Schöffel: Wie ein Reparatur-Service die Bindung zu Kund:innen stärkt
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Schon seit vielen Jahrzehnten bietet der deutsche Outdoor-Anbieter Schöffel seinen Kund:innen die Möglichkeit, Produkte in der hauseigenen Werkstatt reparieren zu lassen. Und immer mehr nutzen dieses Angebot. Das liegt auch daran, dass Schöffel diesen Service aktiv bewirbt. Schließlich ist jedes reparierte und länger genutzte Produkt am Ende nachhaltiger als ein neu gekauftes. Erst vor wenigen Wochen startete Schöffel eine Repara-Tour durch Deutschland, um in Kooperation mit mehreren Händler:innen die Bekleidung der Kundschaft zu reparieren.
Wir sprachen mit Ludwig Schuster, Leiter der Schöffel Service Factory, über die Aktion, warum Schöffel selbst repariert, statt den Service auszulagern, und ob die steigende Nachfrage nach Reparaturen daraus eines Tages Profitcenter machen könnte.
Sie sind mit einem Reparatur-Van durch Deutschland getourt und haben bei Händler:innen Reparaturen angeboten. Wie genau lief diese Tour ab?
Wir sind mit unserem E-Van, einer Schneiderin und einem Mitarbeitenden für die Organisation an sechs Wochenenden zu sechs Händler:innen in Deutschland gefahren und zwar quer durch ganz Deutschland, von Husum bis München. Unsere Partnergeschäfte waren Sporthaus Schuster in München, C.J Schmidt in Husum, Dodenhof in Posthausen, Sport Borgmann in Krefeld, Sporthaus Krumholz in Mühlheim-Kärlich und Sport Wanninger in Cham. Entweder hatten die Händler:innen eine Fläche für uns freigeräumt, wo wir unsere Nähmaschine und viele weitere Utensilien aufgebaut haben, oder wir waren draußen in einem Zelt vor dem Laden untergebracht. Die meisten Reparaturen konnten wir so tatsächlich vor Ort durchführen. Insgesamt waren es um die 50 Reparaturen während der gesamten Tour. Alles kostenlos und für alle Marken.
Warum finden Händler:innen es interessant, Produkte bei sich im Shop reparieren zu lassen?
Händler:innen freuen sich immer, wenn sie Attraktionen auf der Fläche anbieten können. Wir mussten tatsächlich stark kuratieren und hätten deutlich mehr Stopps machen können. Die Voraussetzung bei der Auswahl der Händler:innen war, dass sie unsere 'Circularity'-Kollektion im Sortiment haben.
Warum machen Sie so eine aufwändige Aktion? Sie bieten Reparaturen beispielsweise ja auch über Ihren Onlineshop an?
Zum einen wollten wir gerne das Thema Nachhaltigkeit präsentieren und zum anderen sind solche Aktionen immer auch ein Frequenzbringer für den Handel, denn einige Kund:innen sind ja gezielt wegen der Aktion vorbeigekommen. Für die Händler:innen ist so ein Serviceangebot immer ein schöner Gesprächseinstieg, nicht nur am Eventtag selbst, sondern schon im Vorfeld. Und wir merken, dass solche Aktionen den Verkauf steigern.
Sie verfügen schon länger über ein eigenes Reparatur-Center. Warum leisten Sie sich einen Reparatur-Service?
Wir erhöhen mit dem Service die Touchpoints zu unseren Kund:innen und bekommen dafür regelmäßig ein gutes Feedback. Wir werden für sie tatsächlich zu einer Problem-Lösungs-Hilfe. Unseren Reparatur-Service gibt es schon seit 1961. Entstanden ist er früher eher aus dem schwäbischen Gedanken heraus, dass man die Sachen lieber repariert als ersetzt, und heute vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit. Und natürlich eignet sich das Thema auch sehr gut als Marketingkampagne.
Wie groß ist diese Werkstatt und wie lange dauert eine Reparatur im Schnitt?
In unserer Service Factory in Schwabmünchen arbeiten 15 Personen, viele davon sind Teilzeitkräfte. Die Aufgaben kann man in drei Bereiche einteilen: Reparaturen, interner Service für die Produktentwicklung - beispielsweise für Polizei und Behörden, die wir ja auch beliefern – und Qualitätssicherung. Die Gewichtung der Aufgaben ist jeden Tag anders. In dem Team fließen also viele Synergien zusammen. Pro Reparatur benötigten wir 2023 durchschnittlich etwa drei Tage, und 95 Prozent der Teile werden innerhalb von fünf Tagen wieder zu den Kund:innen zurückgesendet.
Bieten Sie die Reparaturen kostenlos an?
Wir reparieren nur kostenlos, was in die Gewährleistung und einen Kulanzrahmen fällt. Darüber hinaus arbeiten wir mit einer Preisliste, welche wir als Hersteller subventionieren, um die Dienstleistung attraktiv zu halten. Ein neuer Reißverschluss kostet beispielsweise 53,55 Euro. Dafür machen wir die Reparatur originalgetreu. Wir haben lange diskutiert, ob wir den Service kostenlos anbieten sollen, uns aber dagegen entschieden, weil es da draußen ja auch ein Gewerbe gibt, das davon lebt. Wenn wir umsonst reparieren würden, hätte das auch einen Effekt auf andere.
Binden Sie das Thema Reparatur in die Produktentwicklung ein?
Es gibt regelmäßig Feedback an die Produktentwicklung und wöchentliche Meetings mit dem Qualitätsmanagement. Dort wird dann beispielsweise auch erörtert, wenn eine Reparatur nicht gelingt, weil der Aufbau des Produktes zu kompliziert war. Aber grundsätzlich stehen wir immer vor dem Zielkonflikt Reparaturfähigkeit versus Design. Schließlich muss das Produkt erstmal am Markt bestehen und gekauft werden, nur dann kann man es später auch reparieren. Es gibt auch Produktgruppen, die sind grundsätzlich schwer zu reparieren, beispielsweise Taschenzipper in Drei-Lagen-Jacken, die komplett verklebt sind. Da kommt man nur ran, wenn man die verschweißten Nähte wieder löst und neu verklebt. Grundsätzlich ist alles machbar, aber wenn die Reparatur einen ganzen Arbeitstag erfordert, muss man sich irgendwann fragen, ob der Aufwand noch gerechtfertigt ist.
Stellen Sie fest, dass Ihre Kund:innen dieses Serviceangebot verstärkt nachfragen?
Die Anzahl der Reparaturen wächst jährlich um etwa zehn Prozent. Im letzten Jahr hatten wir in unserer Service Factory in Schwabmünchen an die 4.900 Reparaturen, dieses Jahr werden es in etwa 5.500 sein. Für die Schweiz und das Vereinigte Königreich werden die Reparaturen gemeinsam mit einem Dienstleister vor Ort repariert. Wir kommunizieren das Thema zunehmend, eine klare Aussage, ob die Menschen mehr Reparaturen machen lassen, weil sie gerne nachhaltiger leben wollen oder weil sie auf unser Angebot aufmerksam werden, fällt mir deshalb schwer.
Das Thema „After-Sales-Services“ wird gerade viel besprochen. Was bieten Sie neben den Reparaturen noch an?
Seit 2019 bieten wir außerdem einen Care-Service für technische Produkte wie beispielsweise wasserdichte Bekleidung oder Daunenjacken an. Dafür kooperieren wir mit der spezialisierten Wäscherei Meyer & Kuhl. Über unsere Website können unsere Kund:innen ihre Produkte direkt dorthin schicken, oder sie geben die Produkte in den Lowa /Schöffel-Stores ab.
Außerdem haben wir einige Reinigungsvideos gelauncht und verkaufen auch die entsprechenden Reinigungsprodukte, die garantiert keine Weichspüler enthalten, was für wasserabweisende oder wasserdichte Produkte wichtig ist.
Es heißt, heute benötigen Produkte mehr Pflege als früher, da die neuen wasserabweisenden Ausrüstungen nicht mehr so robust sind, als noch Ausrüstungen mit per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) verwendet wurden. Ist das auch ein Grund für diesen Service?
Durch die Umstellung der DWR [wasserabweisende Ausrüstung von Oberstoffen; Anm. d. Red.] auf PFAS-freie DWRs muss man öfter nachimprägnieren. Das ist nicht nur bei uns so, sondern auch bei allen anderen Herstellenden. Wir stellen generell fest, dass im Bereich Pflege noch Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Denn gerade bei der Pflege von Outdoor-Produkten, wie zum Beispiel Regenjacken, ist die Angst noch groß, weil viele Leute nicht wissen, wie man sie richtig pflegt. Und aus Angst machen sie lieber gar nichts, was eigentlich genau das Falsche ist.
Denken Sie, Services wie Pflege, Reparatur oder auch Änderungen haben das Potenzial zum Profitcenter?
Schöffel besteht schon sehr lange, deshalb verfügen wir über den nötigen Maschinenpark und das nötige Know-how, um diese Services selbst anbieten zu können. Aber wir können die Reparatur dennoch nicht kostendeckend anbieten, sondern müssen subventionieren.
Für uns als Hersteller ist der Ausbau des Reparaturservices zum Profitcenter uninteressant. Denn der entscheidende Punkt ist die Erwartungshaltung der Kund:innen. Wenn man zu Dienstleister:innen geht, ist man vielleicht auch mit einem Klebepatch zufrieden, dann muss nicht der Originalstoff verwendet werden, dann darf man die Reparatur auch sehen. Aber bei uns als Hersteller haben Kund:innen ganz andere Erwartungen. Dann soll man die Reparatur nicht sehen, was zugleich wesentlich mehr Aufwand bedeutet. Zudem ist eine Reparatur sehr kommunikationsintensiv und bedarf viel Absprache mit den Kund:innen darüber, was möglich ist, was es kostet, was am Ende gewünscht wird. Die Kund:innen müssen immer eingebunden werden.
Würde man so weit gehen, daraus ein Profitcenter machen zu wollen, gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man wird teurer, oder man senkt die Kosten durch Auslagerung. Beides sehen wir derzeit nicht.
Grundsätzlich ist es unsere Intention, Reparaturen zugänglicher zu machen. Das bedeutet nicht, dass wir die Reparaturmenge in unseren Service Factory erhöhen. Stattdessen wollen wir unsere Kund:innen auch befähigen, leichte Reparaturen selbst durchzuführen und verschicken beispielsweise Reparatur-Sets und haben Videos zum Thema Pflege gelauncht. Der aktuelle DIY-Trend spricht dafür, dass die Menschen gerne mehr selber machen wollen.
Wir stehen hier auch im Austausch mit anderen Herstellenden und das allgemeine Feedback lautet, dass kein:e Hersteller:in damit Geld verdienen will. Es geht eher um Kundschaftsbindung und darum, ein Erlebnis für die Kund:innen zu schaffen. Nichts verbindet schließlich mehr, als gemeinsam ein Problem gelöst zu haben!