Laufbahn wird Laufsteg: Warum Running jetzt die Mode antreibt

Von Ole Spötter

2. Apr. 2025

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Mode
On x Post Archive Faction Credits: On Running

Lange war Joggen nur ein sportliches Hobby – heute ist “Running” ein Lifestyle-Statement, das die Ziellinie zur Modewelt überquert. Von Luxus-Laufschuhen bis hin zu athleisure-tauglichen Laufjacken verschwimmen die Grenzen zwischen Funktion und Trend immer mehr.

Im Amsterdamer Nelson Mandela Park sind die neuesten Styles zu bewundern: Ein lässiges T-Shirt mit einem großen Print auf dem Rücken wird über ein Longsleeve gestylt, das auf enge Laufshorts trifft – ein Spiel mit verschiedenen Proportionen. Der gesamte Look ist in Schwarz gehalten. Dazu wird eine schnelle, sportliche Sonnenbrille der Marke Oakley ins Haar drapiert. Es ist aber keine Guerilla Fashion Show eines lokalen Design-Kollektivs, sondern der Style eines Läufers, der am wöchentlichen ‘Crewlove Run’ vom Streetwear-Urgestein Patta teilnimmt.

Spieglein an der Wand: Wer hat das schönste Lauf-Fit?

Das passende Lauf-Outfit wird immer wichtiger für Hobby-Athlet:innen. Sie setzen einen windschnittigen, aber dennoch lässigen Look in Szene. Damit können die Läufer:innen nach ihrer Runde im Park noch beim Kaffeestand halt machen, ohne zwischen den anderen Gästen als ‘Fashion Fauxpas’ herauszustechen.

„Das modische Erscheinungsbild des Laufsports hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt“, erklärt Matthew Glynn, Head of Strategy & GTM, Sports bei Zalando. „Früher schnappten sich Läufer:innen einfach ein Paar Schuhe, zogen ein altes T-Shirt an und kombinierten es mit einer kurzen Hose, die sie auch für andere sportliche Aktivitäten nutzten. Heute ist der Outfit-Check vor dem Verlassen des Hauses fast schon Pflicht.“

Die Läufer:innen von heute tragen speziell entwickelte Shorts mit integrierten Taschen, ein leichtes Funktionsshirt, kombiniert mit einer Ultra-Trail-Laufweste, einer Mützen-Sonnenbrillen-Kombination und einem Halstuch, beschreibt Glynn den Look. Dazu tragen sie natürlich auch hochentwickelte und zugleich stylische Laufschuhe, die je nach Geschwindigkeit und Distanz variieren. Daher haben auch viele Hobby-Athlet:innen – wie Sneakerheads – mehrere Modelle in ihren Schuhschränken stehen.

Beim Berliner Onlinehändler war das Modell „Clifton“ des US-amerikanischen Sportartiklers Hoka im vergangenen Jahr der meistverkaufte Laufschuh. Er überholte sogar den „Nike Pegasus“, der „lange als unangefochtener Bestseller galt“. Zalando verbuche aber auch außerhalb des Schuhsegments eine stark wachsende Nachfrage. Dabei stehen besonders Accessoires wie Oakley-Sonnenbrillen und Salomon-Trinkwesten im Fokus und unterstreichen den Trend.

Sprint in den Style-Olymp

Richtig trendy wird es aber erst, wenn ein Spezialist und eine tonangebende Marke ihre Kräfte vereinen und so Sportswear-Expertise und Stil zusammenkommen. Eine solche Zusammenarbeit kann auf natürlich Weise entstehen wie bei Patta und Nike, die nach jahrelanger Sneaker-Kollaboration auch eine umfangreiche Laufkollektion samt Schuhen herausgebracht haben.

Nike bietet die nötige Erfahrung im Laufbereich. Das Unternehmen machte seine ersten Schritte auf der Tartanbahn und versuchte, bereits vor rund 60 Jahren bestehende Laufschuh-Anbieter wie Adidas und den Asics-Vorgänger Onitsuka Tiger mit neuen Ideen zu übertreffen. Der Sportkonzern machte zu seinen Anfängen mit dem Cortez – ein Modell, das gerade als Lifestyle-Sneaker sein Comeback feierte – Joggen im Heimatmarkt salonfähig. Patta liefert dazu die Streetwear-Credibility, sodass die Kollektion auch abseits der Laufstrecke eine gute Figur macht.

Der US-Konzern scheint mit seinem Running-Segment und Kollaborationen auf der richtigen Strecke zu sein. Die Umsätze für Womenswear-Running stiegen im zweiten Quartal 2025 im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich, während der Herrenbereich unverändert blieb, so Nike-Finanzchef Matthew Friend in der Telefonkonferenz. Laufen zählt nach wie vor zu den Fokus-Sportarten, ergänzt Nike-CEO Elliott Hill gegenüber den Analyst:innen.

Laufen wird zum Luxus

Spanischer Läufer Mario García Romo in 'On x Loewe'-Kollektion Credits: On Running

Die überraschendere Zusammenarbeit war wohl der erste gemeinsame Schuh vom Zürcher Laufspezialisten On Running und Loewe. Jonathan Anderson, der dafür verantwortliche – nun ehemalige – Kreativchef des zum französischen Luxusgüterkonzern LVMH gehörenden Modehauses zählt aktuell zu den tonangebendsten Designer:innen.

Immer neue Modelle der „On X Loewe“-Laufschuhe sowie die Erweiterung des Sortiments um eine Laufbekleidunsgkapsel sprechen für den Erfolg der Zusammenarbeit und das wachsende Interesse von Luxuskund:innen für stilsichere Sportswear. Während Loewe-Anhänger:innen laufen gehen, setzten Celine-Fans auf Pilates.

Laufschuhe und Sportbekleidung zwischen Streetwear und Sneakers im KaDeWe Credits: Martin Dzuiba für The KaDeWe Group

Diese Entwicklung bemerkt auch Simone Heift vom Luxuskaufhaus-Betreiber KaDeWe GmbH. „Unsere Kund:innen suchen zunehmend nach Sportbekleidung, die sowohl funktional als auch stilvoll ist“, so die Chief Merchandising Officer der KaDeWe GmbH. „Der Trend des Athleisure, bei dem die Grenzen zwischen Sportbekleidung und Alltagsmode verschwimmen, hat nicht nur im Bereich der spezialisierten Running-Marken, sondern auch bei etablierten Lifestyle-Marken wie Sporty & Rich, Adanola, Alo Yoga und Varley an Bedeutung gewonnen.“

Der Markt ist so groß geworden, dass selbst die Pitti Uomo den Weg für Läufer:innen frei macht. Das Segment hat bei der Januar-Ausgabe der florentinischen Menswear-Messe erstmals einen eigenen Bereich innerhalb der Outdoor-Area ‘I Go Out’ bekommen.

Sportriesen und neue Marken

Viele der teilnehmenden Marken der Pitti Uomo – darunter Soar Running aus London, Kuta Distance L.AB und Unna aus Schweden – spiegeln die aktuellen Entwicklungen im Laufbereich. Sie gehen nur mit modischem Lauf-Apparel an die Startlinie, statt mit Laufschuhen erste Schritte zu machen, wie es bei großen Sportartikler:innen wie dem japanischen Asics-Konzern oder bei der börsennotierten Zürcher Marke On Running der Fall war.

Lauf-Event und Messestände des 'KneesUp'-Running-Segments der Pitti Uomo Credits: Oliver Hooson (links) und AKAstudio-collective (rechts) für Pitti Immagine

Die aktuellen Geschäftszahlen sprechen für den Weg der beiden Unternehmen. Der ausgewiesene Nettogewinn der On Holding AG war mit 242,3 Millionen Schweizer Franken (258,6 Millionen Euro) im Geschäftsjahr 2024 mehr als dreimal so hoch wie im Vorjahr. Für dieses Jahr erwartet das Unternehmen weitere kräftige Zuwächse. Auch Asics verbuchte in seiner umsatzstärksten Kategorie “Performance Running” im vergangenen Jahr einen Anstieg von 14,3 Prozent auf 326,9 Milliarden Yen (etwa 2,1 Milliarden Euro), wie aus dem Jahresabschlussbericht von Mitte Februar hervorgeht. Der Gewinn in dem Bereich stieg um 41,4 Prozent auf 70,7 Milliarden Yen.

Dennoch gehen viele junge Marken ihren eigenen Weg und setzen klar auf Bekleidung für ihre Nische. So gibt es Anbieter:innen wie Alex Zona, die im Direktvertrieb nur mit limitierten Releases über die Website arbeiten. Eine Verkaufsmethode, die besonders aus der Streetwear-Szene bekannt ist. Doch mit dem Fokus auf stylische Laufbekleidung beschäftigen sich die Marken auch mehr mit den Materialien, die sie einsetzen, und bringen so die Technologie für Bekleidung auch über den Sport hinaus voran.

„Die Grenzen zwischen Sport und Mode, Leistung und Lifestyle haben sich verwischt“, sagte Daniel Groh, Chief Brand Officer bei Satisfy. „Der Laufsport beeinflusst nicht nur die Mode, er formt sie um. Menschen bevorzugen Kleidung, die Freiheit, Bewegung und Identität widerspiegelt.“

Die französische Marke, die gerade 11,3 Millionen Euro in einer Finanzierungsrunde eingesammelt hat, ist für ihre „Moth Tech“-Ästhetik bekannt, bei der körperzonen-spezifische Löcher im T-Shirt bessere Belüftung gewährleisten sollen. Satisfy bietet aber auch leichte Materialien wie “GhostFleece” sowie die in Japan gefertigte ‘CloudMerino’-Wolle an.

Satisfy Credits: Pierre David für Satisfy

Die Laufbekleidung von Kuta Distance L.AB setzt derweil auf einen Made-to-Order-Ansatz, bei dem die Produkte der schwedischen Marke in „sorgfältiger Handarbeit“ lokal hergestellt werden, heißt es auf der Marken-Website. Eine kurze Sporthose der Marke kostet 1.500 Schwedische Kronen (rund 200 Euro) und eine Jacke 3.300 Kronen.

„Verbraucher:innen erwarten heute eine Kombination aus Funktionalität und Ästhetik – ein Trend, der den Athleisure-Boom weiter antreibt“, sagte Glynn. „Der minimalistische, technische Look von Laufbekleidung – mit nahtloser Verarbeitung, leichten Schichten und ergonomischen Passformen – hat Luxus- und Streetwear-Designende inspiriert. Sie integrieren diese Elemente zunehmend in ihre Kollektionen, wodurch sich Performance-Wear als stilprägendes Mode-Statement etabliert. Durch nachhaltige Innovationen von Running-Marken verschmelzen Technologie, Funktionalität und moderne Ästhetik immer mehr.“

Gerade der Fast-Fashion-Bereich ist dafür bekannt, neuste Trends aufzusaugen und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Anbieter wie H&M und Zara ebenfalls die Laufstrecke betreten haben. Der schwedische Modefilialist H&M bietet eine umfassende Kollektion von simplen Tops und Hosen über Accessoires wie Laufgürtel und Handschuhe bis zur Laufjacke an. Der spanische Konkurrent Zara bietet als Teil seiner 2021 lancierten Fitness-Linie ‘Athleticz’ nicht nur den passenden Lauf-Look, sondern auch eine Bandbreite an Laufschuhen, die sich für verschiedene Distanzen eignen.

Impressionen von Zaras Laufevent in Madrid Credits: Alicia Reyes Sarmiento // FashionUnited.

Große Fast-Fashion-Unternehmen stehen aber auch immer wieder in der Kritik, sich an Designs von jungen Marken zu bedienen. Tim Soar warf Zara vor einem Monat beispielsweise ein solches Vorgehen auf Linkedin vor. Der Gründer der Londoner Laufmarke Soar vergleicht in dem Karrierenetzwerk-Post eigene Designs mit denen des zum spanischen Bekleidungskonzern Inditex gehörenden Filialisten.

Marken setzen auf Running-Community

Unabhängig davon, inwieweit die Designs der kleineren Marken „kopiert" werden, leben diese vor allem von einer starken Community, die auch in solchen Situationen hinter ihr herläuft. Neben zahlreichen Community-Events rund ums Laufen steht der Sport für diese Marken natürlich besonders im Mittelpunkt.

Die Amsterdamer Marke Patta, die mit Nike zusammen in den Laufsport expandiert, bringt derweil ihre langjährige Streetwear-Community zum Laufen. Mitgründer Edson Sabajo startete vor rund 15 Jahren das Patta Running Team. Neben dem festen Team sind in den letzten Jahren weitere Ideen entstanden, wie das „Youngster Project“, bei dem besonders junge Menschen zum Laufen motiviert werden sollen.

Seit vergangenen April gibt es zudem Pattas Lauftreffs „Crewlove Runs“, die wöchentlich an verschiedenen Orten in Amsterdam sowie auch immer wieder in anderen Städten wie London und Berlin stattfinden.

Patta Crewlove Runs Credits: Patta Running

„Crewlove Run ist offen für alle, die in den Laufsport einsteigen wollen. Es geht um die Menschen und die Liebe in der Gemeinschaft“, erklärt Guillain Irankunda am Treffpunkt, einem Hip-Hop-Tanzstudio im Amsterdamer Stadtteil Bijlmermeer.

Der Initiator ist selbst seit rund sieben Jahren Teil des Patta Running Teams und freut sich immer, wenn auch Mitarbeitende aus dem Unternehmen sich für das Projekt interessieren, mitlaufen und mit ihm die verschiedenen Orte der Stadt erkunden. Der aktuelle Lauf zog sich – geleitet von einem Teilnehmer aus der Gegend – bei einem lockeren Tempo über sieben Kilometer vorbei an Wohnblocks und durch mehrere idyllische Grünanlagen.

Ob nun in der Stadt, auf dem Land oder auch in den Bergen – Laufen geht eigentlich fast überall, es braucht nur das passende Outfit.

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