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Sevil Uguz, LNFA Shop - Mut zu Jungdesignern

Von Barbara Russ

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Mode |INTERVIEW

In ihrem Laden im Bikini Berlin verkauft Sevil Uguz, Gründerin und Inhaberin des LNFA Shops und der gleichnamigen Agentur, junge deutsche und internationale Designer, an die sich etablierte Händler nicht rantrauen. Zu riskant, zu unbekannt, zu schwer verständlich sind die Argumente, den jungen Modeschöpfern keine Plattform auf ihren Flächen zu bieten. Uguz ist gelernte Juristin und kam als Quereinsteigerin in die Mode. Vielleicht brauchte es ein bisschen modische Naivität für eine so waghalsige Idee, aber sie scheint zu funktionieren.

Wie kamst du auf die Idee, den LNFA Shop und die LNFA Agency zu gründen?

Die Idee, die LNFA Agency beziehungsweise den Store zu gründen, war eine sehr impulsive. Nachdem ich zuvor für andere Agenturen als Junior PR Beraterin gearbeitet hatte, bemerkte ich, dass unsere Fashion-Networking Veranstaltungen wirklich gut ankamen und dass vor allem junge Designer sich eine engere und intensivere Zusammenarbeit wünschten. Deshalb fing ich an, darüber nachzudenken, im Bereich Retail etwas auf die Beine zu stellen und das mit dem Bereich der PR zu kombinieren. Der Grundgedanke dabei war es, die Designer sowohl finanziell durch Verkäufe wie auch im Aufbau von Reichweite zu unterstützen. Seither hat sich diese Mischung als perfekte Kombination und als Novum herausgestellt, sodass wir mittlerweile auch Nachahmer haben. Wir freuen uns in jedem Falle diebisch darüber, denn so entstehen mehr Möglichkeiten für die Designer.

Habt Ihr dafür finanzielle Unterstützung bekommen? Wenn ja, woher?

Wir sind bisher weder von staatlicher noch von Investorenseite unterstützt wurden. Natürlich würden wir uns sehr darüber freuen, nach unserem bald zweijährigen Bestehen Unterstützung von der Berliner Kreativförderung zu erhalten, oder mit einem zu uns passenden Investor die nächsten Schritte auch im Ausland gehen zu können. Die wohl wichtigste Unterstützung, die wir bisher erfahren haben, ist die von den Designern, die uns vertrauen und mit uns zusammenarbeiten. Außerdem verdanken wir unseren Start und die rasante Entwicklung unseren zahlreichen Freunden und freiwillig helfenden Händen, die uns nicht im Stich gelassen haben.

Welche Labels habt Ihr zuerst in Euer Sortiment aufgenommen?

Vor knapp zwei Jahren haben wir mit etwa 20 Designern angefangen. Unter anderem waren das Esther Perbandt, LVC, Antonia Ivanova, Brachmann, Angela Gomez, Stilnest, Friederike Haller, Marina Hoermanseder und Trippen.

Wie viele sind es jetzt?

Heute ist unsere kreative Gemeinschaft auf fast über 90 Designer angestiegen. Bis Ende April werden wir 100 Designer aus der ganzen Welt vertreten und sind auch sehr stolz auf den internationalen Zulauf an Designern.

Abgesehen von der Verkaufsplattform im Bikini, womit unterstützt Ihr die Labels sonst noch?

Neben dem Retailgeschäft in unserem Store unterstützen wir die Designer außerdem in den Bereichen PR, Brandbuilding und Wholesale durch unsere Kontakte zu verschiedenen Salesexperten sowie bei Events und stehen ihnen generell beratend zur Seite. Wir versuchen unsere Designer ganz nach Bedarf zu unterstütze und wenn wir selbst nicht weiterhelfen können, vermitteln wir sie an neue Kontakte, die Ihnen wiederum helfen können. Aktuell haben wir für die Zukunft auch den Bereich E-Commerce und eine enge Zusammenarbeit mit den Universitäten auf der Agenda, um so ein stabiles Wachstum, sowohl für die jungen Modeschaffenden, als auch für das LNFA-Team zu ermöglichen.

Im LNFA Store verkaufst Du junge Labels, die sonst zum Teil wenige bis gar keine anderen Verkaufspunkte haben. Wie wählst Du die Labels aus?

Besonderes Augenmerk legen wir auf das Engagement des Designers, denn nur diejenigen, die genug Ausdauer mitbringen, haben auch eine reelle Chance auf eine langfristige und wirtschaftlich erfolgreiche Arbeit als Designer. Des weiteren achten wir auf die Qualität der Produkte, denn das Retailgeschäft ist ein hartes und der Konkurrenzdruck zu bereits bekannten Geschäften und Labels hoch. Wir versuchen, ein kreativ breit gefächertes Sortiment anzubieten. Unser Hauptziel ist die Zufriedenheit unserer Kunden, die das Besondere suchen. Das Preis-Leistungsverhältnis spielt natürlich eine große Rolle, denn gerade im Retailgeschäft sind die Kunden durch die Preispolitik der großen Ketten 'verdorben' und wünschen sich Tiefstpreise ohne sich über Produktion oder Qualität Gedanken zu machen. Das Argument, zu wissen, wie, wo und wie häufig etwas produziert oder gefertigt wurde, hilft zwar in der Regel, dem Kunden unsere Preise zu erklären, für einen Kauf reicht es aber leider oft nicht.

Wer kauft im LNFA Shop ein?

Unsere Kunden sind sowohl weiblich als auch männlich, wobei der Frauenanteil überwiegt. Der Altersdurchschnitt lässt sich auf etwa 35 - 45 Jahre festlegen, was auch für uns erst ein wenig erstaunlich war, da wir zumindest vom Interior Design sicherlich kein Standard Conceptstore sind. Aufgrund unseres Standorts am Zoologischen Garten haben wir etwa 65 % Touristen bei uns und bedienen daher Kunden aus der ganzen Welt. Besonders beliebt ist unser Store bei den Amerikanern, Italienern, Israelis, Japanern, Chinesen, allen nordischen Ländern und den arabischen Touristen.

Merkt man da Unterschiede im Kaufverhalten?

Der Unterschied zwischen den Touristen und den Berlinern ist für uns immer sehr offensichtlich. Die Touristen sind immer sehr impulsiv und nicht wirklich auf der Suche nach etwas Bestimmtem, sondern lassen sich vielmehr inspirieren, was perfekt zu unserem Kundenkonzept passt, da man bei uns auch viele speziellere und außergewöhnliche Teile neben klassischen Basics finden kann. Der Berliner lässt sich, denke ich, nur langsam von neuen Geschäften überzeugen und der Westen mausert sich erst seit einiger Zeit wieder. Wir sind aber guter Dinge und überzeugen mit unserem Konzept gerne jeden Berliner Kunden zur Wiederkehr in das LNFA.

Wie werden die Designerlabels von den Kunden angenommen?

Die Kunden lieben bei uns die große Vielfalt an Designern und unsere kleinen Geschichten über jeden Einzelnen, die wir auf Wusch und bei Interesse gerne auch erzählen. Die Nähe zur Modewelt und den Designern ist einer unsrer wichtigsten Selling Points, der unsere Kunden begeistert.

Was verkauft sich bei Euch besonders gut?

Da ich nur ungern hier einzelne Designer herausstellen möchte, beschreibe ich am Besten die Designrichtung und das Preissegment. Grundsätzlich verkaufen wir besonders stark alles Avantgardistische und die eher ungewöhnlichen Designs. Das liegt daran, dass sich unsere Kunden insbesondere etwas Außergewöhnliches wünschen. Das Preissegment, in dem unsere Kunden verstärkt kaufen, hat eine gefühlte Obergrenze von etwa 500 Euro – alles was höherpreisiger ist, wird schwieriger.

Woran liegt es, dass deutsche Modedesigner es so schwer haben, finanziell über die Runden zu kommen?

Ich denke ehrlicherweise nicht, dass es nur deutsche Designer schwer haben, über die Runden zu kommen. Es ist generell ein schwieriges Business, und aller Anfang ist auch hier schwer. Insbesondere den Kreativen liegt es oft nicht, sich mich der finanziellen und geschäftlichen Seite ihres Unternehmens zu beschäftigen. Hinzu kommt in Berlin, dass die Stadt im Vergleich zu anderen internationalen Modestädten nach wie vor im Aufbau ist und wir insbesondere weniger internationale wie nationale Presse ansässig ist. Selbes gilt für Einkäufer. Deshalb ist es meiner Meinung nach für deutsche Jungdesigner auch ein Muss, sich auf dem internationalen Markt zu platzieren - sei es durch Presse oder durch Messen und Showrooms.

Welche Art von Förderung für junge Designer würdest Du Dir in Deutschland stärker wünschen?

Ich sehe zwei verschiedene Aspekte, neben finanzieller Förderung, für den Support von deutschen Jungdesignern als wichtig an. Erstens das Generieren von internationalen Kontakten, damit sich die Designer auch im Ausland präsentieren können. Und Zweitens eine ehrliche und unverblümte Vorbereitung der Designer in die Selbstständigkeit. Oftmals bekommen wir nämlich das Gefühl, dass die Designer nicht zu erfüllende Erwartungen an Ihre Selbstständigkeit haben und Ihnen hierbei auch noch das richtige Werkzeug fehlt, wie zum Beispiel ein generelles Verständnis für Vertrieb, Produktion und Preisgestaltung.


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