Period Panties – von der Nische in den Mainstream?
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Periodensichere Modeartikel sind ein wachsender Markt. Der Einstieg von Adidas und Chantelle in diesem Jahr stellt das Potential für Modeunternehmen unter Beweis.
Auf Instagram hält die Influencerin Vivi Koenig schwarze, sportliche Periodenunterwäsche von dem Berliner Label Snuggs in die Kamera. Ganz offen redet sie über ihre persönlichen Erfahrungen, bietet einen Rabattcode an und bewirbt die Unterwäsche für ihre rund 130.000 Follower:innen.
Period-Panties sind ein vergleichsweise junges Produkt auf dem deutschen Markt und wurden bislang von spezialisierten Start-Ups für einen noch kleinen Kreis von Kund:innen angeboten. Langsam aber sicher bahnen sie sich jedoch ihren Weg in die Öffentlichkeit und ins Zentrum der Modewelt, denn in diesem Jahr sind auch große Player der Branche in den Markt eingetaucht. Der deutsche Sportmodehersteller Adidas brachte im Juni die ersten periodensicheren Leggings auf den Markt und die französische Lingerie-Marke Chantelle lancierte im Mai eine Kollektion mit Period-Panties.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Periodenunterwäsche keine Eintagsfliege sein wird, sondern als fester Bestandteil der Fashion-Branche bleiben wird”, sagte Yvonne Wetzel, Senior Produktmanagerin bei Chantelle, im Interview mit FashionUnited.
Und die Prognosen sind vielversprechend. Einem Bericht des britischen Marktforschungsunternehmen Future Market Insights zufolge, soll der weltweite Markt für Perioden-Panties zwischen 2020 und 2030 jährlich durchschnittlich um 15,8 Prozent wachsen. Deutschland ist demnach der zweitgrößte Markt für periodensichere Unterwäsche in Europa, unter anderem die Steuersenkung für Damenhygieneartikel hat zum Marktwachstum beigetragen.
Enttabuisierung der Periode
Das Thema Menstruation ist in den vergangenen Jahren immer mehr aus dem Schatten der privaten Gespräche in das Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Medien gerückt. Der öffentliche Diskurs wurde beispielsweise durch die Senkung der Steuer auf Damenhygieneprodukte in Deutschland im Januar vergangenen Jahres angekurbelt. Sie gelten nun als Güter des Grundbedarfs und werden mit einer reduzierten Mehrwertsteuer von sieben Prozent versteuert. Bis zu dem Zeitpunkt galten die Hygieneartikel noch als “Luxusgüter” und Menstruierende mussten 15 Prozent Mehrwertsteuer auf die Produkte zahlen.
Auch der Sportartikelhersteller Adidas setzt sich mit dem Trend der Enttabuisierung des Themas auseinander. Als erstes großes Unternehmen außerhalb des Unterwäsche-Segments brachte im Juni periodensichere Leggings auf den Markt. „Uns war es wichtig, das Thema in die Sportwelt zu tragen”, sagte Kim Bürger, Produktexpertin bei Adidas, im Interview mit FashionUnited.
Der Markteinführung ging eine mehr als zweijährige Forschungs- und Entwicklungsphase voraus, bei der deutlich wurde, dass das mentale und physische Unwohlsein während der Periode Frauen und Mädchen davon abhält, Sport zu treiben, erklärte Bürger. Die Leggings soll als zusätzlicher Schutz helfen. „An sich sieht die Tight aus, wie jede andere Tight. Das war uns sehr wichtig, damit sie diskret und trotzdem komfortabel ist”,erklärt Bürger. „Wir als Sportmarke wollen niemanden ausschließen. Wir versuchen, Barrieren zu beseitigen und eine davon war eben auch das Thema von Menstruation und Periode.”
Zusammen mit Sportlehrkräften und der Sportwissenschaftlerin Georgie Bruinveis hat Adidas theoretisches Aufklärungsmaterial und praktische Unterrichtspläne für Schulen entwickelt, um Lehrern, Eltern und Jugendlichen dabei zu helfen, den Zyklus besser zu verstehen.
Gerade jüngere Generationen entwickeln eine zunehmend positive Einstellung zum Thema Periode. Mit der dritten Welle der Frauenbewegung, die sich um die Jahrhundertwende entwickelt hat, wird die Menstruation zunehmend als etwas Natürliches angesehen, und nicht mehr als etwas Schmutziges und Unreines. Der sogenannte “neue” Feminismus fokussiert ein postmodernes und diverses Gesellschaftsbild und ist verstärkt im Internet aktiv. Die monatliche Blutung wird mehr und mehr von ihrer negativen Konnotation befreit und rückt in den Mittelpunkt von Popkultur, Kunst und Werbekampagnen.
Das zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit in den Köpfen der Menschen hat ebenfalls dazu geführt, dass über das Thema Periode und die damit einhergehende Umweltverschmutzung gesprochen wird.
Die nachhaltige Alternative
Periodenunterwäsche zeichnet sich durch eine Technologie aus, bei der mehrere Schichten von absorbierenden und antimikrobiellen Stoffen übereinander gelegt werden. Sie sollen die Flüssigkeit aufsaugen und gleichzeitig nicht durchlassen. Ein großer Vorteil dieser Produkte: Sie sind waschbar und somit nachhaltiger als Einwegprodukte. Die klassischen Artikel wie Tampons, Binden und Slipeinlagen enthalten Plastik und stehen damit sehr weit oben auf der Liste umweltschädlicher Produkte.
Als das Start-up Ooia 2018 mit ihrer Menstruationsunterwäsche auf den Markt kam, war es das erste Label in Deutschland, das diese Marktlücke bediente. Zu der Zeit gab es nur die klassischen Einwegprodukte und die Menstruationstasse tauchte langsam auf der Bildfläche auf, erinnerte sich Kristine Zeller, Mitbegründerin von Ooia, im FashionUnited-Interview. „Damals waren wir die Ersten, die das in Deutschland gemacht haben”, erzählte sie, „aber es gab schon verschiedene Brands weltweit, die seit 2014 angefangen haben dieses Thema zu besetzen”. International waren Labels wie Thinx aus den USA, oder Modibodi aus Australien die Vorreiter.
Zu dieser Zeit waren nachhaltige Alternativen auf dem deutschen Markt für Damenhygiene noch deutlich unterrepräsentiert: der Bericht des Menstrual Hygiene Monitor von 2019 zeigte, dass das Potenzial für nachhaltige Damenhygieneprodukte in Deutschland bis dato nur unzureichend ausgeschöpft wurde, denn in dem Jahr nutzten noch etwa 96 Prozent der Menstruierenden in Deutschland Einwegprodukte. Mit dem Launch der Period-Panties wollte das grüne Label Ooia für mehr Produktvielfalt auf dem deutschen Markt sorgen: „Unser Ziel ist, dass die verschiedenen Menschen, die menstruieren, verschiedene Produkte haben, zwischen denen sie auswählen können”, erklärte Zeller.
Und das Marktpotenzial für Damenhygiene-Artikel ist groß. Im Mai lebten nach Angaben von Statista rund 42 Millionen Frauen in Deutschland, die auf die verschiedenen Produkte angewiesen sind. Laut dem Feminine Hygiene Report lag der Umsatz im deutschen Damenhygiene-Segment 2021 bei etwa 578 Millionen Euro.
Zwischen Drogerie und Fashion
Nicht ganz klar ist, ob es sich bei Menstruationsunterwäsche um ein Drogerie- oder ein Fashion-Produkt handelt – um beides, sagt Zeller. Gerade deswegen sei es so interessant, weil „es an der Grenze zwischen Drogerie-Produkt und Fashion-Produkt liegt, es spielt sozusagen in beiden Welten”. Period-Panties kombinieren die Funktionalität von Damenhygieneartikeln mit der Optik von klassischer Unterwäsche. So können die Panties, je nach Hersteller, Flüssigkeit in der Menge von ein bis drei Tampons aufnehmen. Angezogen unterscheiden sie sich jedoch nicht von herkömmlicher Unterwäsche und auch in der Verwendung gleichen sie der alltäglichen Variante.
Dass Menstruationsunterwäsche nicht nur ein funktioneller Drogerieartikel ist, zeigen die breiten Produktpaletten der verschiedenen Brands, die sich auf die Produkte spezialisiert haben. Es gibt sportliche, einfarbige Modelle wie Hipster und Shorts von dem Label Ooia, aber auch andere Passformen wie Brazilian, String oder hochgeschnittene Varianten wie bei Kora Mikino. Die Farbpalette geht über schlichte Nude-Töne und dunkle Farben, bis hin zu leuchtendem Rot, das auf elegante Spitze trifft.
Auch der Eintritt der französischen Lingerie-Marke Chantelle verdeutlicht die Tatsache, dass die Panties durchaus in der Fashion-Welt mitspielen: „Ich glaube definitiv, dass Lingerie und Perioden-Panties vereinbar sind”, sagte Wetzel im Interview. Das Label entschied sich für die Einführung von Menstruationsunterwäsche, um Frauen eine komfortable und nachhaltige Lösung zu bieten, um durch ihre Periode zu kommen. Wetzel sagte aber auch, dass das Unternehmen dabei einen Blick auf die Trends und die Entwicklungen des Marktes hatte und, „dass das ein Thema ist, das gesellschaftlich immer mehr an Bedeutung gewinnt.”
Vor allem online ist die Nachfrage groß
Trotz der voranschreitenden Entwicklung sind noch immer Barrieren beim Thema Periode Thematik vorhanden, was auch die bisherigen Vertriebswege für die Panties verdeutlichen. So verkaufen die meisten Labels nur über Online-Kanäle, da sich die Kundschaft dort hinter der Anonymität des Bildschirms verstecken kann, erklärt Zeller. Sie schließt den Verkauf über stationäre Händler in Zukunft dennoch nicht aus, sieht momentan aber die Vorteile der Online-Shops, da die Kund:innen dort in Ruhe recherchieren können.
Chantelle bestätigte ebenfalls eine gute Online-Nachfrage, betont aber gleichzeitig die hohe Akzeptanz, die die Produkte im Fachhandel finden. „Wir sind sehr begeistert, wie offen die Kunden demgegenüber sind. Einige Kunden berichten, dass sie Konsument:innen haben, die gezielt nach Periodenwäsche fragen. Die Aufmerksamkeit bei den Endverbraucher:innen ist da. Zwar noch nicht flächendeckend, aber es ist auf jeden Fall ein Thema”, sagte Wetzel.
Viele der Unternehmen verfolgen mit ihrer Menstruationsunterwäsche einen sehr inklusiven Ansatz und verkaufen die Produkte in breiten Größenranges, die von Größe 34 bis zu Größen über 50 reichen. So sollen möglichst viele Menstruierende angesprochen werden und die Möglichkeit haben, auf die Alternative zurückzugreifen. Einige der spezialisierten Brands, wie beispielsweise Ooia, aber auch Thinx in den USA, haben ihr Produktportfolio ausgeweitet und bieten die Unterwäsche auch für Jugendliche und Schwangere, beziehungsweise für Frauen nach der Geburt, an.
Im Mainstream der Modewelt?
Große Namen, wie die Online-Modehändler Zalando und About You sowie der Versandhandel Otto, haben die Period-Panties bereits in ihrem Angebot. Die periodensichere Unterwäsche hat also den Schritt aus dem nachhaltigen Modesegment in das Sortiment der Online-Riesen geschafft. Chantelle-Produktmanagerin Wetzel äußert die Vermutung, dass „mehr und mehr bekannte Marken in den Bereich einsteigen werden”. So beispielsweise der Wäscheanbieter Schiesser, der seit März periodensichere Panties in seinem Online-Shop und auch im stationären Handel anbietet.
Auf die Frage, ob Menstruationsunterwäsche schon im Fashion-Mainstream angekommen ist, antwortet Wetzel: „Ich glaube noch ist es ein Nischenprodukt, aber ich kann mir vorstellen, dass es, ähnlich wie Shapewear, irgendwann ein fester Bestandteil sein wird”.