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Die Erfolgsgeschichte von Naumy: Ein Blick hinter die Kulissen eines aufstrebenden Fast-Fashion-Konzerns

Von Diane Vanderschelden

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Das Model trägt eine gelbe Puffer-Jacke . Bild: Unsplash.

Der Name Naumy gewinnt zunehmend an Bekanntheit – der französische Bekleidungshersteller bietet eine breite Palette an Damen-, Herren- und Kindermode an und hat einen bemerkenswerten Markeneintritt hingelegt, indem er direkt mit den Fast-Fashion-Riesen Shein und Primark konkurrierte. Das Unternehmen hat das Ziel 100 Geschäfte in Frankreich zu eröffnen und feierte erst kürzlich die Eröffnung von drei Stores in Belgien. So will Naumy ganz Europa erreichen und möglicherweise weltweit expandieren.

An wen richtet sich Naumy?

Obwohl sich die Online-Präsenz von Naumy auf Damenmode und Accessoires zu konzentrieren scheint, bieten die stationären Läden des Unternehmens eine breite Produktpalette für Frauen, Männer und Kinder sowie eine seperate Abteilung für Beauty-Produkte an. Trotzdem hebt sich das Label mit seinem eigenen Stil und Geschäftsansatz von der restlichen Fast-Fashion-Landschaft ab. Ein Blick auf die Website zeigt eine andere Zielgruppe, als die von Konkurrent Shein. Der chinesiche E-Commerce-Riese richtet sich in erster Linie an die GenZ. Bei Naumy sind die Models, die Posen und die Designs weniger auf High-Fashion ausgerichtet. Die Bilder zeigen eher diskrete, essentielle Styles, die sich an den schnell verändernden Trends der Modebranche orientieren.

In einem Interview mit der französischen Nachrichtenplattform Actu erklärte Lin Can, Managing Director des Unternehmens, Naumy biete in seinen Geschäften ein vielfältiges Angebot, das er als „als eine Mischung aus allem, was typischerweise in einem Einkaufszentrum zu finden ist”, beschrieb. Er betonte, dass das Unternehmen „für jede:n etwas zu einem erschwinglichen Preis anbieten” will. Gleichzeitig hob er das Engagement von Naumy hervor, verschiedene Stile anzubieten und damit unterschiedliche sozio-ökonomische Gruppen und Altersgruppen anzusprechen. Ein Blick auf die Website von Naumy unterstreicht dieses Bestreben: Das Angebot des Bekleidunganbieters reicht von einer Skinny-Jeans für zehn Euro bis hin zu Cargo-Hosen für 25 Euro. Kleider liegen preislich bei 15 Euro und langärmelige Oberteile bei zwölf. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch hochpreisige Produkte an, die sich in einer Spanne zwischen 100 und 150 Euro bewegen. So bietet Naumy Optionen für unterschiedliche Budgets und stylistische Vorlieben.

Wie kann der französische Fast-Fashion-Anbieter seine Verkaufspreise niedrig halten?

Naumy ist – wie auch Primark und Shein – online präsent und bietet analog zu seinen Konkurrenten, seinen Kund:innen jede Woche neue Produkte an. Das Ziel des Unternehmens ist es, Modetrends schnell zu verfolgen und sie zu erschwinglichen Preisen zugänglich zu machen. Diese Flexibilität wird dadurch ermöglicht, dass 60 Prozent der Kleidung in Europa, vor allem in Italien, hergestellt wird. Das unterscheidet Naumy maßgeblich von seinen Konkurrenten. Die Nähe zwischen Produktions- und Vertriebsstellen ermöglicht eine minimale Lagerhaltung und fördert so den Verkauf in den Geschäften.

Lin Can betont, wie wichtig es ist, den Kund:innen eine große Auswahl zu bieten. Außerdem hebt er die familiäre Atmosphäre der Naumy-Stores hervor, die besonders in Vororten und Einkaufszentren erfolgreich sind. Viele Einzelhandelsgeschäfte schließen, doch das Angebot von Naumy scheint einer echten Nachfrage zu entsprechen und bietet den Kund:innen eine neue Shopping-Alternative.

Der Geschäftsführer hebt hervor, dass das Unternehmen nicht das Ziel hat im direkten Wettbewerb mit Primark zu stehen. In einem Artikel des belgischen Medienunternehmens Gondola erklärte Can: „Wir haben unsere eigene Identität geschaffen und eine Kund:innenbindung aufgebaut. Im Gegensatz zu Primark stellen wir einen großen Teil unserer Produkte in Europa her, was zu etwas höheren Preisen führt – aber wir sind auch modisch fortgeschrittener”.

Auch wenn Naumy nicht ausdrücklich Ambitionen geäußert hat, mit dem Billigdiscounter konkurrieren zu wollen, scheint das Unternehmen eine ähnliche Strategie wie Primark zu verfolgen: Mit enorm vielen Ladeneröffnungen und speziellen Angeboten an jedem neuen Standort, die auf die lokale Kund:innenschaft zugeschnitten sind. Hélène Janicaud, Modeexpertin bei dem britischen Marktforschungsunternehmen Kantar kommentiert dazu: „Ende September 2023 hatte Primark zwar nur 24 Geschäfte, aber das Unternehmen lag mit einem Marktanteil von 3,1 Prozent auf Platz sieben. Mit der Eröffnung von weiteren Stores hat Primark die Chance, in die Top-Five des Textilmarktes aufzusteigen”. Nach Angaben der französischen Zeitschrift LSA, die sich auf die Trendanalyse in der Lebensmittelindustrie, im Einzelhandel und Verbraucherbereich spezialisiert hat, belaufen sich die Kosten für jede Filialeröffnung für Primark auf 16 bis 17 Millionen Euro.

Lesen Sie mehr über die Expansionen von Primark:

Wie sieht die finanzielle Lage von Naumy aus?

Was die mit der Eröffnung von Geschäften verbundenen Kosten betrifft, so treibt Naumy seine Expansion weiter voran und baut seine Präsenz in Frankreich und Belgien weiter aus. Das Unternehmen begann sein Ladennetzwerk in der französischen Region Île-de-France im Jahr 2014 mit der Eröffnung eines ersten Stores in Fleury-Mérogis. Zehn Jahre später hat Naumy fast 40 Filialen in Frankreich und ein umfangreiches Produktsortiment von über 100.000 Artikeln im Onlinestore. Erst kürzlich hat Naumy einen 1.500 Quadratmeter großen Laden in der Nähe der Bastille in Paris eröffnet. „Ziel ist es, eine starke Präsenz im Herzen der Hauptstadt aufzubauen und die Pariser Kund:innenschaft anzuziehen”, so Can. Dieser strategische Schritt könnte der Marke den Übergang von regionalen Standorten in die urbanen Zentren und die europäischen Hauptstädte ermöglichen. Eine Entwicklung, die durch die Expansion von Naumy nach Brüssel bestätigt werden könnte. Dort plant der Fast-Fashion-Anbieter die Eröffnung eines 1.700 Quadratmeter großen Stores in den Galeries Saint-Lambert. Zusätzlich eröffnen Geschäfte in Lüttich und Namur. Allein in Frankreich sind in diesem Jahr 15 weitere Neueröffnungen geplant. Doch damit will sich Naumy nicht zufrieden geben – das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, in Frankreich 100 Filialen zu eröffnen. „Das wird schnell gehen, innerhalb von zwei oder drei Jahren. Aber wir werden mehr anstreben, wenn es machbar ist”, so Can im Gespräch mit Actu.

Was steckt hinter diesem bemerkenswerten Erfolg? Der Direktor des britischen Lieferketten-Unternehmens 5 Stars Trading besuchte Naumy kürzlich in Paris. Er hebt die Belastbarkeit und den Geschäftssinn von Naumy hervor. Trotz der großen Herausforderungen, mit denen der globale Einzelhandel konfrontiert war, hat die Naumy Group die Pandemie gut überstanden und ist sogar weiter gewachsen und besitzt nun über 42 Geschäfte, zu denen in diesem Jahr weitere 60 hinzukommen sollen. Naumy-CEO Chaowen Ni führt den Erfolg seines Unternehmens auf zwei entscheidende Faktoren zurück: Eine robuste Lieferkette und das Angebot kostengünstiger Produkte. Wenn man sich die Aufschlüsselung der finanziellen Leistung ansieht, scheint die Gruppe finanziell solide aufgestellt zu sein, da sie nicht auf Kredite oder andere Finanzierungshilfen angewiesen ist. Laut Verif, einer Organisation die Unternehmensinformationen bereitstellt, wurde Naumy France 2014 mit einem Grundkapital von 20.000 Euro gegründet und wird von Chaowen Ni geleitet. Das Unternehmen ist im Bereich des Bekleidungshandels in Fachgeschäften tätig und beschäftigt 39 Mitarbeitende. In der letzten Unternehmensbilanz, die am 31. Dezember 2021 veröffentlicht wurde, weist Naumy France einen Umsatz von 5.692.294 Euro aus und hält somit seinen Status als klein- und mittleres Unternehmen (KMU).

Entwicklung der Finanzerträge von Naumy

Diagramm stellt die Entwicklung der finanziellen Leistung von Naumy dar. Bild: Sociétéinfo.

Das Online-Inkassobüro Rubypayeur hat sogar eine Analyse der finanziellen Situation von Naumy erstellt. Demnach sind die Finanzkennzahlen des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2020/21 sehr positiv. So kann Naumy ein EBITDA von 396.505 Euro im Jahr 2021 vorweisen, was einem Wachstum von 32,91 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Ein positives EBITDA zeigt an, dass der Geschäftszyklus eines Unternehmens profitabel ist und einen Gewinn nach dem Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen erzielt. Der Cashflow von Naumy betrug im Jahr 2020 315.034 Euro und 307.666 Euro im Jahr 202. Die finanzielle Unabhängigkeit des Unternehmens stieg von 35,4 Prozent im Jahr 2020 auf 40,5 Prozent im Jahr 2021.

Im Hinblick auf die betriebliche Effizienz benötigte Naumy 7,8 Umsatztage, um den Betriebszyklus 2020 zu finanzieren. Im Jahr 2021 stieg diese Zahl auf 13,7 Tage an. Bemerkenswert ist, dass das Verhältnis der Löhne und Gehälter zum Umsatz mit rund 13 Prozent im Jahr 2020 und 14,5 Prozent im Jahr 2021 eher gering zu sein scheint. Es gibt keine allgemeingültige Quote, die das Verhältnis der Gesamtlohnbelastung im Einzelhandel beziffert, aber oftmals wird mit einem Anteil von 66 Prozent gerechnet – Naumy liegt mit 36,9 Prozent in 2021 weit darunter. Doch obwohl Naumy rund 60 Prozent seiner Produkte in Italien produziert scheint das Unternehmen – wie viele seiner Fast-Fashion-Konkurrenten – den Mitarbeiter:innen keine angemessenen und fairen Löhne zu zahlen.

„[Diese] Großbetriebe schaffen keine Arbeitsplätze auf europäischem und französischem Boden. Sie exportieren 100 Prozent ihrer Produkte per Flugzeug und respektieren unsere Umwelt-, Sozial- und manchmal sogar unsere Gesundheitsstandards nicht. Dies ist ein unfairer Wettbewerb gegenüber allen französischen Textilhersteller:innen..."
Antoine Vermorel-Marques, Mitglied der Französischen Nationalversammlung

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass für die Geschäftsjahre 2021/22 und 2022/23 keine konkreten Zahlen vorliegen. Das sind genau die Jahre, in denen Naumy seine intensiven Expansionsvorhaben umgesetzt hat. Folglich bleiben die Auswirkungen der zahlreichen Neueröffnung noch unbekannt.

Ein weiterer potenzieller Vorteil, den Naumy gegenüber seinen Konkurrenten haben könnte, ist die Vorreiterrolle des Unternehmens im Hinblick auf die ESG-Finanzkraft. Da ein Großteil der Belegschaft in Italien beschäftigt ist, kann sich das Unternehmen an die Lohn-Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) anpassen. Aufgrund Naumys niedriger Gehalsgewichtung von 36,9 Prozent, die Rubypayeur veröffentlicht hat, empfiehlt das Onlineunternehmen jedoch eine Überprüfung der Lohnzahlungen. Darüber hianus gewährleistet die Herstellung in Italien die Einhaltung der EU-Produktanforderungen und die Nähe zu den europäischen Kund:innen hält sich an das Prinzip des ‘Circuit Court’, der sich mit Umweltbelangen befasst.

Ein neuer Gesetzesentwurf in Frankreich könnte die Situation möglicherweise verändern. Ein französischer Abgeordneter hat einen Vorschlag eingereicht, nachdem eine Steuer in Höhe von fünf Euro auf Produkte von Shein und andere Fast-Fashion-Marken erhoben wird, um so Probleme des unlauteren Wettbewerbs und der Umweltauswirkungen zu lösen. „[Diese] Großbetriebe schaffen keine Arbeitsplätze auf europäischem und französischem Boden. Sie exportieren 100 Prozent ihrer Produkte per Flugzeug und respektieren unsere Umwelt-, Sozial- und manchmal sogar unsere Gesundheitsstandards nicht. Dies ist ein unfairer Wettbewerb gegenüber allen französischen Textilhersteller:innen. Wir empfehlen ein ‘Bonus-Malus-System’ sodass 'Made in France' billiger und 'Made in China' teurer ist. Wenn man ein T-Shirt auf einer der großen Online-Plattformen kauft, die keine Geschäfte in Frankreich haben, dann ist das ein Produkt, das die Umwelt enorm verschmutzt, also werden wir eine Strafe nach dem Verursacherprinzip verhängen", forderte der Abgeordnete Antoine Vermorel-Marques. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, strengere Anforderungen für importierte Fast-Fashion-Artikel einzuführen, um so die heimische Produktion zu fördern und die Umweltverschmutzung zu verringern. Dieser Vorschlag ist ein wichtiger Schritt zur Lösung ähnlicher Probleme, mit denen europäische Modehändler:innen konfrontiert sind, und spiegelt die laufenden Diskussionen in den USA über billige Fast-Fashion-Importe aus China wider.

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