Gespräch mit den jeweiligen Partnern, wo wir eine Bottom-Up Planung zugrunde legen und fragen: 'Welcher Umsatz macht Sinn für dich und für uns?” Außerdem will Gerry Weber seine Preisnachlässe “deutlich” zurückfahren und auch hier stärker mit seinen Partnern in Dialog treten.

Gerry Weber will wieder Stores eröffnen

Gerry Weber plant 2020 auch bereits die Eröffnung von drei Stores in Europa nachdem die Ladenschließungen im vergangenen Jahr “weiße Flecken” auf der Landkarte hinterlassen haben. An diesen Orten mit Umsatzpotenzial werde nun geprüft, ob Läden mit Franchisepartnern eröffnet werden oder durch das Unternehmen selbst. Fest steht bereits, dass ein eigener Store von Gerry Weber im belgischen Lüttich im April oder Mai diesen Jahres eröffnen soll. Das Land komme auch als potentieller Markt für weitere Store Eröffnungen im Rahmen der Retail Expansion bis 2022 in Frage.

Klicken Sie durch die Slideshow, um sich einen Eindruck über Jacken und Mäntel aus der HW2020-Kollektion von Gerry Weber zu verschaffen.

Bild: FashionUnited

Gerry Weber
Gerry Weber International AG
Urun Gursu