Labels to Watch: Neudeutsch auf der Pitti Uomo

Eine ‘Neue Deutsche Welle’ erobert die internationale Messelandschaft.

Am Dienstag eröffnet die Männermodemesse Pitti Uomo ihre Türen in Florenz und legt mit der Ausstellungsfläche ‘Neudeutsch’ erstmals einen Fokus auf Mode ‘Made in Germany’. In Anlehnung an den namensgebenden Begriff wählte Neudeutsch-Kurator, Stylist und Trendforcaster Julian Daynov in Deutschland ansässige Marken, die hiesige Mode neu denken und beweisen, dass diese mehr als pragmatisch, praktisch, gut kann, ohne dabei allerdings den Sinn fürs Kommerzielle zu verlieren. Letzteres war Daynov ein besonderes Anliegen. Das Wort mag häufig einen nicht unbedingt schmeichelhaften Beigeschmack haben, doch der Wahlberliner ist sich durchaus bewusst, dass hinter dem modischen Spektakel nicht nur der Wunsch, sondern die Notwendigkeit steht, die Gunst von Einkäufer:innen für sich zu gewinnen und am Ende des Tages auf einer Verkaufsfläche zu überzeugen.

Dabei setzt Daynov nicht nur auf Namen, die der deutschen Modelandschaft bereits geläufig sind, wie die Berliner Marken Haderlump und Avenir oder das Kölner Label Marke, sondern nutzt die Ausstellungsfläche auf dem florentinischen Messegelände auch, um noch weitestgehenden unbekannte, in Deutschland arbeitende Talente in das internationale Scheinwerferlicht zu rücken. Mit von der Partie sind, wie es sich für eine Modemesse schickt, selbstverständlich vor allem Modemarken, doch auch Produktdesign, Kunst und sogar etwas für den kleinen Durst zwischendurch ist bei Neudeutsch zu finden.

Fünf der “neudeutschen” Labels to Watch stellt FashionUnited Ihnen zum Messeauftakt vor

J'ai mal à la tête

Mode gegen Kopf und Weltschmerz? Zumindest war es der Satz "J'ai mal à la tête et à l'univers" aus dem Werk “Das Buch der Unruhe” des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa der der 2012 von Anja Pawlik und Roman Dorfner in München gegründete Marke seinen Namen lieh. Als Heilmittel für den besagten Weltschmerz präsentiert das Duo Kollektionen, die den “rasanten Zeitgeist in zeitlose Stücke” verwandeln. Konkret bedeutet das von einem klischeehaften Männerbild gelöste Mode, die sportliche und elegante Züge vereint und dabei auf Nachhaltigkeit in der Produktion setzt. Jedes Stück der Marke, die den Bedürfnissen postmoderner Individualist:innen, die sich maskulin und gleichzeitig originell zu kleiden wünschen, gerecht werden will, wird in Deutschland und Rumänien gefertigt.

„Wir legen großen Wert auf die hohe Qualität unserer Produkte, indem wir hochwertige Stoffe verwenden, bei denen moderne Technologie mit langjähriger Tradition und Expertise kombiniert wird“, so das Münchner Gründer-Duo. „Unsere Designs, hochwertigen Materialien und Handwerkskunst verleihen jedem Artikel eine einzigartige Optik und Haptik.“

Frnkow

Das 2020 von dem Geschwisterpaar Frank und Nadja Lin gegründete Label Frnkow widmet sich der häufig vernachlässigten sinnlichen und gefühlvollen Seite der Männermode. Basierend auf den klassischen Formen der Herrenmode interpretieren die Stücke des Stuttgarter Labels, darunter sowohl Bekleidung als auch Wäsche, Maskulinität neu und verleihen ihnen eine subtile Sinnlichkeit, die insbesondere fließenden, weich anmutenden Stoffen und weichen Silhouetten zu verdanken sind. Neben der Stofflichkeit werden den im Schnitt maskulin anmutenden Teilen außerdem stereotypisch feminine Details wie Schleifen oder Schluppen hinzugefügt, die ein zarteres Bild der Männlichkeit zeichnen.

Acceptance Letter Studio

Ein “Acceptance Letter”, also ein Annahmeschreiben werde als Anerkennung der eigenen Arbeit entgegengenommen oder gegeben und bietet ihr ein Zuhause, schreibt Label Acceptance Letter Studio auf seiner Website und legt damit die Philosophie des 2021 vom in Korea geborenen Designer Jakeyoung Shim gegründeten Labels nieder. Akzeptanz und Anklang stehen im Zentrum der Marke, die sich Inklusion, Funktionalität und Geschlechtsneutralität auf die Fahne geschrieben hat. Die Kleidungsstücke der Marke sind für den alltäglichen Gebrauch gedacht und bedienen sich dabei der Athleisure, ohne dabei jedoch gänzlich in die Welt der Streetwear abzudriften.

International Citizen

Das 2020 von der Kanadierin Annika Tibando in Berlin gegründete Label International Citizens kreiert Damen- und Herrenmode, die Nachhaltigkeit und Spiritualität vereint. Das Label, so Tibando, die zuvor mehre Jahre in New York, unter anderem bei der US-amerikanischen Marke Diane von Fürstenberg tätig war, wird von der Philosophie getragen, dass wir nicht Bürger:innen eines Landes, sondern des Planeten Erde sind, ein Ethos, der in den Nachhaltigkeitsbemühungen des Labels widerspiegeln soll. Während der Gedanke an Chakra-Kristalle, die in die Kleidung eingewebt sind, zunächst an eine hippie artige Ästhetik denken lässt, ist International Citizen überraschend minimalistisch. Die Schnittkonstruktion der auf der Womenswear basierenden Kollektionen zeichnet sich durch geometrische Linien, gezielte Aussparungen und unerwartete Formen aus und resultiert in einer cleanen und sinnlichen Optik, die Jahreszeiten und modische Strömungen umgehen, um allzeit nebeneinander zu bestehen.

OBS

Die 2019 von Matthias und Johannes Schweizer in Augsburg gegründete Leder- und Taschenmarke findet ihren Ursprung in der Herkunft der Brüder aus einer handwerklich geprägten Familie. Die ersten Entwürfe der Brüder wurden im Keller ihres Elternhauses verwirklicht, bevor das OBS-Team 2020 um ihren Schulfreund Salim Jakoub Ibrahim erweitert wurde. Seit der Gründung konzentriert sich OBS auf die Herstellung von langlebigen Produkten, die hochwertige Materialien mit einzigartigen Designkonzepten verbinden. Die Form jedes Stücks ist eng mit dem Konstruktionsprinzip verknüpft, wobei Langlebigkeit und die Minimierung von Materialverschwendung im Vordergrund stehen. Dieser sorgfältige Ansatz zeigt sich in den Ledertaschen, die mit rohen Kanten und sichtbaren Nähten versehen sind und von einer großen Liebe zum Detail zeugen.

Die Produktpalette umfasst nicht nur Taschen, sondern auch Kleinlederwaren, Schmuck und Kleidung, die alle funktional und mit minimalem Ressourceneinsatz hergestellt werden. OBS bezieht die Materialien nachhaltig, oft aus Restbeständen, und setzt auf hohe Standards bei den Produktionspartner:innen in der Umgebung.